Er ist beides.
Jetzt müssen wir es nicht mehr für uns behalten. Er weiß Bescheid. Sie war voller Hoffnung. In letzter Zeit hatte sie sich meistens sehr still verhalten, fast abwesend. Es war nicht leicht für sie, sich zu konzentrieren, wenn sie relativ glücklich war. Sie hatte ihre große Schlacht gewonnen. Sie hatte uns hierhergebracht; ihre Geheimnisse waren nicht länger in Gefahr, Jared und Jamie würden nicht von ihren Erinnerungen verraten werden. Ohne Aufgabe war es schwieriger für sie, sich zum Sprechen aufzuraffen, und sei es mit mir. Ich konnte erkennen, wie der Gedanke, sich zu offenbaren - die anderen Menschen von ihrer Existenz wissen zu lassen -, sie jetzt wieder stärkte.
Jeb weiß Bescheid, ja. Aber macht das wirklich einen Unterschied?
Sie dachte daran, wie die anderen Menschen Jeb sahen. Stimmt, seufzte sie. Aber ich glaube, Jamie ... na ja, er weiß oder Vermutet nichts, aber ich glaube, er fühlt die Wahrheit.
Du hast wahrscheinlich Recht. Wir werden sehen, ob das letzten Endes gut ist für ihn oder uns.
Jeb brachte es nicht fertig, länger als ein paar Sekunden zu schweigen, dann legte er wieder los und unterbrach uns.
»Verdammt interessant das alles. Zwar nicht so viel Peng! Peng! wie in den Filmen, die ich mochte. Aber trotzdem verdammt interessant. Ich würde gern mehr über diese Spinnendinger erfahren. Ich bin echt neugierig ... wirklich neugierig.«
Ich atmete tief durch und hob den Kopf. »Was willst du wissen?« Er schenkte mir ein warmes Lächeln, wobei halbmondförmige Falten seine Augen umspielten. »Drei Gehirne, stimmt's?« Ich nickte.
»Wie viele Augen?«
»Zwölf - eins an jedem Gelenk, mit dem die Beine am Körper befestigt sind. Wir hatten keine Lider, nur eine Menge Fasern - wie Wimpern aus Stahlwolle - um sie zu schützen.« Er nickte mit leuchtenden Augen. »Waren sie behaart wie Taranteln?«
»Nein, eher ... gepanzert - geschuppt wie ein Reptil oder ein Fisch.«
Ich ließ mich gegen die Wand sinken und machte mich auf ein langes Gespräch gefasst. Jeb enttäuschte mich diesbezüglich nicht. Ich hörte auf zu zählen, wie viele Fragen er mir stellte. Er wollte Einzelheiten wissen - wie die Spinnen aussahen, wie sie sich verhielten und wie sie die Erde übernommen hatten. Er schreckte nicht vor den Details der Invasion zurück, im Gegenteil, diese Stellen schienen ihm sogar noch besser zu gefallen als der Rest. Auf jede Antwort hatte er eine neue Frage und er grinste häufig. Als er Stunden später genug über die Spinnen erfahren hatte, wollte er mehr von den Blumen wissen.
»Davon hast du kaum was erzählt«, erinnerte er mich. Also beschrieb ich ihm diesen schönsten und zartesten der Planeten. Fast jedes Mal, wenn ich eine Pause machte, um Luft zu holen, unterbrach er mich mit einer neuen Frage. Es machte ihm Spaß, die Antworten zu erraten, bevor ich etwas sagen konnte, und es schien ihm nicht das Geringste auszumachen, wenn er sich irrte.
»Und habt ihr nach Fliegen geschnappt wie eine Venusfliegenfalle? Ganz bestimmt - oder vielleicht nach etwas Größerem wie Vögeln - oder Flugsauriern!«
»Nein, wir haben uns vom Sonnenlicht ernährt wie die meisten Pflanzen hier auch.«
»Das ist aber nur halb so lustig wie meine Idee.«
Manchmal erwischte ich mich dabei, dass ich mit ihm lachte.
Wir waren gerade zu den Drachen übergegangen, als Jamie mit einem Abendessen für drei auftauchte.
»Hallo, Wanderer«, sagte er leicht verlegen.
»Hallo, Jamie«, antwortete ich schüchtern, unsicher, ob er die Nähe bereute, die zwischen uns geherrscht hatte. Ich war schließlich immer noch die Böse.
Aber er setzte sich im Schneidersitz direkt neben mich - zwischen mich und Jeb - auf den Boden und stellte das Tablett mit dem Essen in die Mitte unserer kleinen Runde. Ich war kurz vorm Verhungern und ganz ausgetrocknet vom vielen Reden. Ich nahm eine Schale Suppe und trank sie in großen Zügen aus.
»Das hätte ich mir ja denken können, dass du im Speisesaal heute nur höflich warst. Du musst Bescheid sagen, wenn du Hunger hast, Wanda. Ich kann schließlich keine Gedanken lesen.«
Was Letzteres anging, war ich anderer Meinung, aber ich war zu sehr damit beschäftigt, auf einem Stück Brot herumzukauen, um zu antworten.
»Wanda?«, fragte Jamie.
Ich nickte und gab ihm damit zu verstehen, dass ich nichts gegen den Namen hatte.
»Passt irgendwie zu ihr, findest du nicht?« Jeb war so stolz auf sich, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn er sich selbst auf die Schulter geklopft hätte.
»Irgendwie schon, ja«, sagte Jamie. »Habt ihr gerade über Drachen geredet?«
»Ja«, sagte Jeb begeistert, »aber nicht diese eidechsenartigen, sondern sie sind alle aus Gallertmasse. Fliegen können sie trotzdem ... zumindest etwas Ähnliches. Die Luft dort ist dicker, auch fast wie Gelee. Daher ist es beinahe wie Schwimmen. Und sie können Säure speien - das ist doch fast so gut wie Feuer, findest du nicht?«
Ich ließ Jeb Jamie die Einzelheiten ausmalen, während ich mehr als meinen Anteil am Essen vertilgte und eine ganze Flasche Wasser trank. Sobald mein Mund wieder leer war, begann Jeb erneut mit den Fragen.
»Was diese Säure angeht...«
Jamie stellte keine Fragen wie Jeb und ich achtete stärker darauf, was ich sagte, jetzt, wo er dabei war. Allerdings fragte Jeb auch nichts mehr, das zu einem heiklen Thema geführt hätte, sei es aus Zufall oder mit Absicht, so dass meine Vorsicht gar nicht nötig war.
Die Helligkeit nahm langsam ab, bis es pechschwarz war. Dann wurde alles silbrig im schwachen Lichtschein des Mondes, der gerade ausreichte, um den Mann und den Jungen neben mir zu erkennen, sobald meine Augen sich daran gewöhnt hatten.
Jamie rückte näher an mich heran, als die Nacht fortschritt. Ich merkte gar nicht, dass ich ihm mit den Fingern durchs Haar strich, bis ich sah, wie Jeb meine Hand anstarrte.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
Schließlich gähnte Jeb mit weit aufgerissenem Mund und steckte auch mich und Jamie damit an.
»Du kannst gut erzählen, Wanda«, sagte Jeb, als wir uns alle geräkelt hatten.
»Das habe ich früher auch gemacht. Ich war Dozentin an der Universität in San Diego. Ich habe Geschichte gelehrt.«
»Eine Lehrerin!«, sagte Jeb aufgeregt. »Na, das ist doch was! Das könnten wir hier gut gebrauchen. Mags Tochter Sharon unterrichtet die drei Kinder, aber es gibt eine Menge, womit sie sich nicht auskennt. Mathe und solche Dinge liegen ihr eher. Aber Geschichte...«
»Ich habe nur unsere Geschichte unterrichtet«, unterbrach ich ihn. Darauf zu warten, dass er mal Luft holte, war nicht sehr erfolgversprechend. »Ich wäre euch hier als Lehrerin keine große Hilfe. Ich bin überhaupt nicht entsprechend ausgebildet.«