Jeb lachte, als ich wiederauftauchte; sein Blick war auf die Seife in meinem vorsichtigen Griff gerichtet.
»Brennt ein bisschen, stimmt's? Wir arbeiten dran.« Er streckte seine Hand aus, die er mit einem Hemdzipfel abgedeckt hatte, und ich legte die Seife hinein.
Ich beantwortete seine Frage nicht, da wir nicht allein waren; hinter ihm hatte sich eine Schlange gebildet, die schweigend wartete - fünf Leute, die alle vom Feld kamen. Ian stand ganz vorne in der Schlange.
»Du siehst besser aus«, sagte er zu mir, aber ich konnte nicht heraushören, ob ihn das überraschte oder ärgerte. Er hob einen Arm und streckte seine langen, blassen Finger nach meinem Hals aus. Ich zuckte zurück und er ließ seine Hand schnell wieder sinken.
»Entschuldigung«, murmelte er.
Bezog sich das darauf, dass er mich gerade erschreckt hatte, oder darauf, meinen Hals überhaupt so zugerichtet zu haben? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er sich entschuldigte, weil er versucht hatte, mich umzubringen. Bestimmt wollte er weiterhin meinen Tod. Aber ich würde nicht nachfragen. Ich setzte mich in Bewegung und Jeb folgte mir.
»Siehst du, war doch gar nicht so übel heute«, sagte er, als wir durch den dunklen Gang gingen.
»Nicht so übel«, murmelte ich. Immerhin war ich nicht umgebracht worden. Das war doch schon was.
»Morgen wird es noch besser«, versprach er. »Das Säen mochte ich schon immer. Das Wunder dieser kleinen, tot aussehenden Samen, die so viel Leben beherbergen, fasziniert mich. Es gibt mir das Gefühl, dass ein vertrockneter alter Kerl wie ich doch noch ein bisschen Potenzial in sich tragen könnte. Und wenn auch nur als Dünger.« Jeb lachte über seinen Witz.
Als wir die große Gartenhöhle erreichten, nahm Jeb meinen Ellbogen und führte mich nach Osten statt nach Westen.
»Versuch nicht mir weiszumachen, dass du nach der Schufterei keinen Hunger hast«, sagte er. »Zimmerservice gibt es hier nicht. Du wirst dort essen müssen, wo alle anderen auch essen.«
Ich starrte verstockt auf den Fußboden, ließ mich aber von Jeb zur Küche führen.
Zum Glück war das Essen exakt dasselbe wie immer, denn wenn auf wundersame Weise ein Filet Mignon oder eine Tüte Käsecracker vor mir aufgetaucht waren, hätte ich das gar nicht zu schätzen gewusst. Allein das Schlucken erforderte all meine Konzentration - ich fand es grauenhaft, auch nur dieses kleine Geräusch zu machen in der Totenstille, die auf mein Erscheinen folgte. Die Küche war nicht sehr voll, nur zehn Leute lehnten an den Tresen, wo sie ihre harten Brötchen aßen und ihre wässrige Suppe tranken. Aber ich brachte erneut jegliches Gespräch zum Erliegen. Ich fragte mich, wie lange das so weitergehen konnte.
Die Antwort lautete: genau vier Tage.
Genau so lange brauchte ich, bis ich begriff, was Jeb vorhatte - was der Grund für seinen plötzlichen Wandel vom höflichen Gastgeber zum unerbittlichen Vorarbeiter war.
Den Tag nach dem Umgraben verbrachte ich mit der Aussaat und Bewässerung auf demselben Feld. Diesmal arbeitete dort eine andere Gruppe von Leuten als am Vortag; ich nahm an, dass es eine Art Rotationssystem für die verschiedenen Aufgaben gab. In dieser Gruppe waren Maggie und die karamellhäutige Frau, deren Namen ich allerdings nicht erfuhr. Fast alle arbeiteten schweigend. Das Schweigen kam mir unnatürlich vor - ein Protest gegen meine Anwesenheit.
Ian arbeitete wieder mit uns zusammen, obwohl er ganz offensichtlich nicht an der Reihe war, und das irritierte mich.
Ich musste wieder in der Küche essen. An diesem Tag war Jamie auch da und verhinderte, dass es vollkommen still im Raum war. Ich wusste, dass er sensibel genug war, um das unangenehme Schweigen zu bemerken, aber er ignorierte es und tat so, als wären er und Jeb und ich die einzigen Anwesenden. Er plauderte über Sharons Unterricht gab ein bisschen damit an, Ärger bekommen zu haben, weil er ungefragt etwas gesagt hatte, und beklagte sich über die Strafarbeit, die sie ihm dafür aufgebrummt hatte. Jeb schimpfte halbherzig mit ihm. Es gelang beiden ziemlich gut, vorzugeben, alles sei ganz normal. Ich war nicht in der Lage, irgendetwas vorzugeben. Als mich Jamie nach meinem Tag fragte, konnte ich nichts weiter tun, als starr in mein Essen zu blicken und einsilbige Antworten zu murmeln. Das schien ihn traurig zu machen, aber er bedrängte mich nicht weiter.
Nachts war das allerdings anders - da ließ er nicht zu, dass ich aufhörte zu reden, bis ich irgendwann darum bettelte, schlafen zu dürfen. Jamie hatte sein Zimmer wieder bezogen, sich in Jareds Hälfte eingerichtet und darauf bestanden, dass ich seine übernahm. Das kam Melanies Erinnerung ziemlich nahe und sie war zufrieden mit dieser Abmachung.
Jeb war es ebenfalls. »Erspart mir die Mühe, jemanden zu finden, der Wache hält. Behalt das Gewehr in deiner Nähe und vergiss es nicht«, sagte er zu Jamie.
Ich protestierte erneut, aber sowohl Jeb als auch Jamie weigerten sich, auf mich zu hören. Also schlief Jamie mit dem Gewehr auf der mir abgewandten Seite neben sich und ich machte mir Sorgen und hatte Albträume deswegen.
An meinem dritten Arbeitstag war ich zum Küchendienst eingeteilt. Jeb brachte mir bei, wie man den groben Brotteig knetete, wie man ihn zu runden Klumpen formte und gehen ließ und, später dann, wie man das Feuer im Fuß des großen Steinofens schürte, wenn es dunkel genug war, um Rauch aufsteigen zu lassen. Mitten am Nachmittag ging Jeb.
»Ich hole noch mehr Mehl«, murmelte er und spielte an dem Gurt herum, in dem sein Gewehr steckte.
Die drei schweigenden Frauen, die neben uns Brot kneteten, blickten nicht auf. Ich steckte bis zu den Ellbogen in dem klebrigen Teig, begann aber, ihn abzukratzen, um ihm folgen zu können.
Jeb grinste, warf den arbeitenden Frauen einen Blick zu und schüttelte den Kopf in meine Richtung. Dann drehte er sich um und verschwand durch die Tür, bevor ich so weit war. Ich erstarrte und hielt den Atem an. Ich sah zu den drei Frauen hinüber - die junge Blonde aus der Badehöhle, die mit dem graumelierten Zopf und die Mutter mit den schweren Lidern - und wartete darauf, dass ihnen bewusst wurde, wie leicht sie mich jetzt umbringen konnten. Kein Jeb, kein Gewehr, meine Hände im klebrigen Teig gefangen - es gab nichts, was sie davon abhalten konnte.
Aber die Frauen kneteten weiter und formten Brötchen, ohne dass ihnen diese offenkundige Erkenntnis zu dämmern schien. Nach einem langen atemlosen Moment begann ich ebenfalls wieder zu kneten. Wenn ich erstarrt dahockte, würde ich sie wahrscheinlich eher auf die Situation aufmerksam machen, als wenn ich weiterarbeitete.
Jeb war eine Ewigkeit weg. Vielleicht hatte er gemeint, dass er noch mehr Mehl mahlen musste. Das schien die einzig mögliche Erklärung für seine endlose Abwesenheit zu sein.
»Hat ja ganz schön lange gedauert«, sagte die Frau mit dem graumelierten Zopf, als er zurückkam. Es war also nicht nur meine Einbildung gewesen.
Jeb ließ einen schweren Leinensack auf den Boden fallen, wo er mit einem dumpfen Geräusch aufschlug. »Das ist eine Menge Mehl hier, Trudy. Versuch du das mal hochzuheben.«
Trudy schnaubte. »Ich vermute, du musstest ziemlich viele Pausen einlegen, um es so weit zu tragen.«
Jeb grinste sie an. »Allerdings.«
Mein Herz, das während der ganzen Episode gepocht hatte wie das eines Vogels, fiel in einen weniger hektischen Rhythmus.
Am nächsten Tag putzten wir die Spiegel in dem Raum, in dem das Maisfeld war. Jeb erklärte mir, dass man das regelmäßig tun musste, weil die Kombination aus Feuchtigkeit und Staub die Spiegel so sehr verkrustete, dass das Licht irgendwann zu schwach für die Pflanzen wurde. Ian, der wieder mit uns zusammenarbeitete, stieg auf die wackelige Holzleiter, während Jeb und ich versuchten sie festzuhalten. Es war ein schwieriges Unterfangen angesichts von Ians Gewicht und der mangelnden Stabilität der selbstgemachten Leiter. Am Ende des Tages fühlten sich meine Arme an wie Gummi und schmerzten.