Выбрать главу

das Land gehört endlich uns oder

den Wölfen

die uns in die Häuser treiben man sah am Bildschirm einen Mann der einem anderen auf der Raschid-Straße eine Kugel in die Schläfe schoss einfach so zwischen zwei langsam voranruckelnden Autoschlangen um vier Uhr nachmittags der alte rote Mercedes am rechten Bildrand gehörte Onkel Fuad in solchen Fällen

steigt man nicht aus

man duckt sich besser nieder mit bebenden Gliedern

Fürchte die Schande und vergiss nicht, dass ein Rebhuhn kein Falke ist.

es war so schwer auf den ersten Brief zu antworten den Du nach unserem letzten Treffen in Betawiyn schriebst in dem es ebenso wenig um Liebe ging wie in den vorherigen die jedoch Trost und Zuversicht ausstrahlten

eine tödliche Zurückweisung

schien Dich verwundet zu haben (wo Dich doch nichts anderes hatte empfangen sollen als die Umarmung der Morgenluft der Wolken der taufeuchten Blüten der weichen klaren Wellen eines Sees) der Falke zog Dir das Gedärm aus dem Leib und würgte an Deinen Federn so schien es oder als wäre ich das Monster-Rebhuhn aus einem noch abzudrehenden japanischen Horrorfilm es jagte nicht nur dein Herz sondern gleich noch Deinen Verstand zum Fenster hinaus Du wolltest ihn ja auch gar nicht mehr verwenden sondern ganz andere und höhere Zustände erreichen

in diesem verstörenden Brief

Zustände in denen Dir jede Rose

wie ein Galgen

erscheine in denen das Weinen wie Atmen sei denn Gott habe es gerne wenn seine Diener weinten man müsse Hind und der trauernden Witwe Rikabi das Beispiel Fudails vor Augen führen der in dreißig Jahren nur einmal lächelte nämlich als sein Sohn starb denn

der Tod seiner Kinder war wie eine Süßigkeit für ihn

Armut statt Reichtum Hunger statt Sättigung Niederes statt Hohes Demütigung statt Ehre Bescheidenheit statt Stolz Trauer statt Freude Tod statt Leben

willst Du das wirklich ist es das was ich Dir gegeben habe ist alles falsch gewesen was meine Haut Dir sagen wollte hatte sie so einen schlechten Übersetzer waren meine Hände skelettiert meine Augen leere Höhlen saß mein Haar auf einem blanken Knochen hatte ich keine Lippen mehr kein Fleisch bilde ich mir Pfirsiche ein anstelle kahler Rippen du schriebst vom

Kindertod in einer Art von

verrücktem panischen Weglaufen (schrieb ich erregt zurück) hör zu für eine Frau

ist Gott ein Kind

meine Mutter las mir manchmal Verse der Sufis vor in meiner (wie Du sagst) ungläubigen Familie wurde auch noch vor Kurzem über Deinen geliebten al-Halladsch geredet den großen Schmetterling der in der Kerzenflamme verbrennen wollte und der getanzt haben soll auf seinem Weg durch Bagdad zum Galgen hin

jetzt fängt dieser Irrsinn wieder an rief Tarik als die ersten Bomben vor Moscheen explodierten Sunniten gegen Schiiten und umgekehrt als hätte es den Irak nie gegeben verdammt noch mal vor tausend Jahren schrieb der Kollege ar-Razi in sein Lehrbuch dass jegliche Religion dem Menschen schade allein schon in medizinischer Hinsicht und übrigens: niemand bestrafte ihn dafür

aber sie töteten al-Halladsch erwiderte Farida weil sie es nicht ertrugen dass er behauptete Gott sei Liebe

al-Halladsch! er war auch der Meinung statt nach Mekka zu fahren genüge die Reise zur Decke des Wohnzimmers und du gingst zu den Irren nach Kerbela und sie hätten dich töten können!

niemand hat uns ein Haar gekrümmt sie gaben uns Wasser sie kochten für uns an den Straßen sie räumten ihre Gästezimmer frei sagte Farida und unterließ es ihren Mann darauf hinzuweisen dass ihre Pilgerfahrt mehr für Jasmin getan hatte als seine Fachkollegen bei ihren hastigen Besuchen vermocht hatten

wenn Gott also Liebe ist (schrieb ich) dann verstehe ich den Wunsch in der Flamme zu verbrennen auf gar keinen Fall denn Liebe ist nicht Feuer diese Sehnsucht der Schmetterlinge der Schmetterlingsmännchen vielmehr nach dem Tod wird hierzulande noch zum Regierungsprogramm das wollte doch auch schon der von euch allen gehasste Saddam dass ihr euch für ihn ins Verderben stürzt von der

vernünftigen zwölfjährigen Hind

erfuhr ich in klaren Worten dass Frau Rikabi Dich hatte aus dem Haus weisen müssen weil Yusuf (verrückt eifersüchtig verdrehten Kopfes wann hat er je schon etwas Vernünftiges getan) Dir vorwarf an der Universität für die Amerikaner zu arbeiten es ist ungeheuerlich was mit uns geschehen konnte in dieser kurzen Zeit des Krieges die Mauern in der Abendsonne auf denen wir scherzend und schwätzend beieinandersaßen sind mit Blut besudelt ich schrieb

mit aller Kraft und Mühe gegen Deine Verfinsterung an ich ging so weit Dir zu erklären dass Du meinen Vater nicht unterschätzen solltest seine Modernität seine Stärke und Konsequenz nur weil man sie zu einer ungewollten Ehe gezwungen hat trug Laila den Tod in der Seele und nie würde Tarik so etwas tun hörst Du in unserer Geschichte gibt es keinen tragisch dazwischenkommenden Ehemann und sinkt kein irre Gewordener der toten Geliebten aufs Grab wir brauchen nur etwas Geduld und Gott ist mit den Geduldigen wie Du besser wissen solltest als ich

vielleicht hat Dich das am meisten überzeugt denn in Deinem nächsten Brief dessen von ihr beschriebenen Umschlag Hind Dir in einem größeren Umschlag schickte warst Du

wieder zur Vernunft gekommen

Du schriebst dass Du Dich besonnen hättest dass Du sehr durcheinander warst dass Du Dich für die Zitate der Sufis schämtest derer Du nicht würdig seist dass Du Dein Studium wieder voranbrächtest und nicht wüsstest was Yusuf veranlasst habe Dich zu verleugnen und dass es Dir vor allem um Hind leid tue die jetzt nicht mehr mit Dir auf einfachem Wege reden könne sie schriebe aber an Deine neue Adresse Du hättest ein Zimmer gar nicht weit vom Haus der Rikabis entfernt gefunden aber Du wolltest noch näher zu mir heranziehen möglichst nach Wasiriya und so

ging ich wieder über der Erde

ein so winziges Stück dass es keiner merkte mit lautlosen

Feuerwerken in meinem spiegelnden Herzen

mein Vater

kommt zu spät zum gemeinsamen Essen er erhält einen Teller von Farida und setzt sich damit hinaus in den Innenhof vom Wohnzimmer her lärmt der große Fernseher Mücken schwirren durch die immer noch drückende Luft ich habe Tarik einen Pfefferminztee gekocht und bin an dem grünen Metalltisch unter dem Feigenbaum erst stehen- und dann sitzengeblieben trinke gleichfalls Tee und versuche mir vorzustellen wie es wäre wenn ich ihm

etwas ganz Furchtbares

sagen müsste

aber ich glaube es nicht und zudem ist das Leben nichts Furchtbares ich kann nicht anders als zuversichtlich sein und das Beste annehmen in zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren denke ich studiert mein Sohn in diesem neu erwachenden Land und er wird nichts von unseren Niederlagen wissen

liest du in deinen Büchern Muna wie weit bist du mit der Keilschrift du weißt die Menschheit muss allmählich vorankommen

er sieht jetzt älter aus als er ist ich denke fast jeder würde ihn für Anfang sechzig halten erschöpft und mager sitzt er vor mir mit seiner hohen kahlen Stirn den völlig weiß gewordenen Haaren die sie einrahmen auch sein Schnurrbart ist schon fast ganz weiß weil ihn jeder in der Familie verehrt traut sich keiner zu fragen wie müde er ist außer mir vielleicht

Yabba du solltest zu dir selbst gehen als Arzt meine ich

wieso

weil ich herausgefunden habe dass ihr sterblich seid ihr Ärzte

er lacht und bittet mich um einen weiteren Tee

viel mehr reden wir selten mit wem rede ich eigentlich früher unterhielt ich mich lange mit Sami und mit meiner Mutter und eigentlich habe ich damit aufgehört (oder haben sie damit aufgehört) als ich fünfzehn wurde seither spricht ja auch Gott nicht mehr mit mir der fraglose starke Kinderglaube verschwand einfach und übrig blieb irgendetwas zwischen Faridas Gläubigkeits-Anfällen und dem poetischen Atheismus meines Vaters der behauptet das Schrecklichste (sofern man glaube) sei ja dass dann zuträfe was im Koran stehe nämlich dass Gottes Antlitz überall sei wohin man sich auch wende