die sie verschlingt verbrennt auflöst in einen Schatten verwandelt durch ein unvorstellbar gewalttätiges Licht eine Brand-Lawine ein zerberstender Komet auf der Straße nur
hört man nichts
das Ohr ist
zerstört
aber nach einer gewissen (düsteren wie
konnte es so schnell wieder dunkel werden) Zeit hat sie so etwas wie
eine Erinnerung an einen infernalischen Knall eine Minute zuvor von dem jetzt ein anschwellendes Pfeifen übrig ist noch
hast du einen Mund um zu schreien du kannst
die Augen öffnen zur
Aussicht
auf eine Vulkanlandschaft voll Asche Staub Rauch flach züngelndem Feuer überall
Fetzen graue Trümmer scharfkantige aufgebogene zerrissene Objekte die an etwas erinnern sollten das Pfeifen wird lauter noch lauter schmerzhaft eine zerplatzte leuchtend rote Wassermelone vielleicht ein brennender Strohkorb in dem jemand glühende Kohlen transportieren wollte eine sich zäh und glänzend wie Quecksilber ausbreitende Lache auf die sich eigenartig langsam ein Kamm aus kleinen blauen Flammen setzt über die Anhöhe eines plumpen Schuhs hinweg in dem ein abgerissener Fuß steckt vor dir liegt ein Mensch ohne Kopf und die brennenden Gliedmaßen auf der halb zerfetzten Plastikplane gehören nicht zu ihm ein
Autoreifen ein roter winziger toter Vogel bizarre Fantasieobjekte bedeckt von einer flaumig-grauen Aschehaut Teile von Menschen und Maschinen wie von einem sadistischen Maler arrangiert
das Pfeifen
du hörst jetzt dennoch auch Rufe und Schreie du denkst dass du dich irrst
eben noch sahst du
deinen Geliebten und du glaubst (obwohl du weißt dass es nicht stimmen kann) dass er sich jetzt hier unter all diesen Toten und wimmernden Verletzten befinden müsse du siehst den nackten vollkommen haarlosen Brustkorb einer großen Puppe eine Art gelber Flaum schwebt vorbei du
kannst die Arme bewegen du spürst deine Finger die Beine
sind
beweglich
es ist wie bei einer Trockenübung für einen (noch unbekannten) Schwimmstil wie bist du überhaupt auf den Boden gekommen und was
hast du vergessen was vergisst du nur ständig
direkt neben deiner linken Wange befindet sich ein weiterer Schuh du wagst es dich an den Händen Ellbogen Knien aufzustützen das Pfeifen es lässt nicht nach es schwillt erneut an so
dass du eine Zeitlang kein menschliches Geräusch hörst bis du eine Welle aus Übelkeit Schwindelgefühl und seltsamerweise Scham überwunden hast und nun auf den Knien Händen mit ausgestreckten Armen nach vorn schaust ein Bein heranziehst wie zum Start für einen Lauf
um was
du dich alles kümmern musst! deine Hand (nach dem Aufstehen was hast du vergessen) spürt deinen unverletzten Bauch geradeaus durch die Trümmer die Ascheschichten den zerfetzten Marktkarren dort war
etwas
sie
kamen doch auf dich zu in deinem Rücken
sind Menschen viele Menschen jetzt die noch näher kommen hilfsbereite Menschen die du fühlst Jasmin und Farida müssten dort
du fühlst diese Menschen wie einen großen Mantel der dir über die Schultern gelegt wird etwas Tröstliches Weites Ruhiges du wirst jetzt
geradeaus gehen
in diese Richtung du
hebst jetzt den Kopf und siehst jetzt die
zweite Explosion
Wiederkehr
Zerschlage mich, mein Körper flieht
in einen Spiegel, mein Gesicht
tanzt auf der Welle,
fließt in Scherben.
Ich atme nicht.
Leicht gehe ich, leicht kehr ich wieder,
leicht füge ich mich,
Kreis um Kreis
im Glas des tiefsten aller Meere,
des Sees, auf dem ein jedes Bild
erneut erscheint
und bleibt.
Epilog, September 2004
Du brauchst nicht mehr
zu erwachen
das ist eine ungeheure Erleichterung so wie Du nie wieder müde wirst
was Du noch kennst (anstelle von Aktivität und Schlaf) ist vielleicht nur ein Flackern der Aufmerksamkeit oder des Grades des Vorhandenseins an einem bestimmten Ort oder zu verschiedenen Orten und Zeiten
wohin man Dich verbracht hat oder Du steuerst alles nach Belieben (aber wäre es dann eine Erlösung) vielleicht
bist Du immer noch da
nur mit einer fragilen gleichsam drucklosen Präsenz Du kannst Dir eine solche Daseinsweise besser vorstellen indem Du sie in den äußeren Dingen spiegelst indem Du die scheinbare Festigkeit und Massivität gleichsam den optischen Aggregatzustand der Dinge einmal
minderst
bis an die Grenze zur Durchsichtigkeit (im Falle Deiner Abwesenheit)
einmal übersteigerst (wenn Du wiederkehrst) zu einer so perfekten atemberaubenden strahlenden unumstößlichen Gegenwärtigkeit als bestünde die ganze Welt aus Metallen unfassbarer Schwere und unerträglichen Glanzes man glaubte dann keinen einzigen Ort mehr verlassen zu können infolge seiner vernichtenden Anziehungskraft
die Gegenwart
noch der flüchtigste und frischeste Moment wird uralt und brüchig unter Deinem Blick es ist dieser (unvorstellbare) Abstand mit dem Du sie betrachtest der Oberkörper eines neben Dir schlafenden Menschen von dem die Decke herabgeglitten ist erscheint Dir wie der Torso einer vieltausendjährigen Statue durchzogen von Rissen und Sprüngen die Haut (eine Kalk-Lehm-Schicht) wie der Boden eines von der Sonne verdampften Sees ein Mosaik von feinsten Scherben ein hoch kompliziertes Puzzle das in einem Sekundenbruchteil zusammenzusetzen Dir Dein ungeahnter neuer Zustand ermöglicht
hinter dem Glas einer hohen Vitrine
die armlose Statue einer Frau
das ist konkret
große mandelförmige blinde Steine in ihren Augenhöhlen lassen sie vergeblich in unsere Zeit starren und ihr Schrei entsteht erst gar nicht denn unter ihrer schwach ausgeprägten Nase gibt es keinen Mund (als hätte man so diese Sekundenbruchteile modelliert die keine Zeit mehr ließen die Lungen mit Luft zu füllen)
wegen dieser Schädel (echte Menschenschädel) die man mit Lehm überformt und bemalt hat und mit steinernen Augen versah für einen entsetzten ewigen Blick stürzte ich wieder zurück in jene Tage in Manhattan zu den mit den Schärpen der Sicherheitsgurte markierten Torsos auf der World-Trade-Center-Plaza
wenn Du es jetzt sähest dann womöglich nur noch mit einem abwesenden Blick
so dass die ganze Stadt gläsern erschiene oder zelluloidhaft
selbst ihr Lärm wäre gleichsam durchsichtig nur noch gegenwärtig als Rauschen oder als eine Art akustischer Nebel in dem hin und wieder diffuse Stimmen flüstern oder Bruchstücke von Sätzen erscheinen
Du gehst durch die Mauern wie durch Vorhänge die sich an jeder Stelle teilen lassen alles ist transparent schemenhaft und leicht wenn man auf diese Weise (aus diesem Abstand von 7000 Jahren)
zurücksieht
gibt es nichts Eindeutiges mehr aber es wird auch leichter sich etwas auszumalen etwas zu skizzieren zu einem Gemälde oder gar Film reicht die Kraft unmöglich aus (etwas Derartiges zu gestalten und zu ertragen)
durchscheinend und folienhaft sind die Möglichkeiten die sich in der fließenden gläsernen Stadt ergeben das eine und einzige Leben wird zu einem Schwarm geisterhafter Existenzen es ist nur diese eigentümliche Farblosigkeit die Dich das denken lässt und die große Distanz in der nun alles geschieht (oder geschehen ist) denn es sind keine Fischleben es ist überhaupt nichts Kühles oder Gleichgültiges es ist eher so als hätte man eine Sicht auf
anrührende höchst dramatische melancholische und herzzerreißende Szenen in Schwarzweißfilmen die niemals gedreht wurden
die Möglichkeiten die Du hast wie Eintrittskarten in ganz verschiedene Handlungen und Genres
Du rufst noch einmal Deine Mutter an und sie sagt Dir dass Du sofort zurückgehen und mit ihrem Mann (zweiten Ehemann) zu Abend essen sollst Du übernachtest in dessen Wohnung alles verläuft wie üblich und erwartungsgemäß und Du bist am nächsten Morgen um neun bei ihr im World-Trade-Center-Büro