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»Wer hat das hier gebaut?«

»Mein Vater und meine großen Brüder. Ich habe ihnen ein bisschen geholfen oder sie wohl eher behindert. Mein Vater zog sich gern ab und zu hierher zurück. Und er kümmerte sich nicht groß um Konventionen. Er hat sich nie die Mühe gemacht herauszufinden, wem das Stück Land hier eigentlich gehörte, oder Genehmigungen einzuholen oder solchen überflüssigen Kram.« Jared lacht und legt dabei den Kopf in den Nacken. Die blonden Strähnen in seinem Haar reflektieren das Sonnenlicht. »Offiziell existiert dieser Ort hier gar nicht. Praktisch, was?« Scheinbar ohne darüber nachzudenken, streckt er den Arm aus und nimmt meine Hand.

Dort, wo er mich berührt, glüht meine Haut. Es fühlt sich auf eine nie gekannte Art gut an, aber gleichzeitig spüre ich einen eigenartigen Schmerz in der Brust.

Immer wieder fasst er mich so an; es scheint, als müsste er sich jedes Mal wieder vergewissern, dass ich wirklich da bin. Merkt er, was das mit mir macht, der einfache Druck seiner warmen Handfläche auf meiner? Pulsiert ihm auch das Blut in den Adern? Oder ist er einfach nur froh, nicht mehr allein zu sein?

Er schwingt unsere Arme hin und her, als wir unter einer Gruppe Balsampappeln hindurchgehen, deren Grün sich so lebhaft von dem Rot dahinter abhebt, dass meine Augen ganz durcheinandergeraten und ich alles verschwommen sehe. Er ist glücklich hier, glücklicher als irgendwo anders. Ich bin auch glücklich. Das Gefühl ist mir immer noch fremd.

Seit jener ersten Nacht, in der ich geschrien habe, als ich die Narbe in seinem Nacken ertastete, hat er mich nicht mehr geküsst. Will er mich nicht mehr küssen? Sollte ich ihn vielleicht küssen? Und wenn er das nicht mag?

Er sieht auf mich herunter und lächelt; die Fältchen um seine Augen breiten sich wie kleine Netze aus. Ich überlege, ob er wirklich so gut aussieht, wie ich glaube, oder ob es mir nur so vorkommt, weil er außer mir und Jamie der einzige Mensch auf der ganzen Welt ist.

Nein, ich glaube nicht, dass es daran liegt. Er ist wirklich schön. »Woran denkst du, Mel?«, fragt er. »Du siehst aus, als würdest du über etwas wirklich Wichtiges nachgrübeln.« Er lacht.

Ich zucke mit den Schultern und mein Bauch kribbelt. »Es ist schön hier.«

Er sieht sich um. »Das stimmt. Aber ist es zu Hause nicht immer schön?«

»Zu Hause«, wiederhole ich leise. »Zu Hause.« »Es ist auch dein Zuhause, wenn du willst.«

»Ich will.« Es kommt mir vor, als hätte mich jede einzelne Meile, die Ich in den letzten drei Jahren zurückgelegt habe, an diesen Ort geführt. Ich möchte hier nie wieder weg, auch wenn ich weiß, dass wir das müssen. Essen wächst nicht auf Bäumen. Zumindest nicht in der Wüste.

Er drückt meine Hand und mein Herz donnert gegen meine Rippen.

Es schmerzt, dieses Glück.

Das Bild verschwamm, als Melanie weitersprang, ihre Gedanken durch den heißen Tag tanzen ließ, bis die Sonne längst hinter den roten Felswänden des Canyons untergegangen war. Ich folgte ihr, fest schon hypnotisiert von der endlosen Straße, die sich vor mir erstreckte, und den verkrüppelten Sträuchern, die mit einschläfernder Gleichförmigkeit vorbeiflogen.

Ich werfe einen Blick in das schmale kleine Schlafzimmer. Die breite Matratze ist auf beiden Seiten nur ein paar Fingerbreit von den rauen Steinwänden entfernt.

Es erfüllt mich mit einem unglaublichen Glücksgefühl, Jamie in einem richtigen Bett schlafen zu sehen, den Kopf auf ein weiches Kissen gebettet. Er hat seine schlaksigen Arme und Beine ausgestreckt, so dass neben ihm nicht mehr viel Platz für mich ist. In Wirklichkeit ist er viel größer als in meiner Vorstellung. Fast elf - bald ist er kein Kind mehr, auch wenn er für mich immer eines bleiben wird. Jamie atmet ruhig im Schlaf. Keine Angst, die seinen Traum stört, im Moment jedenfalls.

Leise schließe ich die Tür und gehe zurück zu dem kleinen Sofa, auf dem Jared wartet.

»Danke«, flüstere ich, obwohl ich bezweifle, dass Jamie aufwacht, selbst wenn ich die Wörter schreien würde. »Ich hab ein schlechtes Gewissen. Dieses Sofa ist doch viel zu kurz für dich. Vielleicht solltest du lieber bei Jamie im Bett schlafen ...«

Jared lacht leise. »Mel, du bist doch nur ein paar Zentimeter kleiner als ich. Schlaf endlich mal bequem. Nächstes Mal, wenn ich auf Tour gehe, klaue ich mir ein Klappbett oder so was.« Das gefällt mir aus mehreren Gründen nicht. Will er denn bald wieder weg? Wird er uns dann mitnehmen? Hält er diese Zimmeraufteilung für dauerhaft?

Er legt mir den Arm um die Schultern und zieht mich an sich. Ich schmiege mich dicht an ihn, obwohl mir die Wärme seiner Berührung schon wieder einen Stich ins Herz versetzt. »Was ist?«, fragt er.

»Wann musst du ... wann müssen wir hier wieder weg?« Er zuckt mit den Schultern. »Wir haben auf dem Weg hierher genug Essen für ein paar Monate eingesackt. Ich kann ein paar kürzere Touren machen, wenn du eine Weile an einem Ort bleiben möchtest. Ich bin sicher, du hast das Umherziehen satt.«

»Allerdings«, gebe ich ihm Recht. Ich hole tief Luft, um mir Mut zu machen. »Aber wenn du gehst, komme ich mit.« Er drückt mich noch fester an sich. »Ich gebe zu, dass mir das lieber ist. Der Gedanke, von dir getrennt zu sein ...« Er lacht lautlos. »Klingt es verrückt, wenn ich sage, dass ich lieber sterben würde? Zu melodramatisch?«

»Nein, ich weiß, was du meinst.«

Er muss einfach dasselbe fühlen wie ich. Würde er all diese Dinge sagen, wenn er in mir einfach nur einen anderen Menschen sähe und keine Frau?

Mir wird bewusst, dass wir seit der Nacht, in der wir uns getroffen haben, zum ersten Mal wirklich allein sind - zum ersten Mal gibt es eine Tür zwischen dem schlafenden Jamie und uns beiden. In so vielen Nächten sind wir wach geblieben, haben uns flüsternd unterhalten, uns all die Geschichten erzählt, die glücklichen Geschichten und die schrecklichen, immer mit Jamies Kopf in meinem Schoß. Diese geschlossene Tür genügt, um meinen Atem schneller gehen zu lassen.

»Ich glaube, du musst dir kein Feldbett suchen, noch nicht.«

Ich spüre, wie sein Blick fragend auf mir ruht, aber ich kann ihm nicht in die Augen sehen. Jetzt bin ich verlegen, aber es ist zu spät. Die Wörter sind heraus.

»Keine Sorge, wir bleiben hier, bis das Essen aufgebraucht ist. Ich habe schon auf schlimmeren Dingen als diesem Sofa geschlafen.«

»Das habe ich nicht gemeint«, sage ich, den Blick immer noch gesenkt.

»Du schläfst im Bett, Mel. Davon kannst du mich nicht abbringen.«

»Das habe ich auch nicht gemeint.« Meine Stimme ist kaum ein Flüstern. »Was ich meine, ist, dass das Sofa lang genug für Jamie ist. Es wird noch lange dauern, bis er zu groß dafür ist. Ich könnte mir das Bett mit... dir teilen.«

Er schweigt. Ich möchte den Blick heben, um den Ausdruck auf seinem Gesicht sehen zu können, aber ich traue mich nicht. Was, wenn Ich ihn jetzt abgeschreckt habe? Wie werde ich damit fertig? Wird er mich wegschicken?

Seine warmen, schwieligen Finger heben mein Kinn an. Mein Herz macht einen Satz, als unsere Blicke sich treffen.

»Mel, ich ...« Ausnahmsweise lächelt er nicht.

Ich versuche wegzuschauen, aber er hält mein Kinn so, dass ich seinem Blick nicht ausweichen kann. Spürt er das Feuer zwischen unseren Körpern nicht? Oder geht das nur mir so? Es fühlt sich an wie eine flache Sonne zwischen uns - zusammengepresst wie eine Blume zwischen den Seiten eines dicken Buches, dessen Papier sie verbrennt. Fühlt es sich für ihn anders an? Unangenehm? Nach einer Weile dreht er den Kopf zur Seite, jetzt ist er es, der wegschaut, wobei er jedoch immer noch mein Kinn festhält. Seine Stimme ist ruhig. »Du schuldest mir nichts, Melanie. Du schuldest mir überhaupt nichts.«