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Nicht mit mir.

Würde es eine Erleichterung sein, sich davon zu befreien? Ich war mir nicht sicher. Es fühlte sich an wie ein Teil von mir.

Wir hielten nur noch wenige Stunden durch. Sogar Melanies unglaubliche Willenskraft konnte unserem immer schwächer werdenden Körper nicht noch mehr abverlangen. Wir sahen kaum noch etwas. Wir schienen in der trockenen Luft, die wir einsaugten und wieder ausströmen ließen, keinen Sauerstoff mehr zu finden. Die Schmerzen sandten ein klägliches Wimmern über unsere Lippen.

So schlecht ist es dir noch nie gegangen, was?, neckte ich sie schwach, als wir auf ein vertrocknetes Bäumchen zu stolperten, das etwas über das niedrige Gestrüpp hinausragte. Wir wollten zu dem schmalen Schattenstreifen gelangen, bevor wir hinfielen.

Nein, gab sie zu. So schlecht noch nie.

Wir erreichten unser Ziel. Der tote Baum warf das Netz seines Schattens über uns und die Beine knickten unter uns weg. Wir sanken auf den Bauch und wollten nie wieder Sonne im Gesicht haben. Unser Kopf drehte sich von alleine zur Seite, auf der Suche nach der glühend heißen Luft. Wir starrten auf den Staub wenige Zentimeter von unserer Nase entfernt und lauschten auf unseren keuchenden Atem.

Nach einer Weile - wie lang genau, wussten wir nicht - schlossen wir die Augen. Unsere Augenlider leuchteten von innen rot. Wir spürten das schwache Schattennetz nicht mehr, vielleicht war es schon weitergezogen.

Wie lange?, fragte ich sie.

Ich weiß es nicht, ich bin noch nie gestorben. Eine Stunde? Oder länger? Ich habe keine Ahnung. Wenn man mal einen Kojoten braucht, ist keiner in der Nähe. Vielleicht haben wir Glück ... eine entlaufene Klauenbestie oder so was ...

Ihre Gedanken schweiften ab.

Das war unsere letzte Unterhaltung. Es war zu anstrengend, sich so sehr zu konzentrieren, dass man Wörter bilden konnte. Wir hatten stärkere Schmerzen als erwartet. Alle Muskeln unseres Körpers protestierten, verkrampften und verspannten sich, während sie gegen den Tod ankämpften.

Wir kämpften nicht. Wir ließen uns treiben und warteten, wäh- rend unsere Gedanken ohne erkennbares Muster in Erinnerungen ein- und wieder aus ihnen auftauchten. Solange wir noch bei Bewusstsein waren, summten wir uns selbst im Kopf ein Schlaflied vor. Es war eins, mit dem wir Jamie immer getröstet hatten, wenn der Boden zu hart war zum Schlafen oder die Luft zu kalt oder die Angst zu groß. Wir spürten, wie sein Kopf sich in die Kuhle direkt unter unserer Schulter drückte und die Form seines Rückens unter unserem Arm. Und dann schien es, als ob es unser Kopf wäre, der an einer breiteren Schulter lehnte, und als ob ein neues Schlaflied uns tröstete.

Unsere Augenlider wurden schwarz, aber das war noch nicht der Tod. Es war Nacht geworden und das machte uns traurig. Ohne die Hitze des Tages würde es wahrscheinlich länger dauern.

Eine unendliche Zeit lang war es dunkel und still. Dann war da ein Geräusch.

Wir nahmen es kaum wahr. Wir waren uns noch nicht einmal sicher, ob wir es uns nicht nur eingebildet hatten. Vielleicht war es doch ein Kojote. Wollten wir das? Wir wussten es nicht. Wir konnten dem Gedankengang nicht länger folgen und vergaßen das Geräusch.

Etwas schüttelte uns, zog an unseren tauben Armen, zerrte an ihnen. Wir konnten nicht mehr mit Worten ausdrücken, dass wir uns wünschten, es würde jetzt schnell gehen, aber das war es, worauf wir hofften. Wir warteten auf das Zupacken der Zähne. Stattdessen wurde das Ziehen zu einem Schieben und wir spürten, wie unser Gesicht sich dem Himmel zudrehte.

Etwas floss über unser Gesicht - nass, kühl und unglaublich. Es rann über unsere Augen und spülte den Sand heraus. Unsere Augenlider flatterten und blinzelten in die Tropfen. Der Sand in unseren Augen kümmerte uns nicht. Unser Kinn reckte sich in die Höhe, verzweifelt suchend, unser Mund öffnete und schloss sich ziellos und mitleiderregend vor Schwäche wie der eines frisch geschlüpften Vogels.

Wir glaubten ein Seufzen zu hören.

Und dann floss das Wasser in unseren Mund und wir schluckten es und verschluckten uns an ihm. Das Wasser verschwand, als wir uns verschluckten, und unsere schwachen Hände streckten sich danach aus. Gleichmäßige, feste Schläge klopften auf unseren Rücken, bis wir wieder atmen konnten. Unsere Hände griffen auf der Suche nach dem Wasser weiterhin in die Luft. Diesmal hörten wir ganz sicher ein Seufzen. Etwas wurde an unsere rissigen Lippen gedrückt und das Wasser floss wieder. Wir nuckelten daran, darauf bedacht, es nicht wieder in die Luftröhre zu bekommen. Nicht, dass es uns etwas ausgemacht hätte, uns zu verschlucken, aber wir wollten nicht, dass uns das Wasser wieder weggenommen wurde.

Wir tranken, bis sich unser Magen ausdehnte und wehtat. Das Wasser versiegte tröpfelnd und wir stießen einen heiseren Protestschrei aus. Eine weitere Öffnung wurde an unsere Lippen gedrückt und wir schluckten gierig, bis auch hier nichts mehr kam. Mir jedem weiteren Schluck würde unser Magen bersten, trotzdem blinzelten wir und versuchten zu erkennen, ob es noch mehr gab. Es war zu dunkel; wir konnten nicht einen einzigen Stern ausmachen. Und dann blinzelten wir erneut und stellten fest, dass die Dunkelheit viel näher war als der Himmel. Eine Silhouette beugte sich über uns, schwärzer als die Nacht.

Das leise Geräusch von Stoff, das an Stoff rieb, war zu hören und das Knirschen von Sand unter einem Absatz. Die Silhouette verschwand und wir hörten ein durchdringendes Ritsch - das Geräusch eines Reißverschlusses, das in der absoluten nächtlichen Stille ohrenbetäubend war.

Wie eine Klinge stach uns Licht in die Augen. Wir stöhnten auf, weil es so wehtat, und unsere Hand beeilte sich, unsere geschlossenen Augen abzudecken. Sogar hinter unseren Lidern war das Licht zu hell. Es verschwand und wir spürten, wie der Atem des nächsten Seufzers unser Gesicht traf.

Vorsichtig öffneten wir die Augen, blinder als vorher. Wen auch immer wir vor uns hatten, er saß unbeweglich da und sagte kein Wort. Wir begannen uns der angespannten Situation bewusst zu werden, aber es fühlte sich so an, als spielte sich das alles weit weg, außerhalb unseres Körpers, ab. Es war schwierig, sich um etwas anderes zu kümmern als das Wasser in unserem Bauch und die Überlegung, wo wir noch mehr herbekommen könnten. Wir versuchten uns zu konzentrieren, zu erkennen, was uns gerettet hatte.

Das Erste, was wir nach minutenlangem Blinzeln und Zwinkern ausmachen konnten, war die üppige weiße Masse, die aus dem dunklen Gesicht floss, eine Million blasser Splitter in der Nacht. Als wir begriffen, dass es sich dabei um einen Bart handelte - wie der Weihnachtsmann, fiel uns plötzlich ein -, wurden die anderen Teile des Gesichts plötzlich von unserer Erinnerung ergänzt. Alles fand seinen Platz: die große Nase mit der gespaltenen Nasenspitze, die breiten Wangenknochen, die dichten, weißen Brauen, die Augen, die tief in die zerknitterte Haut eingesunken waren. Obwohl wir nur Andeutungen seiner Züge erkennen konnten, wussten wir, was das Licht zum Vorschein bringen würde.