Oder spare Zeit, wenn ich Recht habe. Außerdem ist es meine Zeit, oder nicht?
Sie antwortete nicht. Stattdessen schien sie sich in meinem Kopf auszustrecken, zurück zu dem von ihr favorisierten Wasserlauf.
Ich mache das hier auf meine Art. Melanie kochte wortlos.
Warum zeigst du mir nicht die restlichen Linien?, schlug ich vor. Wir könnten gucken, ob man noch was sieht, bevor es Nacht wird.
Nein, fuhr sie mich an. Das mache ich auf meine Art.
Du bist kindisch.
Sie antwortete auch diesmal nicht. Ich fuhr weiter auf die vier spitzen Gipfel zu und sie schmollte.
Als die Sonne hinter den Bergen verschwand, wurde es schlagartig Nacht um uns herum; eben noch hatte die Wüste im Orange des Sonnenuntergangs geleuchtet, dann war es schwarz. Ich fuhr langsamer und fummelte auf der Suche nach dem Schalter für die Scheinwerfer am Armaturenbrett herum.
Hast du den Verstand verloren?, zischte Melanie. Hast du eine Ahnung, wie weit man die Scheinwerfer hier draußen sehen kann? So entdeckt man uns bestimmt. Und was machen wir jetzt?
Hoffen, dass man die Rückenlehne runterklappen kann. Ich ließ den Motor laufen, während ich nach einer Alternative zur Übernachtung im Auto suchte, umgeben von der schwarzen Leere der nächtlichen Wüste. Melanie wartete geduldig. Sie wusste, ich würde keine finden.
Das ist doch verrückt, sagte ich, als ich den Schalthebel auf Parken stellte und den Schlüssel aus dem Zündschloss zog. Das alles hier. Es kann gar nicht sein, dass hier draußen wirklich jemand ist. Wir werden nichts finden. Und wir werden uns dabei hoffnungslos verirren. Ich hatte eine vage Ahnung von der konkreten Gefahr unseres Vorhabens - einfach so in die Hitze hinauszumarschieren ohne einen Plan B, ohne eine Umkehrmöglichkeit. Ich wusste, dass Melanie die Gefahr noch viel besser einschätzen konnte, aber sie hielt die Einzelheiten vor mir zurück.
Sie reagierte nicht auf meine Bedenken. Keins dieser Probleme kümmerte sie. Mir war klar, dass sie lieber für den Rest ihres Lebens allein durch die Wüste wandern würde, als zu dem Leben zurückzukehren, das ich bisher geführt hatte. Und das nicht nur wegen der Bedrohung durch die Sucherin.
Ich kurbelte die Rückenlehne so weit wie möglich zurück - was längst nicht weit genug war, um bequem zu sein. Ich bezweifelte, dass ich schlafen würde, aber es gab so viele Dinge, über die ich mir nicht nachzudenken erlaubte, dass es in meinem Gehirn ganz leer war. Melanie schwieg ebenfalls.
Ich schloss die Augen und konnte keinen großen Unterschied zur mondlosen Nacht feststellen. Unerwartet leicht schlief ich ein.
Ausgetrocknet
»Okay! Du hattest Recht, du hattest Recht!«, sagte ich laut - sehr laut. Es war niemand in der Nähe, der mich hätte hören können. Melanie erwiderte nicht Hab ich doch gleich gesagt, zumindest nicht so wortreich. Dafür war ihr Schweigen umso anklagender.
Es widerstrebte mir immer noch, aus dem Auto auszusteigen, obwohl ich jetzt nichts mehr damit anfangen konnte. Als der Tank leer gewesen war, hatte ich es ausrollen lassen, bis es in einem seichten Graben stecken geblieben war – einer schlammigen Mulde, die der letzte heftige Regen ausgewaschen hatte. Jetzt starrte ich durch die Windschutzscheibe in die weite, verlassene Wüste hinaus und spürte, wie sich mein Magen vor Hunger und Angst zusammenzog.
Wir müssen los, Wanderer. Es wird bloß immer noch heißer. Wenn ich nicht mehr als ein Viertel der Tankfüllung darauf verschwendet hatte, stur bis zum Fuß der zweiten Wegmarkierung weiterzufahren - nur um festzustellen, dass die dritte Orientierungslinie von dort aus nicht mehr zu sehen war, was bedeutete, dass ich umkehren und wieder zurückfahren musste -, wären wir auf diesem sandigen Weg schon so viel weiter gekommen, unserem nächsten Ziel schon so viel näher. Meinetwegen mussten wir jetzt zu Fuß weiter.
Ich lud das Wasser mit langsamen Bewegungen Flasche für Flasche in den Rucksack und schob die übrigen Müsliriegel genauso langsam hinterher. Melanie drängte mich zur Eile. Ihre Ungeduld machte es mir schwer, nachzudenken, mich auf irgendetwas zu konzentrieren. Wie zum Beispiel darauf, was jetzt aus uns werden sollte.
Hopp, hopp, hopp, skandierte sie, bis ich steif und unbeholfen aus dem Auto geklettert war. Als ich mich aufrichtete, fuhr mir ein Schmerz in den Rücken. Er rührte von meiner verdrehten Schlafposition und nicht von dem Gewicht, das ich trug; der Rucksack war gar nicht so schwer, wenn ich ihn einmal auf den Schultern hatte.
Jetzt deck das Auto ab, wies sie mich an und zeigte mir ein Bild, wie ich stachelige Zweige von den Kreosotbüschen und dem Jerusalemdorn in der Nähe abriss und sie auf dem silbernen Autodach verteilte.
»Warum?«
Ihr Tonfall machte deutlich, für wie blöd sie mich hielt, wenn ich das nicht verstand. Damit uns niemand findet.
Und was, wenn ich gefunden werden will? Was, wenn hier draußen nichts weiter ist als Hitze und Staub? Wie sollen wir wieder nach Hause kommen?