das alles
ginge uns gar nichts an oder nur
buchstäblich
Seymour spürte meinen Widerstand dagegen den großen politischen Rahmen aus den Augen zu verlieren er betonte deswegen dass dieser Rahmen nichts anderes sei als die Summe aller kleinen konkreten direkten Ursachen und bei der ganzen Aufrechnung Herleitung Begründung historischen Kausalitätsrechnung die ich anzustreben scheine rate er mir doch auch ganz klar von den Bedingungen auszugehen die naheliegend und konkret seien womit wir beim Versagen der amerikanischen Geheimdienste einerseits wären und andererseits bei der ganz konkreten Vorgeschichte der Täter woher kamen also die Islamisten aus Ägypten aus Jordanien von der Westbank aus Saudi-Arabien und sie trafen sich
in Afghanistan
sagte ich erschöpft und vielleicht sogar elender dreinschauend als er in seinem von Oszillografen umlagerten Bett ich sah auf meine eigenen Hände als hätten sich glänzende schwarze Flecken darauf befinden müssen ich fühlte mich wie Goethe an der Tankstelle aber ich war nun alles andere (Mediokre) als Goethe und ER (als Staatsminister und ehemaliger Vorstand der Ilmenauer Bergwerkskommission) wäre gewiss fasziniert gewesen von den Bohrrekorden den Zapfsäulen den Raffinerien und jenen gewaltigen göttlichen oder philosophischen Tankern die mit hundert Millionen Litern Öl im Bauch durch die Weltmeere schnaubten die sie ab und an ausspuckten wenn ihnen übel wurde oder sie an einem Riff zerbrachen bestimmt hatte Sabrina mit Seymour über die Umweltkatastrophen gestritten Amanda (dachte ich plötzlich)
fehlte ihm auf eine doch schmerzhaftere aktuellere Art nicht einfach nur als Trägerin einer melancholischen und vernarbten Erinnerung
er tat mir auf eine schwer bestimmbare Weise leid allerdings öffnete sich nun wirklich die Tür zum Krankenzimmer und herein kam nicht die Krankenschwester um mich zu tadeln und hinauszuwerfen sondern
die Zwillinge erschienen Charles und Emma Seymours Kinder aus der Ehe mit seiner verstorbenen ersten Frau elegant gekleidete besorgte wohlerzogene Sechsundzwanzigjährige
right place right time
Schach
oder auch nicht
wir hatten und haben nichts (mehr) gegeneinander auszuspielen als ich das Zimmer verließ nahm ich im Fahrstuhl die falsche Richtung und fuhr bis zum Dach mit einem Krankenpfleger der eine Zigarette rauchen wollte und mich mitnahm nachdem er mich wohl meines Gesichtsausdrucks wegen gefragt hatte ob ich
jemanden verloren habe (guter Verlierer
erneut) und ich dies bestätigte
er fragte dann nicht weiter rauchte nur an meiner Seite durch die gelben Metallstäbe die dort oben den Blick auf den Hudson wie das Gitter eines Affenkäfigs zerteilten bis man das erhitzte Gesicht zwischen zwei davon drängte ich spürte das von professioneller Müdigkeit halbierte stumme und von mir halb zu Recht erschlichene Mitleid des Krankenpflegers und vergaß es beim Blick auf den
märzgrauen Fluss
man sah weit über die Hausdächer und die große Brücke nach Jersey hinüber und auch nach Nordosten hin über den zunächst noch steinern verpanzerten Riesenhummer Long Island Ausblicke durch den Schmerz wie durch eine vollkommen durchsichtige aber meterdicke Trennwand erinnerte ich mich an ähnliche und noch weiter reichende Ausblicke (mit der schwangeren Amanda vom World Trade Center aus November 1981 die Türme waren erst fünf Jahre alt kein Gedanke daran dass einer von uns einmal in einem solchen Ungetüm arbeiten würde sterben würde diese fast puppenhaft schöne Studentin in einem hellroten Siebziger-Jahre-Parka mit Pelzrand um die Kapuze ihr sanft und oval vorgewölbter Bauch hinter meterdickem
Glas)
die Blicke mit der elfjährigen Sabrina vom Empire-State-Building aus wo kletterte King Kong empor ich bin der
Vater-Affe
hinter gelben Gitterstäben
unter mir hundert offene Herzen in den Operationssälen ich will
die Kriegs-Bananen von George W. Bush nicht fressen
solche Ausblicke auf die kompakte riesige Häusermasse von Manhattan hatten mich immer erschreckt und zugleich begeistert sie sagten mir dass ich hier nichts zu suchen (nichts zu verlieren) hatte und nichts zu tun dass es hier kein Mitleid für mich gab (der schmächtige graugesichtige Krankenpfleger hatte seine Zigarette aufgeraucht und wartete auf mich)
und andererseits doch immer auch das Frische Grandiose und Mitreißende den
verheißungsvollen
Aufbruch Amerikas neue Luft neue Himmel am mächtigen hellblauen Atlantik der Generationen- und Millionengesang von
Walt Whitman, a kosmos, of Manhattan the son
Blick zum fischförmigen Paumanok auf dem er geboren wurde ein einziges Mal traf ich mich mit Sabrina auf Long Island (fuhr aber nicht bis zur Hummerschere nach East Hampton wo mich der Anblick der großartigen Sommerresidenz von Seymour und Amanda vielleicht doch entzweigeschnitten hätte)
Sabrina (sechzehn- oder siebzehnjährig) mochte das schlichte aber gut durchdachte Holzhaus sehr das Whitmans Vater eigenhändig erbaut hatte sie wollte gerne darin wohnen in dem kleinen Vorbau mit der weißen Tür und den beiden frisch lackierten Fenstern
wir (WIR)
könnten dann das Hauptgebäude beziehen
und sie überging sogleich diesen Fehler mit einem Lächeln und einem kurzen Winken vor ihren Augen als wäre ein Blatt dicht vor ihr herabgefallen oder als hätte sich ein Spinnwebfaden in ihr Haar verirrt
immer wieder besuchte ich mit ihr die Häuser von Dichtern und weiß heute nicht mehr weshalb es geht doch nicht um die Häuser es geht um das Land um die Menschen
One’s Self I sing, a simple separate person
Yet utter the word Democratic, the word En-Masse
nicht mehr nicht weniger als alle Bewohner des Landes sein
weshalb nur des einen (weil es neu ist)
der Krankenpfleger berührte mich an der Schulter Krankenpfleger auf den Schlachtfeldern in den Lazaretten bei den planierten Ruinen der Türme ich hätte auch etwas anderes lernen können als Besichtiger von Häusern von Dichtern der großartige Whitman hatte es gekonnt aber hätte ich es ertragen
drei Mal habe ich Seymour in der Klinik besucht (öfter als seine Kinder) und keiner von uns wunderte sich darüber
Tarik
Bezüglich des Mittagsschlafes wurde ich schon länger nicht mehr konsultiert ich erinnere mich aber noch an das ein oder andere Regimen sanitatis von Galen oder Maimonides dem zufolge man mäßig im Essen sein und sich nach dem Mahle erheben solle statt zu ruhen wobei man tunlichst weder den Harn verhalte noch die Hinterbacken zusammenkneife und auch Ibn Sina warnte vor Podagra Schnupfen und Hauptweh die mit dem Schlafen am Tage einhergingen wenn es denn sein müsse so beschränke man sich auf eine halbe Stunde die man mit aufgetanem Gürtel und ohne Schuhe jedoch mit bedeckten Füßen an einem möglichst finsteren Ort verbringe üblicherweise bin ich seiner Meinung aber
das Gastmahl mit den Macht- und Maler-Philosophen hat mich so mitgenommen dass ich den gestrigen Tag mit vollkommen leerem und wie gespaltenem Schädel verbrachte trotz der mir zur Verfügung stehenden Wundermittel (zwei Liter Wasser und drei Aspirin) kam ich erst am Abend richtig zu mir und zu (überaus erstaunlichen) Kräften in der gestrigen Nacht als Farida sich plötzlich über mich hermachte oder vielmehr mich
zu sich nahm
wie einen alten Teddybären aber ich führte mich ganz schön auf und schlief deshalb wohl schon wieder ganz unruhig so dass mir die vier notwendigen Wochenend-Hausbesuche sehr schwerfielen und ich dann also am Nachmittag ganz gegen meine Gewohnheit und höhere Einsicht erschöpft auf mein Bett fiel
es ist ein seltsam konturloser Halbschlaf ich bin weniger versunken als erhoben es scheint mir als befinde ich mich seit Stunden in einem prekären Schwebezustand als könnte ich jeden Augenblick hinabstürzen und als sei ich doch zu müde um auch nur das Geringste an meiner Lage zu ändern ein eigentümliches stumpfes und graues Nichts umgibt mich es ist aber nicht wirklich unangenehm ja sogar befreiend es ist einfach ein Ausbleiben von (lästiger) Gestaltung ich schwebe wie in einer grauen nicht weiter möblierten Wolke und das Aufwachen mein Freund ist in einem solchen Fall eine ganz großartige Sache denn durch Watteschichten von nicht weiter bestimmtem namenlosen Zeug dringt man zu einem gleichfalls sehr diffusen Ich vor so als könnte man völlig überraschend bei sich selbst einkehren oder auch bei dem Rest der Welt aus der Perspektive des