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Kalkutta in Bagdad

offene Schafsbäuche aus denen die Gedärme hervorquellen madige Hackfleischklumpen in der Sonnenhitze Wasserverkäufer mit uralten Zinnkrügen oder aquariumsähnlichen Glasgefäßen in denen schmutziges Eis schwimmt Kinder und wieder Kinder im schulpflichtigen Alter die sich zerlumpt durchs Leben stehlen und betteln dies alles mein Freund hat natürlich seine höchsten und allerhöchsten

Gründe

bis hinauf

zum Weltsicherheitsrat dessen Mitgliedsstaaten drei Viertel des Waffenbestandes des gesamten Nahen Ostens geliefert haben und wohl deshalb so genau wissen was uns

SCHURKEN

zusteht

nämlich Hunderttausende unnötig an Infektionskrankheiten Unterernährung und Sepsis gestorbene Kinder die selbstverständlich allesamt nur dem zynischen Spiel unseres PRÄSIDENTEN zum Opfer fielen der seit zehn Jahren mit den Waffeninspektoren Katz und Maus spielt und seine verbliebenen Milliarden in die Geldsäcke seines Clans leitet in die Mäuler seiner Geheimdienste in die Türme und Keller seiner absurden Paläste in denen er sich versteckt während die Doppelgänger-Marionetten in die Kameras winken (es gibt keine Kopien sagt mein Freund Ali denn ER ist so eitel dass er auch die Doppelgänger spielt)

immerhin

mein Freund haben die Iraker schon oft versucht IHN zu erledigen da schlagen wir doch Hitler-Deutschland ganz leicht mit der Fülle unserer guten tödlichen Absichten

der Krieg

wird kommen sagt Farida und somit auch die Abrechnung ich frage mich aber ob auch mit denen abgerechnet wird die es unterließen den Würgegriff zu lockern als sie sahen was sie damit anrichteten Jahr für Jahr

die Geschichte mein Freund stellt meiner Meinung nach eine einzige praktische religiöse Frage nämlich

wer richtet die Sieger

mein HERRSCHERFOTO

aus den frühen achtziger Jahren hängt über grauen Metallkästen wunderbar fehlfarben und verblasst mittlerweile ganz wie seine Artgenossen an so vielen Orten an denen wir wissen dass wir IHM nichts anderes antun können als

Zeit

in den Metallkästen stapelt sich mein Material mit Beiträgen zur nächsten verheerenden UNICEF-Statistik die Beamten im Gesundheitsministerium sehen dies gerne klagt man damit doch immer nur den

FEIND

an und nicht die Schmugglerkönige und Schwarzmarktschieber die in den wenigen verbliebenen Luxusrestaurants schmausen und protzen und auch nicht die korrupten Funktionäre die sich nach dem Prinzip Öl für Kaviar prächtig im Sanktionsfett eingegraben haben

noch habe ich genügend Paracetamol um eine alte Frau mit einem Bandscheibenvorfall zu versorgen eine Operation brächte wahrscheinlich sowieso keine Besserung ich beruhige widerwillig einen baumlangen Kerl in der Uniform der Revolutionären Garden dass er nur an Diarrhö leidet und nicht wie befürchtet an Typhus für die Mittelohrentzündung eines vierzehnjährigen Jungen kann ich noch einmal etwas Paracetamol entbehren nicht aber Antibiotika obgleich er vor Schmerzen heult sein Großvater dem ich die üblichen Hausmittel empfehle war einmal Englischlehrer und erzählt mir dass er seit Jahren als Händler mit Haushaltswaren und Gewürzen drei Familien ernähren muss weil seine beiden Söhne bei der Armee waren und beim Rückzug aus Kuwait fielen

womit wir (mein Freund) zum Anfang (oder zu einem der Anfänge) der Geschichte kommen müssten die man hier auf unseren morschen alten Gräten zu Ende bringt im Gegensatz zu den kleinen Fröschen der Generation die unter dem Sanktionsregime aufwuchsen sofern sie nicht daran verstarben und so wenig Kontakt mit der Außenwelt hatten dass sie keine Chance erhielten zu begreifen wie all das Elend über uns gekommen ist

erinnern wir alte Karpfen uns ja noch gut an den

glorreichen Moment

des Sieges über die Perser (die gespaltene Kuppel der Märtyrer die abgeschnittenen säbelhaltenden Riesenunterarme über der Prachtstraße die Helme der gefallenen Feinde wie Schildkrötenpanzer in einer Betonfläche fixiert) der

PRÄSIDENT

hatte gewonnen und er hatte die

arabische Welt die Interessen des Westens die Grenze der Sowjetunion (mit deren aller großzügiger Unterstützung und:) mit Strömen

SEINES

irakischen Bluts vor den

Horden Khomeinis

verteidigt

noch immer stand eine Million Mann seiner siegreichen Armee unter Waffen und machte Anstalten IHM die Haare vom Kopf zu fressen während ER doch wehrlos im Sumpf der Auslandsschulden steckte und die leeren Hände (sein drittes Paar) den

arabischen Brüdern

entgegenhielt die sich jedoch plötzlich darauf besannen dass sie die eigenen Finger doch lieber in die eigenen Goldkisten steckten und den PRÄSIDENTEN nun zu mächtig fanden so dass sie (die Saudis und Kuwaitis) jede weitere Kreditierung verweigerten zudem die Kriegsschulden des Irak einforderten und darüber hinaus noch die Ölverkäufe weit über die vereinbarten OPEC-Höchstgrenzen steigerten so dass der Preis verfiel und der PRÄSIDENT sich schließlich gezwungen sah sich daran zu erinnern

dass WIR das unter dem korrupten Sabah-Clan leidende aber nun endlich zum Aufstand bereite Volk der Kuwaiter doch rasch (von seinen Petro-Dollar-Milliarden) befreien sollten

auf der (Erd-) Oberfläche ging es nur um

etwas Wüste und etwas Meer

um eine kleine Hinterhofangelegenheit wie Panama für die USA oder die Falklandinseln für England so dass der PRÄSIDENT von einem gewissen Verständnis ausgehen zu dürfen glaubte und dieses auch deutlich herausspürte in jenem legendären Gespräch das ER mit der US-Botschafterin Glaspie führte bei dem sie dachte ER könne doch nicht gedacht haben die Aussage dass man keine Meinung zu einem innerarabischen Konflikt habe bedeute auch man würde nichts unternehmen wenn ER ganz Kuwait erobere (statt nur die umstrittenen Ölfelder von Rumaila und ein oder zwei unbewohnte Inseln) und sich von da aus womöglich noch gegen Saudi-Arabien wende schließlich hatte sie ja hinzugefügt dass ER angesichts der von IHM an der kuwaitischen Grenze massierten Truppen doch — im Geiste der Freundschaft — seine Absichten überdenken solle aber ER

wollte nicht denken

was too stupid (wie Glaspie später vor dem US-Senat erklärte) sich vorzustellen wie die USA reagieren würden wenn

sie in Kuwait Orangen (wahlweise Datteln oder Kakteen) angebaut hätten so ließ sich ein hoher US-Beamter (no name) später vernehmen dann wäre Washington seelenruhig

in Urlaub gefahren

so aber handelte es sich um den Zugriff auf das

dickste Ölfass der Welt

und der Freund Saddam war plötzlich ein Wiedergänger Hitlers und jedes Erdulden und unnötige Entgegenkommen eine Neuauflage des Münchner Abkommens (erklärte Miss Thatcher Mr Bush) und so kam es dann dass

der Ast Kuwait zum Stamm Irak kaum auf unseren TV-Schirmen zurückgekehrt war und man kaum einige schöne Beutezüge in den Palästen und Einkaufszentren der blitzartig entflohenen Sabahs hatte unternehmen können und gerade einmal einige folkloristische irakische Folterkeller in Garagen und Kellern improvisiert worden waren

als auch schon

jener diplomatische Zirkus einsetzte

mit seinem wirklichen Horror und seiner grotesken Komik

von der Schlacht der Lügen

bis zur Mutter aller Schlachten

von den Brutkastenmorden (professionelles Märchenprodukt einer US-Werbeagentur dargeboten von der fünfzehnjährigen Tochter des kuwaitischen Botschafters in Washington als angeblicher Augenzeugin vor den fassungslosen Mitgliedern des UN-Menschenrechtsausschusses

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Babys sterbend

auf dem kalten Fußboden)