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postiert sich lachend darauf

wir haben keine Kamera dabei und obwohl wir es erwogen mochte keiner das kurze Stück zurück zum Hotel laufen und so gehen wir weiter im Frühsommerlicht auf die Bögen der Deutschherrnbrücke zu große gewölbte Mädchenhaarspangen aneinandergelegt über den Main

dahinter die moderne Skyline die aus einem guten Dutzend wie rasch zusammengeschobener Hochhäuser besteht das höchste scheint einen Arm zu heben zum Hitlergruß sagt Luisa oder als wolle es die Flugzeuge aufhalten die sich in den blauen Himmel

brennen

Sabrina ging weit voraus sie war ja die Dritte so erwachsen nun dass sie sich auch an meiner Seite immer wieder als Störung eines Paares empfand und ich war über ihre Absonderung in diesem Moment ganz froh weil ich das Bedürfnis hatte Luisa vom Überdruss an meiner Arbeit zu erzählen der unter den Bäumen vor der Gerbermühle noch stärker geworden zu sein schien es war vielleicht nur jene Müdigkeit die schon immer ein gutes Stück vor dem Ende eines Projekts die Kräfte erlahmen lässt den Schwung nimmt den Zweifeln das Feld räumt oder ich hatte einfach keine Lust mehr

auf Marianne

und noch eine törichte zahnlose Liebe des Alten

schick ihm einen Pornofilm und ein flinkes auf siebzehn gestyltes zwanzigjähriges Kind aus Istanbul vom Frankfurter Hauptbahnhof zurück mit dem Sturm der Zeit der aus der Zukunft weht

es schien mir als wäre ich selbst von all diesen Frauen geschieden und sollte sie nun einzeln wiedersehen und ausführlich beschreiben (nach mehr als einem Jahrhundert)

Torschlusspanik sagte Luisa nachts

in einem der altfränkischen althessischen Doppelbetten des Hotels neben der Mühle in dem wir unter gewaltigen Kissen wie von weichen Himmelskörpern erschlagen seltsam distanziert nebeneinanderlagen (Sabrina in einem Einzelzimmer im unteren Stock)

dieses ganze sentimentalistisch verfälschte orientalische Zeug diese blöden Kostümierungen als Jussuph und Suleika diese falschen Turbane getürkten Prophetensprüche dahingemalten arabischen Sentenzen die handbestickten Sultanspantoffeln die immergrünen Kautschukzypressen die Chiffre-Bilder gelegt aus den Knochen des armen alten genialischen Hafis

entspann dich doch sagte Luisa unter ihrer massigen Wolke

in Granada wird dir alles leichter fallen und klar werden lass dich treiben

im Sturm

Ach, um deine feuchten Schwingen,

West, wie sehr ich dich beneide:

Denn du kannst ihm Kunde bringen,

Was ich in der Trennung leide.

Tarik

Der blöde alte Witz: Schalom Moschel

sagte mein Bruder Munir vergnügt aber sehr leise in mein Ohr als er mich 1974 am Flughafen umarmte und mich fröhlich in die Rippen stieß um dann eine ehrfürchtige Verbeugung vor Faridas Sechsmonatsbauch zu machen

der Kreis schließt sich (die Halsschelle die du noch nicht bemerkst) unsere Ankunft in Bagdad zu dritt meine einsame Abreise sieben Jahre zuvor alles verläuft anders als geplant und doch auch wieder nicht

1974 die Wiederankunft

der Aufbruch 1967 ich hatte den Wehrdienst hinter mich gebracht jene erschöpfenden Monate im Norden bei Hatra und dann die langweilige Zeit im Süden in müden alten Städten unter Dattelpalmen und sepiafarbenen Wandbildern der Helden der Revolution und Farbfotografien von Abd al-Salam Arif dem Flugkünstler der den ägyptischen Adler auf dem irakischen Staatswappen hatte landen lassen und mit dem Hubschrauber abstürzte kaum dass ich in eine Sanitätseinheit versetzt worden war (weil mir ein freundlicher Oberst geglaubt hatte dass ich tatsächlich Medizin studieren wollte) und so hatte ich Glück denn der schwache ältere Bruder und Nachfolger von Abd al-Salam zeigte sofort seine nicht vorhandene Stärke und ließ Bomben auf kurdische Dörfer im Norden werfen wovon er sich als Fußballzuschauer erholte vor Hotelfernsehern in Istanbul ich jedenfalls kam mit heiler Haut aus der Langeweile zurück ich studierte ein Semester in Bagdad

ich heiratete

die samtäugige willensstarke störrische kluge lesende Kindergärtnerin die ich fünf Monate lang einmal in der Woche vor den Buchauslagen in der von Papier und Binderleim Blattgold Tinte Dichterwahn Philosophenweisheit überspülten verwinkelten Gasse des Suk as-Saray sah und nicht anzustarren versuchte als sie Camus und Ibn Arabi kaufte bis sie mich fragte ob wir

nicht

in einem Buch verschwinden könnten dachte ich

aber sie fragte ob ich nicht auch fände

dass

unsere Mütter miteinander sprechen sollten

beinahe wäre ich auf den Rücken gefallen ich war einundzwanzig (sie neunzehn) aber das

Gespinst

der Liebe hielt mich aufrecht ohne viel Worte die Blicke brauchten keinen Dolmetscher ich hatte jahrelang Französisch gelernt weil es schon immer festgestanden hatte dass ich zu einem einflussreichen Geschäftsfreund meines Vaters nach Paris gehen würde der mir einen Studienplatz eine düstere Wohnung ein altes verbeultes Auto eine wundervolle junge Frau und vielleicht noch Kinder besorgen konnte (und dem ich dann doch einiges davon abnahm) alles das gefiel mir nun gar nicht mehr nach dem einzigen und entscheidenden Gespräch mit Farida auf dem Suk aber kurz darauf musste mir mein Vater eröffnen dass es mit seinen Finanzen nicht mehr zum Besten stand seit er sein letztes Geld aus dem Seidenhandel in eine für ihn völlig neue Branche investiert hatte erst in zwei drei Jahren also könnte ich wenn alles gut liefe doch noch nach Frankreich gehen

so hatte er kein Argument gegen die sofortige Heirat mit Farida aber er suchte auch keines sondern verstand meinen absoluten Ernst der sich nie geändert hat wenn du Glück hast dann geschieht es dir dass du vor einer Frau stehst und ohne ein Wort sogleich alles klar und beschlossen ist Medschnun und Laila und Chosrau und Schirin und Jussuph und Suleika regen sich in dir (und wollen dein Leben) ich aber bin für

Dschamil und Buthaina

die gemeinsam liebend alt wurden (für was hat man schließlich studiert möchte man in dieser Angelegenheit sagen)

Farida sechsundzwanzigjährig selbstbewusst fast angriffslustig schön und perfekt ruhig und stark trägt unter der Haut die Frucht unserer schon siebenjährigen Liebe verborgen Jasmin (die später behaupten wird sie habe sechs Jahre lang im Himmel gewartet bis wir uns entschlossen Frankreich zu verlassen und nachhause zu gehen) schwimmt kopfüber nach Bagdad 1974 am Flughafen bei unserer Rückkehr meine Schwägerin Amal hakt Farida unter mein Bruder geht mit mir Arm in Arm wie läuft das Geschäft frage ich Transistoren sagt Munir und auch immer mehr Fernsehapparate jedenfalls nicht mehr die alten Röhrendinger

nicht mehr Nasser sondern Sadat sagt Munir und auch hier ist vieles anders als damals

1967

Radios Stimmen

Ahmad Hassan al-Bakr Frank Sinatra Gamal Abden-Nasser Umm Kulthum

verwoben mit den Rufen der Muezzin

etwas würde passieren es würde Ereignisse von historischer Tragweite geben Offiziere waren nach Bagdad zurückgekehrt die vor Kurzem erst ihrer Putschabsichten wegen hatten fliehen müssen

wir klebten aufeinander die Universität war ein Bienenstock frisch verheiratet und hungrig nach Büchern und Gesprächen taumelte ich über den Campus ich wollte lernen und verstehen ich wollte durchaus den menschlichen Körper studieren (Faridas unglaublich sanfter weißer Planet jede Nacht) ich hatte jedoch aufgehört Französisch zu lernen und versuchte Butrus al-Bustani und Salama Musa zu lesen die Romane von Mahfus neben Sartre und Trotzki auch die marxistischen ägyptischen Schriftsteller der jüngeren Zeit aber ich war und bin politisch ziemlich ungeeignet sogar als Leser ich glaube nicht genügend an die Möglichkeit große Menschenmassen direkt ins Paradies auf Erden zu steuern und all diese Gedankenflüge über die Völker und ihre Bestimmung erschienen mir wie Räusche wie