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Ihre Worte hallten in meinem Kopf wider, als wir erneut den großen Raum betraten, das Zentrum von Jebs menschlicher Gemeinschaft. Er war voll, wie am ersten Tag, und alle starrten uns an - ihn wütend und enttäuscht, mich voller Mordgelüste. Ich hielt meinen Blick auf den Fels unter meinen Füßen geheftet. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass Jeb sein Gewehr wieder im Anschlag hielt.

Es war nur eine Frage der Zeit. Das konnte ich in der mit Hass und Angst aufgeladenen Atmosphäre spüren. Jeb würde mich nicht mehr lange beschützen können.

Ich war erleichtert, als ich mich durch die enge Spalte zwängte und das gewundene schwarze Labyrinth vor mir sah, das zu meinem beengten Versteck führte. Ich hoffte, dort allein sein zu können. Hinter mir hallte ein wütendes Zischen wie von einem Nest gereizter Schlangen durch die große Höhle. Sofort wünschte ich, Jeb würde mich noch schnelleren Schritts durch das Labyrinth führen.

Jeb kicherte leise. Je länger ich bei ihm war, umso seltsamer schien er zu werden. Sein Sinn für Humor war mir ein genauso großes Rätsel wie die Gründe für sein Verhalten.

»Es ist manchmal ein bisschen langweilig hier unten, weißt du«, sagte er zu mir - oder zu sich selbst, bei Jeb wusste man das nie so genau. »Wenn sie nicht mehr sauer auf mich sind, werden sie vielleicht merken, dass sie all die Aufregung, für die ich zurzeit sorge, sogar zu schätzen wissen.«

Unser Weg durch die Dunkelheit schlängelte sich endlos dahin. Er kam mir überhaupt nicht bekannt vor - vielleicht führte mich Jeb jetzt eine andere Route entlang, um mich weiter zu verwirren. Es schien länger zu dauern als auf dem Hinweg, aber schließlich konnte ich das gedämpfte blaue Licht um die nächste Kurve leuchten sehen. Ich wappnete mich und überlegte, ob Jared wohl WIeder da war. Wenn ja, würde er bestimmt wütend sein. Er wäre sicher nicht damit einverstanden, dass Jeb mich auf einen Ausflug mitgenommen hatte, egal, wie dringend es gewesen war.

Sobald wir um die Ecke gebogen waren, sah ich, dass dort tatsächlich jemand neben der Lampe an die Wand gelehnt stand und einen langen Schatten in unsere Richtung warf, aber es war ganz offensichtlich nicht Jared. Ängstlich umklammerte meine Hand Jebs Arm.

Und dann sah ich den Menschen, der dort wartete, genauer an. Er war klein - daran hatte ich gemerkt, dass es nicht Jared war - und dünn. Klein, aber gleichzeitig zu groß, und zu drahtig. Sogar im schwachen Licht der blauen Lampe konnte ich erkennen, dass die Sonne seine Haut dunkelbraun getönt hatte und dass sein seidiges schwarzes Haar jetzt ungepflegt war und ihm bis ans Kinn reichte. Meine Knie knickten ein.

Meine Hand, die Jebs Arm ängstlich umklammerte, hielt mich aufrecht.

»Verdammt!«, rief Jeb offenkundig verärgert aus. »Kann keiner hier ein Geheimnis länger als vierundzwanzig Stunden für sich behalten? Herrgott noch mal, das bringt mich echt zur Weißglut! Verfluchte Bande von Klatschmäulern ...« Brummelnd brach er ab.

Ich versuchte noch nicht einmal, Jebs Worte zu verstehen; ich war in den heftigsten Kampf meines Lebens verstrickt - aller Leben, die ich je geführt hatte.

Ich konnte Melanie in jeder Zelle meines Körpers spüren. Meine Nervenenden juckten, als sie ihre vertraute Anwesenheit bemerkten. Meine Finger zuckten in Erwartung ihrer Anweisungen. Meine Lippen zitterten und versuchten sich zu öffnen. Ich lehnte mich dem Jungen, der da im Gang stand, entgegen, mein Körper streckte sich nach ihm aus, da meine Arme es nicht taten.

Melanie hatte bei den wenigen Gelegenheiten, als ich ihr die Kontrolle überlassen oder sie einfach an sie verloren hatte, viel gelernt und ich musste regelrecht gegen sie ankämpfen - so heftig, dass mir der Schweiß auf die Stirn trat.

Aber ich lag jetzt nicht in der Wüste im Sterben. Und ich war auch nicht schwach und benommen und erst recht nicht überrumpelt vom Auftauchen einer Person, die ich verloren geglaubt hatte. Ich hatte gewusst, dass dieser Moment kommen würde. Mein Körper war unverwüstlich, erholte sich schnell - ich war wieder stark. Die Stärke meines Körpers stärkte auch meine Kontrolle, verlieh meiner Entschlossenheit Kraft.

Ich trieb sie aus meinen Gliedern, verdrängte sie von jedem Halt, den sie gefunden hatte, scheuchte sie zurück in den letzten Winkel meines Gehirns und sperrte sie dort ein.

Sie kapitulierte plötzlich und vollkommen. Aaah, stöhnte sie, was beinahe ein Schmerzenslaut war.

Ich fühlte mich eigenartig schuldig, als ich schließlich gewonnen hatte.

Ich war mir durchaus bewusst, dass sie mehr für mich war als ein widerständiger Wirt, der mir das Leben unnötig schwer machte. Während unserer letzten gemeinsamen Wochen waren wir Gefährtinnen, sogar Vertraute geworden - seit die Sucherin dafür gesorgt hatte, dass wir uns gegen einen gemeinsamen Feind verbündeten. In der Wüste, als Kyles Messer über meinem Kopf schwebte, war ich froh gewesen, dass ich - wenn ich schon sterben musste - nicht diejenige wäre, die Melanie umbrachte; schon da war sie mehr für mich gewesen als nur ein Körper. Aber jetzt schien sie mir noch mehr zu bedeuten. Es widerstrebte mir, ihr Schmerzen zu verursachen.

Aber es war notwendig und das schien sie nicht zu begreifen. Jedes falsche Wort, jede unvorsichtige Handlung hätte unsere sofortige Hinrichtung zur Folge gehabt. Ihre Reaktionen waren zu ungezügelt und emotional. Sie würde uns in Schwierigkeiten bringen.

Du musst mir jetzt vertrauen, erklärte ich ihr. Ich versuche nur, uns am Leben zu erhalten. Ich weiß, dass du nicht glauben willst, deine Menschen könnten uns etwas tun ...

Aber das ist doch Jamie, flüsterte sie. Ihr Verlangen nach dem Jungen war so stark, dass meine Knie wieder weich wurden.

Ich versuchte ihn unvoreingenommen zu betrachten - den Jugendlichen mit dem mürrischen Gesicht, der mit verschränkten Armen an der Wand des Tunnels lehnte. Ich versuchte ihn als Fremden zu sehen und meine Gefühle für ihn, oder meinen Mangel an Gefühlen, entsprechend zu steuern. Ich versuchte es, aber es gelang mir nicht. Es war Jamie, er war schön und meine Arme - meine, nicht Melanies - sehnten sich danach, ihn zu umfassen. Tränen traten mir in die Augen und liefen mir über das Gesicht. Ich konnte nur hoffen, dass sie in dem gedämpften Licht nicht zu sehen waren.

»Jeb«, grüßte Jamie schroff. Er sah mich kurz an und dann sofort wieder weg.

Was für eine tiefe Stimme er hatte! War er wirklich schon so alt? Mit doppelten Schuldgefühlen stellte ich fest, dass er vor Kurzem Geburtstag gehabt hatte. Melanie zeigte mir das Datum, es war der Tag gewesen, an dem ich zum ersten Mal von ihm geträumt hatte. Sie hatte sich den ganzen Tag über so angestrengt, ihren Schmerz für sich zu behalten, ihre Erinnerungen zu verbergen, um den Jungen zu schützen, dass er in ihren Träumen aufgetaucht war. Und ich hatte der Sucherin gemailt. Ich schauderte, als ich daran zurückdachte, und konnte nicht glauben, dass ich je so gefühllos gewesen war.

»Was hast du hier zu suchen, Junge?«, wollte Jeb wissen. »Warum hast du mir das nicht gesagt?«, fragte Jamie zurück. Jeb schwieg.

»War das Jareds Idee?«, bedrängte ihn Jamie.

Jeb seufzte. »Okay, nun weißt du also Bescheid. Was hast du davon, hm? Wir wollten dich nur ...«