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Doc beugte sich vor und stützte das Gesicht in seine Hand. »Weiß man noch, wie sich die Beziehung zwischen Wirt und Parasit ausgebildet hat? Wie hat die Kolonisierung angefangen?«

Jamie sah mich achselzuckend an.

»Wir waren schon immer so«, antwortete ich langsam, immer noch widerwillig. »Zumindest seit wir intelligent genug sind, um uns unserer Existenz bewusst zu sein. Unser Planet ist von einer anderen Spezies entdeckt worden - den Geiern, wie wir sie hier nennen, allerdings eher wegen ihrer Persönlichkeit als wegen ihres Aussehens. Sie waren ... gar nicht nett. Dann entdeckten wir, dass wir uns genau wie mit unseren ursprünglichen Wirten mit ihnen verbinden konnten. Sobald wir sie unter unsere Kontrolle gebracht hatten, nutzten wir ihre Technologie. Zuerst haben wir ihren Planeten übernommen, dann folgten wir ihnen auf den Drachenplaneten und in die Sommerwelt - bezaubernde Orte, wo die Geier sich auch nicht besonders nett verhalten hatten. Wir begannen mit der Kolonisierung; unsere Wirte vermehrten sich so viel langsamer als wir und ihre Lebensspanne war so kurz. Also fingen wir an, das Universum weiter zu erforschen ...« Ich brach ab, als mir bewusst wurde, wie viele Blicke auf mich gerichtet waren. Nur Sharon sah weiterhin weg.

»Du sprichst davon, als wärst du selbst dabei gewesen«, stellte Ian ruhig fest. »Wann war das alles?«

»Nachdem die Dinosaurier hier ausgestorben waren, aber noch vor eurer Zeit. Ich war nicht dabei, aber ich erinnere mich an einiges, woran sich die Mutter der Mutter meiner Mutter erinnerte.«

»Wie alt bist du denn?«, fragte Ian, wobei er mich mit seinen leuchtend blauen Augen durchbohrte.

»Ich weiß nicht, wie viel das in Erdenjahren ist.« »Geschätzt?«, drängelte er.

»Tausende von Jahren wahrscheinlich.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich verliere immer den Überblick wegen der Jahre, die ich tiefgekühlt verbringe.«

Ian lehnte sich fassungslos zurück. »Ganz schön alt«, sagte Jamie atemlos.

»Aber hier ganz konkret bin ich sogar jünger als du«, sagte ich leise zu ihm. »Noch nicht mal ein Jahr alt. Ich fühle mich ständig wie ein Kind.«

Jamies Mundwinkel zogen sich leicht nach oben. Der Gedanke reifer zu sein als ich, gefiel ihm.

»Wie verläuft der Alterungsprozess bei deiner Art?«, fragte Doc. »Wie ist die natürliche Lebensspanne?«

»Wir haben keine«, erklärte ich ihm. »Solange wir einen gesunden Wirt haben, können wir ewig leben.«

Ein leises Murmeln - ärgerlich? Erschrocken? Empört? Ich wusste es nicht - erhob sich in den Ecken der Höhle. Ich merkte, dass meine Antwort unklug gewesen war; ich konnte verstehen, was meine Worte für sie bedeuteten.

»Schön.« Das leise, wütende Wort kam aus Sharons Richtung, aber sie hatte sich nicht umgedreht.

Jamie drückte meine Hand, er sah in meinen Augen erneut den Wunsch zu fliehen. Diesmal machte ich mich sanft los.

»Ich habe keinen Hunger mehr«, flüsterte ich, obwohl mein Brot fast unberührt neben mir auf dem Tresen lag. Ich sprang herunter und flüchtete, wobei ich mich eng an der Wand hielt.

Jamie folgte mir dicht auf den Fersen. Er holte mich in der großen Gartenhöhle ein und reichte mir die Reste meines Brötchens. »Das war wirklich irre interessant«, sagte er. »Ich glaube nicht, dass irgendjemand besonders sauer ist.«

»Jeb hat Doc auf mich angesetzt, stimmt's?«

»Du kannst gute Geschichten erzählen - sobald das alle wissen, werden sie sie hören wollen. Genau wie ich und Jeb.«

»Und was, wenn ich sie nicht erzählen will?«

Jamie runzelte die Stirn. »Na ja, ich nehme an, dann ... solltest du es auch nicht tun. Aber ich hatte den Eindruck, als würde es dir Spaß machen, mir Geschichten zu erzählen.«

»Das ist was anderes. Du magst mich.« Ich hätte auch sagen können, Du willst mich nicht umbringen, aber damit hätte ich ihn nur aufgeregt.

»Sobald dich die Leute näher kennenlernen, werden sie dichalle mögen. Wie Ian und Doc.«

»Ian und Doc mögen mich nicht, Jamie. Sie sind bloß krankhaft neugierig.«

»Tun sie wohl.«

Ich stöhnte. Wir waren jetzt vor unserem Zimmer angelangt. Ich schob den Paravent zur Seite und ließ mich auf die Matratze fallen. Jamie setzte sich etwas vorsichtiger neben mich und schlang die Arme um seine Knie.

»Sei nicht böse«, bat er. »Jeb meint es nur gut.«

Ich stöhnte wieder.

»Es wird nicht so schlimm werden.«

»Doc wird das jetzt immer machen, wenn ich in der Küche bin, stimmt's?«

Jamie nickte verlegen. »Oder Ian. Oder Jeb.« »Oder du.«

»Wir alle wollen das wissen.«

Ich seufzte und drehte mich auf den Bauch. »Muss Jeb wirklich jedes Mal seinen Willen durchsetzen?«

Jamie dachte einen Augenblick nach und nickte dann. »So ziemlich, ja.«

Ich biss ein großes Stück Brot ab. Als ich fertig gekaut hatte sagte ich: »Ich glaube, ich werde in Zukunft hier essen.«

»Ian wird dir morgen beim Unkrautjäten Fragen stellen. Nicht wegen Jeb - er macht es von sich aus.«

»Na prima!«

»Du kannst ganz schön sarkastisch sein. Ich dachte, die Parasiten - ich meine, die Seelen - mögen keinen schwarzen Humor. Nur den harmonischen Kram.«

»Sie würden hier drin schnell dazulernen, Kleiner.«

Jamie lachte und nahm dann meine Hand. »Du findest es hier nicht furchtbar, oder? Du bist doch nicht unglücklich?«

Seine großen, schokoladenbraunen Augen sahen besorgt aus. Ich drückte seine Hand an mein Gesicht. »Mir geht es gut«,

sagte ich und in diesem Augenblick war das die reine Wahrheit.

Zurückgekehrt

Ohne je offiziell zuzustimmen, wurde ich die Lehrerin, die Jeb sich gewünscht hatte.

Mein »Unterricht« war eine informelle Angelegenheit: Abends, nach dem Essen, beantwortete ich Fragen. Solange ich dazu bereit war, ließen Ian und Doc und Jeb mich tagsüber in Ruhe und ich konnte mich aufs Arbeiten konzentrieren. Wir kamen immer in der Küche zusammen; ich half gerne beim Backen, während ich sprach. So hatte ich eine Entschuldigung, wenn ich mal eine Pause machte, bevor ich eine schwierige Frage beantwortete, und ich wusste, wo ich hinschauen konnte, wenn ich niemandem in die Augen sehen wollte. Es schien mir eine innere Logik zu haben; meine Worte waren manchmal unangenehm für sie, aber meine Taten waren immer zu ihrem Besten.

Ich wollte nicht zugeben, dass Jamie Recht hatte. Natürlich mochten mich die Leute nicht. Das konnten sie gar nicht, ich war keine von ihnen. Jamie mochte mich, aber das war nur eine eigenartige chemische Reaktion, die alles andere als rational war. Jeb mochte mich, aber Jeb war verrückt. Alle anderen hatten keine Entschuldigung. Nein, sie mochten mich nicht. Aber die Dinge veränderten sich, als ich zu erzählen begann.

Zum ersten Mal fiel es mir an dem Morgen auf, nachdem ich Docs Fragen beim Abendessen beantwortet hatte. Ich wusch zusammen mit Trudy, Lily und Jamie im schwarzen Badezimmer Wäsche.

»Kannst du mir bitte mal die Seife geben, Wanda?«, fragte Trudy mich von links.

Meinen Körper durchfuhr es wie ein Stromschlag, als ich eine weibliche Stimme meinen Namen aussprechen hörte.

Mechanisch gab ich ihr die Seife und wusch dann das Brennen von meiner Hand ab.

»Danke«, fügte sie hinzu.

»Gern geschehen«, murmelte ich. Meine Stimme versagte bei der letzten Silbe.

Am nächsten Tag kam ich im Gang an Lily vorbei, als ich Jamie zum Abendessen holen wollte.

»Wanda«, sagte sie und nickte mit dem Kopf. »Lily«, erwiderte ich mit ausgetrockneter Kehle.

Bald waren es nicht mehr nur Doc und Ian, die abends Fragen stellten. Es überraschte mich, wer alles das Wort ergriff: Der erschöpfte Walter, auf dessen Gesicht ein besorgniserregender grauer Schatten lag, war unendlich interessiert an den Fledermäusen der Singenden Welt. Der sonst so wortkarge Heath, der normalerweise Trudy und Geoffrey das Reden überließ, war an diesen Abenden ausgesprochen offen. Die Feuerwelt faszinierte ihn, und obwohl sie zu den Planeten gehörte, von denen ich am wenigsten gern erzählte, bombardierte er mich mit Fragen, bis er alle Einzelheiten gehört hatte, die ich kannte. Lily interessierte sich für die technischen Details - sie wollte etwas über die Raumschiffe erfahren, die uns von Planet zu Planet brachten, ihre Piloten, ihren Treibstoff. Lily erklärte ich auch die Funktion der Tiefkühlbehälter - die alle schon mal gesehen, deren Zweck sie aber nicht verstanden hatten. Der schüchterne Wes, der normalerweise dicht neben Lily saß, wollte nichts über andere Planeten wissen, sondern über diesen hier. Wie funktionierte das alles? Kein Geld, keine Entlohnung für Arbeit - wieso brach die Gesellschaft der Seelen nicht auseinander? Ich versuchte zu erklären, dass es sich nicht allzu sehr vom Leben hier in den Höhlen unterschied. Arbeiteten wir nicht alle ohne Geld und teilten die Früchte unserer Arbeit gerecht auf?