Выбрать главу

»Das ist der einzige Raum, der mir im Moment einfällt. Zumindest der einzige, der anständig genug hergerichtet ist, um eine menschenwürdige Unterkunft abzugeben. Er steht jetzt ein paar Wochen lang leer und bis er wieder gebraucht wird, fällt uns schon noch was Besseres für dich ein.«

Er faltete den Paravent zur Seite und helles Licht strahlte uns entgegen.

Der Raum, der zum Vorschein kam, hatte etwas Schwindelerregendes an sich - wahrscheinlich weil er so viel höher als breit war. Man hatte das Gefühl, in einem Turm oder einem Silo zu stehen. Nicht, dass ich jemals an solchen Orten gewesen war, aber das waren die Vergleiche, die Melanie zog. Die Decke, die doppelt so hoch war wie der Durchmesser des runden Raums, war ein Labyrinth aus Rissen. Wie Weinreben aus Licht rankten sich die Risse umeinander und verbanden sich beinahe. Das kam mir gefährlich vor, instabil. Aber Jeb hatte offenbar keine Angst davor, dass die Decke einbrechen könnte, als er mich hineinführte.

Auf dem Boden lag eine Doppelmatratze, die auf drei Seiten jeweils einen knappen Meter von der Wand entfernt war. Die zwei Kissen und zwei Decken, die auf beiden Hälften der Matratze lagen, schienen darauf hinzudeuten, dass dieser Raum ein Paar beherbergte. Ein dicker Holzstab - so etwas wie ein Rechenstiel - klemmte am anderen Ende des Zimmers in Schulterhöhe zwischen den Wänden, wobei die beiden Enden in je einem der Schweizer-Käse-Löcher im Fels steckten. Eine Handvoll T-Shirts und zwei Paar Jeans hingen darüber. Neben dem behelfsmäßigen Kleiderständer stand ein Holzstuhl an der Wand und auf dem Fußboden daneben lag ein kleiner Stapel zerlesener Taschenbücher.

»Wer?«, fragte ich, wobei ich wieder flüsterte. Es war so offensichtlich, dass dieser Raum jemandem gehörte, dass ich nicht länger das Gefühl hatte, allein zu sein.

»Einer der Jungs, die auf Beutetour sind. Der ist jetzt erst mal eine Weile weg. Und wenn er zurückkommt, finden wir was anderes für dich.«

Mir gefiel das nicht - der Raum schon, aber die Vorstellung, hier zu wohnen, nicht. Trotz der wenigen Habseligkeiten war die Präsenz des Bewohners sehr stark. Wer es auch sein mochte, er wäre nicht glücklich darüber, dass ich hier war. Er würde es verabscheuen.

Jeb schien meine Gedanken zu lesen - oder mein Gesichtsausdruck war so deutlich, dass das gar nicht nötig war.

»Komm schon«, sagte er. »Mach dir deswegen keine Sorgen. Das hier ist mein Haus und dies nur eins meiner vielen Gästezimmer. Ich entscheide, wer mein Gast ist und wer nicht. Und jetzt bist du mein Gast und ich biete dir dieses Zimmer an.«

Es gefiel mir immer noch nicht, aber ich wollte Jeb auch nicht verärgern. Ich schwor mir, dass ich nichts anfassen würde, selbst wenn das bedeutete, dass ich auf dem Boden schlafen musste. »Na komm, gehen wir weiter. Nicht vergessen: dritter Gang von links, siebte Tür.«

»Grüner Paravent«, fügte ich hinzu. »Genau.« Jeb brachte mich zurück zu dem großen Gartenraum, wo wir das Beet umrundeten und unseren Weg durch den größten Tunnelausgang fortsetzten. Als wir an den Leuten vorbeikamen, die mit Gießen beschäftigt waren, verkrampften sie sich und drehten sich um aus Angst, mir den Rücken zuzukehren.

Dieser Tunnel war gut beleuchtet. Dafür sorgten helle Spalten in zu regelmäßigen Abständen, um natürlichen Ursprungs zu sein. »Wir nähern uns jetzt noch weiter der Oberfläche. Es wird trockener, aber auch heißer.«

Ich bemerkte es fast augenblicklich. Anstatt zu zerfließen, wurden wir plötzlich gegrillt. Die Luft war weniger stickig und verbraucht. Ich konnte den Wüstenstaub riechen.

Auch vor uns waren jetzt Stimmen zu hören. Ich versuchte mich gegen die unvermeidliche Reaktion der Leute zu wappnen. Wenn Jeb darauf bestand, mich wie einen ... wie einen Menschen zu behandeln, wie einen willkommenen Gast, würde ich mich daran gewöhnen müssen. Kein Grund, mich jedes Mal elend zu fühlen. Trotzdem hatte ich einen Knoten im Bauch. »Hier ist die Küche«, erklärte mir Jeb.

Ich dachte erst, wir befänden uns in einem weiteren Tunnel, einem, der voller Menschen war. Ich drückte mich gegen die Wand und versuchte auf Distanz zu bleiben.

Die Küche war ein langer Gang mit einer hohen Decke, sie war höher als breit, so wie mein neues Quartier. Das Licht war hell und heiß - statt schmaler Spalten in dickem Fels hatte dieser Raum riesige offene Löcher.

»Wir können tagsüber natürlich nicht kochen. Wegen dem Rauch, weißt du? Also benutzen wir das hier bis zum Einbruch der Dunkelheit hauptsächlich als Speisesaal.«

Alle Gespräche waren auf einmal verstummt, so dass Jebs Worte deutlich zu verstehen waren. Ich versuchte mich hinter ihm zu verstecken, aber er ging weiter in den Raum hinein.

Wir hatten das Frühstück unterbrochen oder vielleicht war es auch das Mittagessen.

Die Menschen - fast zwanzig, überschlug ich schnell – waren hier sehr nah. Es war nicht wie in der großen Höhle. Am liebsten hätte ich meinen Blick starr auf den Boden gerichtet, aber ich konnte nicht vermeiden, dass er immer wieder durch den Raum huschte. Nur zur Sicherheit. Ich spürte, wie mein Körper sich anspannte, um wegzulaufen, nur wohin ich laufen würde, wusste ich nicht.

An beiden Wänden des Gangs erstreckten sich langgezogene Steinhaufen. Vor allem rohes, rötliches Vulkangestein, von einer helleren Substanz - Zement? - durchzogen, die Fugen bildete und die Steine zusammenhielt. Auf diesen Haufen lagen andere Steine, die eher braun und flach waren. Sie waren ebenfalls mit dem hellgrauen Mörtel zusammengeklebt. Das Ergebnis waren relativ ebene Flächen wie Tresen oder Tische. Es war offensichtlich, dass sie als beides genutzt wurden.

Die Menschen saßen oder lehnten daran, ungläubig erstarrt, als sie Jebs Privatführung bemerkten. Ich erkannte die Brötchen in ihren Händen, die zwischen den Tischen und ihren Mündern schwebten.

Ein paar von ihnen kannte ich bereits. Sharon, Maggie und der Doktor standen mir am nächsten. Melanies Cousine und Tante starrten Jeb wütend an - ich hatte das komische Gefühl, dass sie mich noch nicht einmal ansehen würden, wenn ich mich auf den Kopf stellen und mit voller Kraft Lieder aus Melanies Erinnerung grölen würde -, aber der Doktor beäugte mich mit unverhohlener und fast freundlicher Neugier, die mich frieren ließ.

Am anderen Ende des langgestreckten Raums erkannte ich den großen Mann mit dem pechschwarzen Haar und mein Herz begann zu rasen. Ich hatte gedacht, Jared würde die Brüder mitnehmen, um Jeb seinen Job, mich am Leben zu erhalten, etwas zu erleichtern. Wenigstens war es der Jüngere, Ian, der mit Verspätung so etwas wie ein Gewissen entwickelt hatte - nicht ganz so schlimm, als wenn Kyle hiergeblieben wäre. Allerdings vermochte dieser schwache Trost meinen Herzschlag nicht zu verlangsamen.

»Alle schon satt?«, fragte Jeb laut und ironisch. »Uns ist der Appetit vergangen«, murmelte Maggie.

»Wie sieht's mit dir aus?«, fragte er und wandte sich mir zu. »Hunger?«

Ein leises Murren ging durch unsere Zuhörerschaft.

Ich schüttelte den Kopf mit einer kleinen, aber hektischen Bewegung. Ich wusste noch nicht einmal, ob ich Hunger hatte oder nicht. Aber ich wusste, dass ich nicht vor den Augen dieser Menge essen konnte, deren größte Freude es gewesen wäre, mich zu verspeisen.

»Also ich schon«, knurrte Jeb. Er ging durch den Gang zwischen den Tresen, aber ich folgte ihm nicht. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, in die Reichweite der anderen zu geraten. Ich blieb, wo ich war, und presste mich weiterhin an die Wand. Nur Sharon und Maggie sahen ihm zu, wie er zu einer großen Plastikwanne ging, die auf einem der Tresen stand, und sich ein Brötchen nahm. Alle anderen sahen mich an. Ich war mir sicher, dass sie bei der kleinsten Bewegung über mich herfallen würden. Ich versuchte, nicht zu atmen.

»Schätze, wir gehen mal weiter«, schlug Jeb mit vollem Mund vor, als er zu mir zurückgeschlendert kam. »Offenbar kann sich kein Mensch hier auf sein Mittagessen konzentrieren. Ganz schön leicht abzulenken, die Bande.«

Ich war hauptsächlich auf der Hut vor schnellen, brüsken Bewegungen der Menschen, ohne groß auf ihre Gesichter zu achten, nachdem ich am Anfang die paar erkannt hatte, die ich benennen konnte. Deshalb bemerkte ich Jamie erst, als er aufstand.