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»Onkel Jeb«, krächzten wir überrascht. »Du hast uns gefunden.«

Onkel Jeb, der neben uns hockte, kippte nach hinten auf seine Absätze, als wir seinen Namen aussprachen.

»Na so was«, sagte er und seine raue Stimme brachte eine Million Erinnerungen zurück. »Na so was, das ist ja eine schöne Bescherung.«

Bestimmt

»Sind sie hier?« Wir spuckten die Worte aus - sie schossen aus uns heraus wie vorher das Wasser aus unseren Lungen. Außer Wasser war diese Frage alles, was zählte. »Haben sie es geschafft?«

Es war unmöglich, in der Dunkelheit Onkel Jebs Gesichtsausdruck zu deuten. »Wer?«, fragte er.

»Jamie, Jared!« Unser Flüstern brannte wie ein Schrei. »Jared war mit Jamie unterwegs. Unserem Bruder! Sind sie hier? Sind sie hergekommen? Hast du sie auch gefunden?«

Es gab kaum eine Pause.

»Nein.« Seine Antwort kam kraftvoll und mitleidslos, ohne jegliches Gefühl.

»Nein«, flüsterten wir. Wir sprachen ihm nicht nach, wir protestierten dagegen, unser Leben zurückzubekommen. Wozu? Wir schlossen die Augen wieder und lauschten dem Schmerz in unserem Körper. Er übertönte den Schmerz in unserem Kopf.

»Hör mal«, sagte Onkel Jeb nach einer Weile. »Ich, äh, muss mich da um was kümmern. Ruh dich ein bisschen aus, ich bin gleich zurück.«

Wir nahmen den Inhalt seiner Worte nicht wahr, nur das Geräusch. Unsere Augen blieben geschlossen. Seine Schritte knirschten leise davon. Wir konnten nicht erkennen, in welche Richtung er ging. Es war uns auch egal.

Sie waren weg. Es gab keine Möglichkeit mehr, sie zu finden, keine Hoffnung. Jared und Jamie waren verschwunden - etwas, das sie gut konnten - und wir würden sie nie wiedersehen.

Das Wasser und die kühlere Nachtluft machten uns wach, was wir gar nicht wollten. Wir drehten uns um und vergruben unser Gesicht wieder im Sand. Wir waren so müde, jenseits aller Erschöpfung in einem versunkenen, schmerzhafteren Zustand.

Wir würden sicher schlafen können. Wir mussten nur aufhören zu denken. Das konnten wir schaffen. Wir schafften es.

Als wir aufwachten, war es immer noch Nacht, aber die Morgendämmerung kündigte sich bereits am östlichen Horizont an – eine mattrote Linie hinter den Bergen. Unser Mund schmeckte nach Staub und zuerst waren wir überzeugt, dass wir Onkel Jebs Erscheinen nur geträumt hatten. Natürlich hatten wir das.

Heute Morgen hatten wir einen klareren Kopf und schnell bemerkten wir den ungewohnten Umriss direkt neben unserer Wange - etwas, das weder ein Stein noch ein Kaktus war. Wir berührten es und es fühlte sich hart und glatt an. Wir gaben ihm einen Schubs und das herrliche Geräusch plätschernden Wassers drang aus seinem Innern.

Onkel Jeb war real und er hatte uns eine Feldflasche dagelassen. Vorsichtig setzten wir uns auf, überrascht, dass wir nicht wie ein verdorrter Stock zerbrachen. Es ging uns sogar besser. Das Wasser musste genug Zeit gehabt haben, sich seinen Weg durch einen Teil unseres Körpers zu bahnen. Der Schmerz war schwächer geworden und jetzt verspürten wir wieder Hunger.

Mit steifen, ungeschickten Fingern drehten wir den Deckel von der Flasche. Sie war nicht ganz voll, aber es war genug Wasser darin, um unseren Magen erneut auszudehnen - er musste wieder geschrumpft sein. Wir tranken sie ganz aus; das Rationieren hatten wir hinter uns.

Wir ließen die Metallflasche in den Sand fallen, wo sie in der Stille der Dämmerung ein dumpfes Geräusch machte. Wir waren jetzt hellwach. Wir seufzten, da wir lieber bewusstlos gewesen wären, und ließen den Kopf in unsere Hände sinken. Was jetzt?

»Wieso hast du diesem Parasiten Wasser gegeben, Jeb?«, fragte eine wütende Stimme dicht hinter uns.

Wir wirbelten herum und landeten auf den Knien. Was wir sahen, Heß unseren Herzschlag aussetzen und unser Bewusstsein wieder auseinanderbrechen.

Acht Menschen standen im Halbkreis um den Baum herum, unter dem ich kniete. Es bestand kein Zweifel, dass sie alle Menschen waren. Ich hatte noch nie derartig entstellte Gesichter gesehen - nicht unter meinesgleichen. Diese hassverzerrten Lippen, die wie bei wilden Tieren zusammengebissene Zähne entblößten. Diese Brauen, zusammengezogen über Augen, die vor Wut glühten.

Es waren sechs Männer und zwei Frauen, einige von ihnen sehr groß, die meisten größer als ich. Das Blut wich aus meinem Gesicht, als ich bemerkte, warum sie ihre Hände so eigenartig hielten - vor ihrem Körper geballt, jede mit einem Gegenstand versehen. Sie trugen Waffen. Einige hatten Messer; ein paar kleine wie die, die ich in meiner Küche gehabt hatte, und einige länger, eins riesig und bedrohlich. Mit einem solchen Messer konnte man in der Küche nichts anfangen. Melanie verriet mir den Namen dafür. Eine Machete.

Andere hielten lange Stangen, einige aus Metall, einige aus Holz. Knüppel.

Zwischen ihnen erkannte ich Onkel Jeb. Er hielt etwas in der Hand, das ich selbst noch nie gesehen hatte, nur in Melanies Erinnerungen, wie das große Messer. Es war ein Gewehr.

Ich war fassungslos vor Entsetzen, aber Melanie betrachtete das alles mit Verwunderung und staunte über die große Zahl. Acht menschliche Überlebende. Sie hatte gedacht, Jeb wäre allein oder im besten Fall mit nur zwei anderen zusammen. So viele der Ihren am Leben zu sehen, erfüllte sie mit Freude.

Du bist verrückt, erklärte ich ihr. Schau sie dir an. Sieh hin.

Ich zwang sie, das Ganze aus meinem Blickwinkel zu sehen; die bedrohlichen Wesen in den schmutzigen Jeans und dünnen, staubigen Baumwollhemden zu erkennen. Früher einmal waren sie Menschen gewesen - so wie sie das Wort verstand -, aber jetzt und hier waren sie etwas anderes. Sie waren Barbaren, Monster. Sie bedrohten uns und dürsteten nach Blut.

Aus jedem Augenpaar leuchtete ein Todesurteil.

Melanie sah das alles und musste mir, wenn auch widerwillig, Recht geben. In diesem Augenblick zeigten sich ihre geliebten Menschen von ihrer schlechtesten Seite - wie in der Zeitung, die wir in der verlassenen Hütte gefunden hatten. Wir standen Mördern gegenüber.

Wir hätten klüger sein und schon gestern sterben sollen.

Warum hatte uns Onkel Jeb dafür am Leben gelassen?

Bei dem Gedanken durchfuhr mich ein Schaudern. Ich hatte die Geschichte der menschlichen Gräueltaten übersprungen, weil ich sie nur schlecht ertragen konnte. Vielleicht hätte ich mich besser zusammennehmen sollen. Ich wusste, dass es Gründe gab, warum Menschen ihre Feinde noch eine Weile am Leben ließen.

Dinge, die sie sich von ihren Gehirnen oder Körpern noch versprachen ...

Natürlich kam es mir unverzüglich in den Sinn - das Geheimnis, das sie mir entlocken wollten. Das eine, das ich ihnen niemals, unter keinen Umständen verraten durfte. Egal, was sie mit mir machten. Eher würde ich mich umbringen.

Ich ließ Melanie das Geheimnis nicht sehen. Ich richtete ihren eigenen Schutzmechanismus gegen sie und zog eine Mauer in meinem Kopf hoch, hinter der ich mich versteckte, während ich zum ersten Mal seit der Implantation über diese Information nachdachte. Es hatte bisher keinen Grund gegeben, sich damit zu beschäftigen.

Melanie auf der anderen Seite der Mauer verspürte allerdings praktisch keine Neugier; sie unternahm keinen Versuch, die Barriere zu durchbrechen. Es gab Dinge, die sie mehr interessierten als die Tatsache, dass sie nicht die Einzige war, die Informationen zurückgehalten hatte.