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»Die Antworten auf meine Fragen sind genauso wichtig wie Ihre Verantwortung der Seele gegenüber.«

»Darüber lässt sich streiten.«

Das Geräusch einer Bewegung war zu vernehmen und dann war ihre Stimme plötzlich ein Flüstern. »Wann wird sie ansprechbar sein? Die Narkose muss doch bald nachlassen.«

»Wenn sie so weit ist. Lassen Sie sie in Ruhe. Sie hat ein Recht darauf, so mit der Situation umzugehen, wie es für sie am angenehmsten ist. Stellen Sie sich ihren Schock beim Aufwachen vor - in einem aufständischen Wirt, auf der Flucht lebensgefährlich verletzt! Niemand sollte in Friedenszeiten so etwas durchmachen müssen!« Je mehr er sich aufregte, umso lauter wurde er.

»Sie ist stark.« Die Stimme der Frau klang jetzt beschwichtigend. »Sehen Sie doch, wie gut sie die erste Erinnerung, die schlimmste Erinnerung, überstanden hat. Was auch immer sie erwartet hat, sie ist damit fertiggeworden.«

»Aber warum war das nötig?«, murmelte der Mann, schien jedoch keine Antwort zu erwarten.

Die Frau antwortete trotzdem. »Wenn wir die Informationen kriegen wollen, die wir brauchen ...«

»Brauchen, sagen Sie. Ich würde eher von wollen sprechen.« »... dann muss jemand diese unangenehme Aufgabe übernehmen«, fuhr sie unbeirrt fort. »Und nach allem, was ich von dieser Seele hier weiß, denke ich, dass sie die Herausforderung angenommen hätte, wenn es möglich gewesen wäre, sie zu fragen. Wie nennen Sie sie?«

Der Mann sagte lange nichts. Die Frau wartete. »Wanderer«, antwortete er schließlich widerwillig.

»Das passt«, sagte sie. »Ich kenne keine offiziellen Statistiken, aber sie muss eine der ganz wenigen sein, wenn nicht sogar die Einzige, die so weit herumgekommen ist. Ja, Wanderer ist gut, so lange, bis sie sich selbst einen neuen Namen aussucht.«

Er schwieg.

»Natürlich kann es auch sein, dass sie den Namen des Wirts annehmen will ... Wir haben in unserem Archiv allerdings keine Daten gefunden, die mit ihren Fingerabdrücken oder Netzhaut- Scans übereinstimmen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sie hieß.«

»Sie wird den Menschennamen nicht annehmen«, murmelte der Mann.

Ihre Antwort war sanft. »Jeder findet auf seine Weise Trost.«

»Dieser Wanderer wird mehr Trost nötig haben als die meisten anderen, dank Ihrer Art, Ihrer Berufung nachzugehen.«

Ein klapperndes Geräusch war zu hören - das Stakkato von Schritten auf einem harten Boden. Als sie wieder etwas sagte, befand sich die Stimme der Frau in einiger Entfernung von dem Mann auf der anderen Seite des Raumes.

»Mit der Anfangszeit dieser Besetzung wären Sie schlecht klargekommen«, sagte sie.

»Vielleicht kommen Sie schlecht mit dem Frieden klar.«

Die Frau lachte, aber es klang falsch, sie war nicht wirklich belustigt. Mein Gehirn schien sehr geübt darin, aus Klangfärbungen und Modulationen die eigentliche Bedeutung herauszuhören.

»Sie haben ja keine Ahnung, was meine Berufung mit sich bringt. Ich verbringe Stunden über Akten und Landkarten. Hauptsächlich Schreibtischarbeit. Der Konflikt oder die Gewalt, die Sie sich vorstellen, kommen nicht oft vor.«

»Vor zehn Tagen haben Sie schwer bewaffnet diesen Körper fast zu Tode gehetzt.«

»Die Ausnahme, wie ich Ihnen versichern kann, nicht die Regel. Sie dürfen nicht vergessen, dass die Waffen, die Sie so hassen, auf unsere eigene Spezies gerichtet werden, wenn wir Sucher nicht wachsam genug sind. Die Menschen töten uns skrupellos, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Alle, die diese Feindseligkeit schon mal zu spüren bekommen haben, halten uns für Helden.«

»Sie klingen, als wären wir im Krieg.«

»Für die übrig gebliebenen Vertreter der menschlichen Rasse gilt das auch.«

Die Worte hallten laut in meinem Kopf nach. Mein Körper reagierte darauf; ich spürte, wie meine Atmung sich beschleunigte, hörte meinen Herzschlag lauter als bisher. Neben dem Bett, auf dem ich lag, registrierte eine Maschine den Anstieg mit einem gedämpften Signal. Der Heiler und die Sucherin waren zu sehr in ihren Wortwechsel vertieft, um es zu bemerken.

»Aber die Menschen haben diesen Krieg längst verloren, was sogar die, die noch übrig sind, realisiert haben dürften. Wir sind ihnen doch zahlenmäßig weit überlegen. Wie ist das Verhältnis? Eine Million zu eins? Ich nehme an, Sie wissen das besser.«

»Wir schätzen, dass unsere Überzahl sogar noch größer ist«, gab die Sucherin widerstrebend zu.

Der Heiler schien mit dieser Information zufrieden zu sein und den Streit nicht fortsetzen zu wollen. Einen Augenblick lang war es still.

Ich nutzte die Zeit, um meine Lage zu sondieren. Vieles war offensichtlich.

Ich befand mich in einer Heileinrichtung und erholte mich von einer ungewöhnlich traumatischen Implantation. Ich war sicher, dass der Körper, der mich beherbergte, vollständig geheilt worden war, bevor man ihn mir zur Verfügung gestellt hatte. Einen beschädigten Wirt hätte man ausrangiert.

Ich dachte über die unterschiedlichen Auffassungen des Heilers und der Sucherin nach. Nach den Informationen zu schließen, die ich erhalten hatte, bevor ich den Entschluss fasste hierherzu- kommen, hatte der Heiler Recht. Es gab kaum noch Gefechte mit den wenigen verbliebenen menschlichen Widerstandsnestern. Der Planet, der Erde genannt wurde, war genauso friedlich und ruhig, wie er vom Weltraum aus wirkte, einladend grün und blau, in harmlose weiße Dämpfe gehüllt. Überall herrschte jetzt Harmonie, die ureigenste Eigenschaft der Seelen.

Die Auseinandersetzung zwischen dem Heiler und der Sucherin schlug aus der Art. Sie war ungewöhnlich aggressiv für unsere Spezies. Das machte mich nachdenklich. War es möglich, dass doch etwas Wahres dran war an den geflüsterten Gerüchten, die wie Wellen durch ihre Gedanken gewogt waren, die Gedanken der ... der ...

Der Versuch, mich an den Namen meiner letzten Spezies zu erinnern, lenkte mich ab. Wir hatten einen Namen gehabt, das wusste ich. Aber jetzt, ohne Verbindung mit dem Wirt, konnte ich mich an das Wort nicht mehr erinnern. Wir hatten eine viel einfachere Sprache benutzt als diese hier, eine schweigende Gedankensprache, die uns alle zu einem großen Bewusstsein vereinte. Eine notwendige Vereinfachung, wenn man für immer in der feuchten schwarzen Erde verwurzelt war.

Ich konnte diese Spezies in meiner neuen menschlichen Sprache beschreiben. Wir lebten auf dem Grund des großen Meeres, das die gesamte Oberfläche unserer Welt bedeckte - einer Welt, die auch einen Namen hatte, aber den hatte ich ebenfalls vergessen. Wir hatten alle hundert Arme und auf jedem Arm tausend Augen, so dass uns durch unsere verknüpften Gedanken nichts in der unendlichen Weite des Ozeans entging. Geräusche waren nicht nötig, deshalb gab es auch keine Möglichkeit, sie zu hören. Wir schmeckten das Wasser und zusammen mit unserer Sehfähigkeit erfuhren wir so alles, was wir wissen mussten. Wir schmeckten das Licht der Sonnen, die hoch über dem Wasser standen, und verwandelten ihren Geschmack in die Nahrung, die wir benötigten.

Ich konnte uns beschreiben, aber ich konnte uns nicht benennen. Ich seufzte über das verlorene Wissen und kehrte dann zu meinen Gedanken über das Gehörte zurück.

Seelen sagten grundsätzlich immer die Wahrheit. Die Sucher erfüllten natürlich die Anforderungen ihrer Berufung, aber Seelen untereinander legten es nie darauf an, sich zu belügen. Mit der Gedankensprache meiner letzten Spezies war es erst recht unmöglich gewesen zu lügen, selbst wenn wir es gewollt hätten. Allerdings erzählten wir uns Geschichten, um die Langeweile unseres verankerten Daseins zu bekämpfen. Das Geschichtenerzählen war die Begabung, die am höchsten angesehen war, da sie allen zugutekam.

Manchmal vermischten sich die Tatsachen so gründlich mit dem Erdachten, dass man nicht sicher sein konnte, was genau wahr war und was nicht, obwohl keine Lügen erzählt wurden.