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Ich erstarrte, die Hand an der Flasche, bis er den Kopf zur Seite drehte und wieder zu pfeifen begann.

Erst jetzt, als ich nicht mehr ganz so furchtbar durstig war wie gestern, bemerkte ich den eigenartigen, unangenehmen Nachgeschmack des Wassers. Er passte zum beißenden Geruch der Luft, war aber noch ein bisschen stärker und ließ sich nicht wieder aus meinem Mund vertreiben. Ich aß schnell und bewahrte mir diesmal die Suppe bis zum Schluss auf. Diesmal reagierte mein Magen zufriedener und nahm das Essen bereitwilliger entgegen. Er gluckste kaum. Mein Körper hatte jedoch noch andere Bedürfnisse, jetzt, wo die vordringlichsten befriedigt worden waren. Ich sah mich in meinem dunklen, engen Loch um. Es gab nicht viele Möglichkeiten. Aber allein bei dem Gedanken, laut eine Frage auszusprechen, und sei es auch nur gegenüber dem schrägen, aber freundlichen Jeb, wurde mir schlecht vor Angst.

Unentschlossen wiegte ich mich vor und zurück. Meine Hüften schmerzten von der gekrümmten Stellung, die ich in der gewölbten Höhle einnehmen musste.

»Äh«, sagte Jeb.

Er sah mich erneut an. Sein Gesicht hatte unter den weißen Haaren eine kräftigere Farbe als gewöhnlich.

»Du sitzt hier ja nun schon eine ganze Weile fest«, sagte er, »Musst du mal ... austreten?«

Ich nickte.

»Ein paar Schritte würden mir auch guttun.« Seine Stimme war fröhlich. Überraschend flink sprang er auf.

Ich krabbelte zum Rand meines Lochs und sah vorsichtig zu ihm hinaus.

»Ich zeig dir unser kleines Bad«, fuhr er fort. »Du solltest allerdings wissen, dass wir dazu die ... na ja, sozusagen die Haupthöhle durchqueren müssen. Keine Sorge. Ich denke, alle wissen inzwischen Bescheid.« Unbewusst streichelte er über sein Gewehr.

Ich schluckte. Meine Blase war so voll, dass es wehtat und ich sie nicht länger ignorieren konnte. Aber mitten durch die Menge wütender Mörder marschieren? Konnte er mir nicht einfach einen Eimer bringen?

Er musterte die Angst in meinen Augen - beobachtete, wie ich automatisch wieder zurück in das Loch rutschte - und seine Lippen kräuselten sich nachdenklich. Dann drehte er sich um und begann den dunklen Gang entlangzugehen. »Komm mit«, rief er über die Schulter, ohne nachzusehen, ob ich seiner Aufforderung nachkam.

Die Vorstellung, dass Kyle mich hier alleine antreffen könnte, blitzte kurz in meinem Kopf auf, und bevor nur eine Sekunde verstrichen war, folgte ich ihm bereits. Ich krabbelte unbeholfen durch die Öffnung und humpelte dann auf steifen Beinen, so schnell ich konnte, hinter ihm her, um ihn einzuholen. Es fühlte sich gleichzeitig schrecklich und wunderbar an, wieder aufrecht zu stehen - es tat furchtbar weh, aber die Erleichterung war noch größer.

Als wir das Ende des Gangs erreichten, hatte ich ihn eingeholt; hinter dem hohen ovalen Durchbruch, der als Ausgang diente, herrschte vollkommene Dunkelheit. Ich zögerte und blickte zu der kleinen Lampe zurück, die er auf dem Boden stehengelassen hatte. Sie war das einzige Licht in der dunklen Höhle. Sollte ich sie mitnehmen?

Er hörte, dass ich stehen geblieben war, und warf mir über die Schulter einen Blick zu. Ich wies mit dem Kopf auf das Licht hinab und sah dann wieder ihn an.

»Lass es stehen, ich kenne den Weg.« Er streckte mir seine Hand entgegen. »Ich führe dich.«

Ich starrte die Hand eine ganze Weile lang an. Als der Druck in meiner Blase immer stärker wurde, legte ich schließlich meine Hand langsam in seine Handfläche, fast ohne sie zu berühren - so, wie ich eine Schlange anfassen würde, wenn ich aus irgendeinem Grund dazu gezwungen wäre. Jeb führte mich mit sicheren, schnellen Schritten durch die Dunkelheit. Nachdem wir den langen Gang hinter uns gelassen hatten, bogen wir ständig nach links oder rechts ab. Nach einer weiteren V-förmigen Kurve hatte ich vollständig die Orientierung verloren. Ich war mir sicher, dass das Jebs Absicht gewesen war und der Grund dafür, warum er die Lampe zurückgelassen hatte. Er wollte mir wohl nicht zu viele Anhaltspunkte für einen Ausweg aus diesem Labyrinth geben.

Ich war neugierig, wie dieser Ort wohl entstanden war, wie Jeb ihn gefunden hatte und die anderen hergekommen waren. Aber ich presste die Lippen fest aufeinander. Ich hatte das Gefühl, dass es am besten für mich war, zu schweigen. Ich war nicht sicher, worauf ich hoffte. Darauf, noch ein paar Tage am Leben zu bleiben? Oder einfach auf ein Nachlassen des Schmerzes? Worauf konnte ich sonst noch hoffen? Ich wusste bloß, dass ich noch nicht bereit war zu sterben; mein Überlebenstrieb war genauso gut entwickelt wie der eines Durchschnittsmenschen.

Wir bogen wieder um eine Ecke und der erste Lichtstrahl erreichte uns. Das Licht fiel vor uns durch eine lange, schmale Felsspalte aus einem anderen Raum herein. Es war nicht künstlich wie das der kleinen Lampe neben meiner Höhle. Es war zu weiß, zu rein.

Wir passten nicht nebeneinander durch die schmale Öffnung in der Wand. Jeb ging voraus und zog mich dicht hinter sich her. Als wir hindurch waren - und ich wieder sehen konnte -, befreite ich meine Hand aus seinem lockerem Griff. Er reagierte nicht weiter darauf, sondern legte seine freigewordene Hand einfach wieder auf das Gewehr.

Wir standen in einem kurzen Tunnel und helleres Licht schien durch einen unregelmäßigen, bogenförmigen Durchgang. Die Wände waren aus demselben rötlichen, durchlöcherten Gestein.

Ich konnte jetzt Stimmen hören. Sie waren leiser, weniger aufgeregt als das letzte Mal, als ich das Gemurmel einer Menschenmenge gehört hatte. Heute erwartete uns niemand. Ich konnte nur raten, wie die Reaktion auf mein plötzliches Erscheinen zusammen mit Jeb ausfallen würde. Meine Handflächen wurden kalt und feucht und ich schnappte nach Luft. Ich drängte mich so nah an Jeb, wie ich konnte, ohne ihn zu berühren.

»Ganz ruhig«, brummte er, drehte sich jedoch nicht um. »Sie haben mehr Angst vor dir als du vor ihnen.«

Das bezweifelte ich. Und selbst wenn auch nur die geringste Möglichkeit bestand, dass er Recht hatte - in den menschlichen Herzen verwandelte sich diese Angst in Hass und Gewalt.

»Ich lasse nicht zu, dass irgendjemand dir etwas tut«, murmelte er, als er den gewölbten Durchgang erreichte. »Außerdem kannst du dich sowieso langsam mal daran gewöhnen.«

Ich wollte ihn fragen, was er damit meinte, aber er betrat bereits den nächsten Raum. Ich huschte hinterher, einen halben Schritt hinter ihm, und versuchte mich so gut es ging hinter seinem Rücken zu verstecken. Das Einzige, was mir schlimmer erschien, als diesen Raum zu betreten, war der Gedanke, hinzufallen und allein hinter Jeb zurückzubleiben.

Plötzliches Schweigen schlug uns entgegen, als wir eintraten. Wir waren jetzt wieder in der gewaltigen, hellen Höhle, in die ich bei meiner Ankunft gebracht worden war. Wie lange war das her? Ich hatte keine Ahnung. Die Decke war immer noch zu hell für mich, um herausfinden zu können, wie genau sie beleuchtet wurde. Ich hatte es beim letzten Mal nicht bemerkt, aber auch hier waren die Wände durchlöchert, von Dutzenden von angrenzenden Höhlen, die in alle Richtungen führten. Einige der Öffnungen waren riesig, andere kaum hoch genug, dass ein Mensch hindurchpasste, auch wenn er sich bückte; einige waren natürliche Felsspalten, andere waren zumindest von Hand vergrößert worden, wenn nicht ganz menschengemacht.

Mehrere Leute starrten uns von diesen Ausgängen her an, im Ankommen oder Weggehen wie versteinert. Die meisten befanden sich jedoch im Inneren der großen Halle und ihre Körper waren mitten in der Bewegung erstarrt, in der sie durch unsere Ankunft unterbrochen worden waren. Eine Frau stand halb vornübergebeugt und hatte die Hände nach ihren Schnürsenkeln ausgestreckt. Der Arm eines Mannes hing bewegungslos in der Luft, nachdem er ihn gehoben hatte, um etwas zu unterstreichen, was er seinen Begleitern gerade erklärte. Ein anderer Mann schwankte - vom plötzlichen Stocken aus dem Gleichgewicht gebracht. Er setzte den Fuß auf, um nicht hinzufallen; sein dumpfes Auftreffen War das einzige Geräusch in dem weitläufigen Raum. Es hallte durch die ganze Halle.

Es war absolut falsch von mir, dankbar für die schreckliche Waffe in Jebs Hand zu sein ... aber das war ich. Ich wusste, dass wir ohne sie wahrscheinlich angegriffen worden wären. Diese Menschen würden nicht davor zurück-schrecken, Jeb zu verletzen, wenn sie dadurch an mich herankämen. Allerdings war es auch möglich, dass wir trotz des Gewehrs angegriffen wurden. Jeb konnte nicht auf mehr als einen gleichzeitig schießen ...