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War es sinnvoll, dass ich ihr mein Geheimnis vorenthielt? Ich war nicht so stark wie Melanie; ich zweifelte nicht daran, dass sie Folter aushalten konnte. Aber wie viel Schmerz konnte ich ertragen, bevor ich ihnen alles verriet, was sie wissen wollten?

Mein Magen rebellierte. Selbstmord war eine abscheuliche Option - noch verschlimmert dadurch, dass es gleichzeitig Mord wäre. Melanie hätte sowohl an der Folter als auch an meinem Tod teil. Ich würde damit warten, bis ich absolut keine andere Wahl mehr hatte.

Nein, das können sie nicht machen. Onkel Jeb würde nicht zulassen, dass sie mir wehtun.

Onkel Jeb weiß nicht, dass du hier bist, erinnerte ich sie.

Sag's ihm!

Ich richtete den Blick auf das Gesicht des alten Mannes. Sein Mund war von seinem dichten weißen Bart verdeckt, aber seine Augen schienen nicht so zornig zu glühen wie die der anderen. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie einige der Männer ihren Blick von mir zu ihm wandern ließen. Sie warteten darauf, dass er die Frage beantwortete, die mich auf ihre Anwesenheit aufmerksam gemacht hatte. Onkel Jeb starrte mich an, ohne sie zu beachten.

Ich kann es ihm nicht sagen, Melanie. Er wird mir nicht glauben. Und sie annehmen, dass ich sie anlüge, denken sie, ich bin eine Sucherin. Sie haben bestimmt genug Erfahrung, um zu wissen, dass nur ein Sucher mit einer Lüge hier draußen auftauchen würde, mit einer erfundenen Geschichte, um sie zu unterwandern ...

Melanie begriff sofort, dass ich die Wahrheit sagte. Allein das Wort Sucher ließ sie hasserfüllt zurückschaudern und sie wusste, dass diese Fremden ebenso reagieren würden.

Es spielt sowieso keine Rolle. Ich bin eine Seele das reicht.

Der Mensch mit der Machete - der größte von allen hier, ein schwarzhaariger Mann mit ungewöhnlich heller Haut und lebhaften blauen Augen - stieß ein unzufriedenes Geräusch aus und spuckte auf den Boden. Er machte einen Schritt nach vorn und hob langsam die Waffe.

Besser schnell als langsam. Besser, es war diese brutale Hand, die uns tötete, als meine eigene. Besser nicht als gewalttätiges Wesen sterben, das für Melanies vergossenes Blut ebenso verantwortlich war wie für meins.

»Bleib stehen, Kyle.« Jeb sprach langsam, fast beiläufig, aber der große Mann blieb stehen. Er verzog das Gesicht und drehte sich zu Melanies Onkel um.

»Warum? Du hast gesagt, du hättest nachgesehen. Es ist eins von denen.« Ich erkannte die Stimme - der Mann war derselbe, der Jeb auch gefragt hatte, warum er mir Wasser gegeben hatte.

»Ja, stimmt, ist sie auch. Aber die Sache ist ein bisschen kompliziert.«

»Wieso?«, fragte ein anderer. Er stand neben dem großen, dunkelhaarigen Kyle und sie sahen sich so ähnlich, dass sie Brüder sein mussten.

»Wisst ihr, das hier ist meine Nichte.«

»Nein, ist sie nicht mehr«, sagte Kyle kategorisch. Er spuckte wieder aus und machte mit gezücktem Messer einen weiteren vorsichtigen Schritt auf mich zu. Seiner Haltung konnte ich ansehen, dass ihn Worte jetzt nicht mehr aufhalten würden. Ich schloss die Augen.

Zweimal kurz hintereinander war ein scharfes, metallisches Klicken zu hören, und dann keuchte jemand. Ich riss die Augen wieder auf.

»Ich hab gesagt, du sollst stehen bleiben, Kyle.« Onkel Jebs Stimme klang immer noch gelassen, aber er hatte das lange Gewehr jetzt angelegt und der Lauf war auf Kyles Rücken gerichtet. Kyle stand nur wenige Schritte von mir entfernt wie angewurzelt da; seine Machete schwebte bewegungslos über seiner Schulter.

»Jeb«, sagte der Bruder entsetzt. »Was tust du da?«

»Geh von dem Mädchen weg, Kyle.«

Kyle kehrte uns den Rücken zu, als er sich wütend zu Jeb umdrehte. »Das ist kein Mädchen, Jeb!«

Jeb zuckte mit den Schultern, und das Gewehr blieb weiterhin auf Kyle gerichtet. »Es gibt einiges zu besprechen.«

»Der Doktor kann es vielleicht nutzen, um etwas Neues herauszufinden«, schlug eine weibliche Stimme barsch vor.

Bei diesen Worten zuckte ich zusammen, denn sie bestätigten meine schlimmsten Ängste. Als Jeb mich als seine Nichte bezeichnet hatte, war törichterweise ein Hoffnungsschimmer in mir aufgeflammt - vielleicht würden sie doch Mitleid mit mir haben. Ich war dumm gewesen, das zu glauben, wenn auch nur eine Sekunde lang. Der Tod war das einzige Mitleid, das ich von diesen Wesen erwarten konnte.

Ich sah die Frau an und war überrascht, als ich feststellte, dass sie so alt war wie Jeb oder sogar noch älter. Ihre Haare waren eher dunkelgrau als weiß, weshalb ich vorher ihr wahres Alter nicht bemerkt hatte. Ihr Gesicht war von Falten bedeckt, die die Wut in tiefe Furchen verwandelt hatte. Aber die Züge hinter den Furchen hatten etwas Vertrautes.

Melanie zog die Verbindung zwischen diesem Gesicht und einem anderen, glatteren Gesicht aus ihrer Erinnerung.

»Tante Maggie? Du hier? Wie ...? Ist Sharon ...« Die Wörter kamen alle von Melanie, aber sie sprudelten aus meinem Mund und ich konnte sie nicht zurückhalten. Unsere lange Zweisamkeit in der Wüste hatte sie stärker gemacht - oder mich schwächer. Vielleicht lag es auch nur daran, dass ich mich darauf konzentrierte, von welcher Seite der tödliche Schlag kommen würde. Ich bereitete mich auf meine Ermordung vor und sie veranstaltete ein Familientreffen.

Melanie brachte ihren überraschten Ausruf nur zur Hälfte heraus. Die gealterte Frau namens Maggie stürzte in einem Tempo nach vorn, das ihr zerbrechliches Äußeres Lügen strafte. Die Hand mit dem schwarzen Brecheisen hielt sie weiterhin gesenkt. Das war die Hand, die ich im Auge behalten hatte, deshalb sah ich nicht, wie ihre leere Hand ausholte und mir fest ins Gesicht schlug.

Mein Kopf wurde in den Nacken geschleudert und dann wieder nach vorn. Sie schlug mich noch einmal.

»Du wirst uns nicht an der Nase herumführen, du Parasit! Wir wissen, wie ihr arbeitet. Wir wissen, wie gut ihr uns imitieren könnt!«

Ich schmeckte Blut in meinem Mund.

Mach so was nie wieder, fauchte ich Melanie an. Ich habe dir doch gesagt, was dann passiert. Melanie war zu geschockt, um zu antworten.