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»Schützen?«, unterbrach er ihn unfreundlich.

Was hatte ihn so verbittert gemacht? War das meine Schuld? Natürlich war es das.

Melanie begann in meinem Kopf zu schluchzen. So laut, dass es mich ablenkte - Jebs und Jamies Stimmen hörten sich dadurch an, als wären sie weit entfernt.

»Gut, Jamie. Du brauchst also keinen Schutz. Was willst du dann?«

Diese schnelle Kapitulation schien Jamie aus dem Konzept zu bringen. Sein Blick wanderte zwischen Jebs Gesicht und meinem hin und her, während er krampfhaft versuchte, sich etwas einfallen zu lassen.

»Ich ... ich will mit ihr ... mit ihm reden«, sagte er schließlich.

Seine Stimme klang höher, wenn er unsicher war.

»Sie sagt nicht viel«, erklärte Jeb, »aber du kannst es gern versuchen.«

Jeb befreite seinen Arm aus meiner Umklammerung. Dann lehnte er sich mit dem Rücken an die nächstgelegene Wand und ließ sich daran heruntergleiten, bis er auf dem Boden saß. Er rutschte hin und her, bis er eine bequeme Position gefunden hatte. Das Gewehr hatte er quer über seinen Schoß gelegt. Sein Kopf sank zurück an die Wand und er schloss die Augen. Sekunden später sah er aus, als würde er schlafen.

Ich stand immer noch da, wo er mich zurückgelassen hatte, und versuchte immer wieder, den Blick von Jamies Gesicht abzuwenden - vergeblich.

Jamie war erneut überrascht, wie schnell Jeb eingewilligt hatte. Mit großen Augen, die ihn jünger aussehen ließen, starrte er den alten Mann auf dem Boden an. Nach ein paar Minuten, während deren Jeb sich kein bisschen gerührt hatte, sah Jamie wieder zu mir herüber und kniff die Augen zusammen.

Die Art, wie er mich ansah - wütend, während er versuchte, mutig und erwachsen zu wirken, aber gleichzeitig so voller Angst und Schmerz -, ließ Melanie noch lauter schluchzen und meine Knie zittern. Um nicht noch einen Zusammenbruch zu riskieren, ging ich langsam zu der Tunnelwand, die Jeb gegenüberlag, und sank auf den Boden. Ich umschlang meine angewinkelten Knie mit den Armen und versuchte mich so klein wie möglich zu machen.

Jamie sah mich scheu an, dann kam er vier langsame Schritte auf mich zu, bis er direkt über mir stand. Er warf Jeb, der sich nicht bewegt hatte und die Augen weiterhin geschlossen hielt, einen kurzen Blick zu und kniete sich neben mich. Sein Gesicht war plötzlich sehr ernst, was ihn erwachsener aussehen ließ als jeder andere Ausdruck bisher. Beim Anblick des traurigen Mannes im Gesicht des kleinen Jungen zog sich mir das Herz zusammen.

»Du bist nicht Melanie«, sagte er leise.

Jamie gegenüber war es schwieriger zu schweigen, denn jetzt war ich diejenige, die mit ihm sprechen wollte. Aber nach kurzem Zögern schüttelte ich nur den Kopf.

»Aber du steckst in ihrem Körper.« Nach einer weiteren Pause nickte ich.

»Was ist mit deinem ... mit ihrem Gesicht passiert?«

Ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste nicht, wie mein Gesicht aussah, aber ich konnte es mir vorstellen.

»Wer war das?«, drang er in mich. Mit einem zögernden Finger berührte er beinahe die Seite meines Halses. Ich hielt still, da ich nicht das Bedürfnis hatte, vor dieser Hand zurückzuweichen.

»Tante Maggie, Jared und Ian«, zählte Jeb gelangweilt auf. Wir fuhren beide zusammen. Jeb hatte sich nicht gerührt und hielt die Augen immer noch geschlossen. Er sah so friedlich aus, als hätte er Jamies Frage im Schlaf beantwortet.

Jamie wartete einen Moment, dann wandte er sich mir mit demselben ernsten Gesichtsausdruck wieder zu.

»Du bist nicht Melanie, aber du kennst all ihre Erinnerungen und so, stimmt's?«

Ich nickte wieder.

»Weißt du, wer ich bin?«

Ich versuchte, die Wörter hinunterzuschlucken, aber sie entschlüpften meinen Lippen und ich flüsterte: »Du bist Jamie.« Ich konnte nicht vermeiden, dass meine Stimme den Namen voller Zärtlichkeit aussprach.

Er zwinkerte, erschrocken darüber, dass ich mein Schweigen gebrochen hatte. Dann nickte er. »Genau«, flüsterte er zurück.

Unsere Blicke wanderten zu Jeb hinüber, der weiterhin unbeweglich dasaß, und dann wieder zurück.

»Dann weißt du also auch, was mit ihr passiert ist?«, fragte er. Ich zuckte zusammen und nickte dann langsam.

»Ich will es wissen«, flüsterte er.

Ich schüttelte den Kopf.

»Ich will es wissen«, wiederholte Jamie. Seine Lippen zitterten. »Ich bin kein Kind mehr. Sag es mir.«

»Es ist nicht ... schön«, flüsterte ich, unfähig, mich zurückzuhalten. Es war sehr schwer, diesem Jungen nicht jeden Wunsch zu erfüllen.

Seine geraden, schwarzen Augenbrauen zogen sich zusammen und hoben sich über seinen weit geöffneten Augen.

»Bitte«, flüsterte er. Ich warf Jeb einen Blick zu. Ich hatte das Gefühl, dass er jetzt zwischen seinen Wimpern hindurchspähte, aber ich war mir nicht sicher. Meine Stimme war nicht viel lauter als ein Windhauch. »Man hat sie ein Gebäude betreten sehen, zu dem der Zutritt verboten war. Sie wussten, dass irgendetwas nicht stimmte, und riefen die Sucher.«

Das Wort ließ ihn zusammenfahren. »Die Sucher versuchten sie dazu zu bringen, sich zu ergeben. Sie ist vor ihnen geflohen. Als sie sie in die Enge getrieben haben, ist sie in einen offenen Fahrstuhlschacht gesprungen.« Jamies Gesicht wurde blass unter seiner Bräune.

»Aber sie ist nicht gestorben?«, flüsterte er.

»Nein. Wir haben sehr fähige Heiler. Sie haben sie schnell wieder in Ordnung gebracht. Dann haben sie mich eingesetzt. Sie hofften, ich würde ihnen sagen können, wie es ihr gelungen war, so lange zu überleben.« Das war mehr, als ich eigentlich hatte sagen wollen; schnell schloss ich den Mund. Jamie schien mein Ausrutscher nicht aufgefallen zu sein, aber Jeb öffnete langsam die Augen und sah mich durchdringend an. Nichts anderes an seinem Körper bewegte sich und Jamie bemerkte die Veränderung nicht.

»Warum habt ihr sie nicht sterben lassen?«, fragte er. Er schluckte, in seiner Stimme war ein unterdrücktes Schluchzen zu hören; es war umso schwerer zu ertragen, als es nicht das Schluchzen eines Kindes war, das Angst hat vor etwas Unbekanntem, sondern das bewusste Leiden eines Erwachsenen. Es war so schwer, nicht die Hand auszustrecken und seine Wange zu berühren. Ich wollte ihn an mich drücken und ihm sagen, dass er nicht traurig sein sollte. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und versuchte mich auf seine Frage zu konzentrieren. Jebs Blick wanderte zu meinen Händen und dann zurück zu meinem Gesicht.

»Ich war nicht dabei, als das entschieden wurde«, murmelte ich. »Zu dem Zeitpunkt lag ich noch in einem Tiefkühlbehälter im Weltraum.«

Jamie blinzelte erneut überrascht. Meine Antwort war völlig anderes als das, was er erwartet hatte, und ich konnte sehen, wie er mit einem neuen Gefühl kämpfte. Ich sah zu Jeb hinüber; er hatte neugierig die Augen aufgerissen.

Dieselbe Neugier, wenn auch in etwas abgeschwächter Form, gewann schließlich auch bei Jamie die Oberhand. »Wo bist du hergekommen?«, fragte er.

Ich konnte ein Lächeln über sein widerstrebendes Interesse nicht unterdrücken. »Von weit her. Von einem anderen Planeten.«

»Was war ...«, begann er, aber er wurde von einer anderen Frage unterbrochen.

»Was zum Teufel?«, brüllte Jared von der Biegung am anderen Ende des Tunnels, wo er vor Wut wie angewurzelt stehen geblieben war. »Verdammt, Jeb! Wir hatten vereinbart, ihn nicht ...«

Jamie sprang auf. »Jeb hat mich gar nicht hergebracht Aber du hättest es tun sollen.«

Jeb seufzte und kam langsam auf die Beine. Dabei glitt das Gewehr zu Boden. Es lag ganz in meiner Nähe; unbehaglich rutschte ich weiter weg.

Jared reagierte anders. Mit wenigen Schritten durchmaß er den Tunnel und stürzte auf mich zu. Ich drückte mich gegen die Wand und bedeckte mein Gesicht mit den Armen. Als ich an meinem Ellbogen vorbeischielte, sah ich, wie er das Gewehr vom Boden hochriss.

»Sollen wir alle draufgehen?«, schrie er Jeb beinahe an, während er ihm das Gewehr an die Brust drückte.