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nur in den Nächten in denen wir fast wahnsinnig wurden bei dem Gedanken dass man Jasmin folterte

hatte ich genügend Hass um mir einen solchen Krieg zu wünschen

als wir hörten dass die Amerikaner schon am Flughafen seien kam Onkel Fuad bleich ins Wohnzimmer und erklärte er habe vor einer Stunde Saddam persönlich gesehen direkt vor der Abu-Hanifa-Moschee in Uniform mit Pistolengurt und einer Gebetskette aus Bernstein um den Hals umringt von Leibwächtern und jubelnden Anhängern

das war nicht Saddam das war Al-Sahhaf der sich als Gorilla verkleidet hat und es war keine Pistole sondern eine Banane

erklärte mein Vater und ab diesem Zeitpunkt

schöpfte ich wieder Zuversicht denn seit der Verschleppung Jasmins hatte ich keinen dieser Witze mehr von ihm gehört und ich begann

mir vorzustellen

dass sich wirklich alles ändern könnte

noch am selben Abend stürzten sie die Saddam-Statue auf dem Paradiesplatz wir sahen es auf drei Fernsehsendern wieder und wieder fast schon wie die Flugzeuge die ins World Trade Center krachten der 9. April als Antwort auf den 9. September nur war der Sturz vom Sockel

so seltsam banal so mechanisch und langsam es waren auch nur wenige Menschen dort und man sah den weiten von einer Säulenkolonnade eingefassten Platz nie in einer Gesamtansicht und die Szene selbst nicht aus größerem Abstand so dass man das Gefühl eines inszenierten Tumults nicht loswurde ich bin so oft dort vorbeigegangen wenn ich mit den Eltern zur Abu Nuwas oder zur Karrada spazierte sie bewarfen die dunkle Statue im erzenen Nadelstreifenanzug die so großspurig die Rechte erhob mit Steinen und Schuhen und hatten ihr ein dickes Hanfseil um den Hals gelegt und wohl erfolglos daran gezerrt um anschließend den hohen gekachelten Sockel mit Hämmern oder Pickeln zu bearbeiten was ihm kaum mehr als eine Art Platzwunde zugefügt hatte (soweit also der irakische Anteil

sagte Tarik)

aber die hohlen Beine zerrissen in Kniehöhe nachdem IHM die amerikanischen Soldaten eine US-Flagge über das Gesicht und eine Stahlkette um den Hals gelegt hatten an der sie mit einem Panzer zogen ein kleiner Junge prügelte mit seinen Schuhen auf den abgetrennten Kopf ein den einige unserer Landsleute an der Kette durch die Straßen schleiften

es war seltsam dass keiner von uns sich so recht über den Sturz freute auch wenn wir ihn als gutes Zeichen nahmen die meisten hatten ein klammes Gefühl hilflos dabeizustehen oder vielmehr davor zu sitzen vielleicht hing es damit zusammen dass wir wussten dass

ER

noch lebte und am Vormittag noch ganz in der Nähe durch Bagdad spaziert war ich glaube dass Sami und ich uns noch am meisten gefreut hatten allein schon Jasmins wegen und vielleicht weil in unserem Haus in Betawiyn kaum ein Tag vergangen war an dem Tarik nicht auf Saddam geschimpft hatte seit er davon ausgehen konnte dass wir uns keinesfalls in der Schule oder bei Nachbarn verplappern würden während man im Stammhaus der Familie die Radiogeräte Fernseher Antennen und neuerdings auch Personalcomputer verkaufte sich stets äußerst vorsichtig hatte verhalten müssen Onkel Munir (der älteste Bruder) sei ein wahrer

Drahtseil-Artist

hatte Tarik erklärt und nun war das Seil um Saddams Hals geschlungen in der Nacht zum 10. April träumte ich dass ich

selbst von einem Sockel fallen würde

direkt auf meinen unbeweglich starren rechten Arm aber dann

gab es plötzlich ein Tanzfest mit jungen amerikanischen Soldaten auf dem Eren Huda und ich kurze Röcke trugen und Rock’n’Roll tanzten wie in einem Elvis-Presley-Film ich wollte nicht aufhören

mir Dinge vorzustellen die ähnlich unfassbar waren wie das futurische Babylon das ich in meiner Fantasie nicht mehr hatte errichten können seit der Krieg so nah gekommen war

es geschahen aber genügend wirkliche gute und böse Dinge die ich in den Angstwehen der Bombardierungen nicht für möglich gehalten hatte schon allein während der neun Monate in denen der PRÄSIDENT gejagt wurde und verschwunden blieb während dieser eigenartigen Abwesenheits-Schwangerschaft nach deren Ablauf er sich selbst als Feigling und Maulwurf neu gebar

so

habe ich meinen Vater nach der Verschleppung Jasmins zum zweiten Mal in meinem Leben fassungslos gesehen als er berichtete wie Plünderer im Al-Kindi-Hospital die Bettgestelle und Matratzen unter schwer verletzten und sterbenden Kriegsopfern weggezogen hatten

so kam der Tag

an dem ich an der Seite meiner Mutter das Haus verlassen durfte und durch die von Trümmern und Glassplittern übersäten Straßen ging wo ich die Autos sah die eine hemmungslose Gewalt aufs Dach geschleudert hatte und den ersten Bombenkrater direkt neben einem halb zerfetzten Restaurant (ER sollte hier eingekehrt sein) und

so

tauchte ein tatsächlicher amerikanischer Panzer auf an dessen Außenseiten tarnfarbene Rucksäcke geschnallt waren und ein offener Geländewagen umringt von Kindern die nach Süßigkeiten schnappten es war ein schwarzer Soldat dabei und einer der asiatisch aussah und der Fahrer des Geländewagens erinnerte mich an eine meiner

Erfindungen

mit der ich auf dem Paradiesplatz zur Elvis-Presley-Musik getanzt hatte ein verschwitzter hübscher Junge sommersprossig mit rötlichem Haar unter dem verrutschten Helm

und so erschien

Mr Bush

auf einem Flugzeugträger vor der kalifornischen Küste auf den er sich im Pilotenkostüm von einem Jagdflieger hatte absetzen lassen (stellte mein Vater einige Tage und Zeitungsausgaben später fest solche Dinge lassen ihm keine Ruhe) unter dem riesigen Banner

MISSION ACCOMPLISHED

so betrat ich wieder unsere Schule Anfang Mai und erlebte immerhin noch dass die zerschlagenen Pulte die von den Wänden gerissenen Tafeln die eingeworfenen Fensterscheiben von der UNESCO und einer englischen Hilfsorganisation ersetzt wurden bei brütender Hitze

lernte ich meine letzten Lektionen

erstens waren Schuluniformen nicht mehr vorgeschrieben zweitens wurden morgens keine Saddam-Hymnen mehr gesungen drittens fehlte der Baath-Mann mit den Röntgenaugen mitsamt dem Direktor viertens fiel

DAS FREUNDLICHE GESPRÄCH

der künftigen Schulabgänger mit der PARTEI (Partei) aus und fünftens wurde Herr Basim der neue (provisorische) Direktor und nicht etwa Onkel Machmud wie wir es gehofft hatten und auch nicht Frau Jadallah die allerdings mehr und mehr Englisch unterrichtete und von Tag zu Tag aufrechter ging und bald schon unangenehm wurde als schriebe sie sich Postkarten mit Tony Blair persönlich dessen angstverzerrtes Gesicht

(gemeinsam mit dem von Georg Bush) hinter vier Reihen sauber aufgeklebter Plakate für längst verklungene Folklorekonzerte verschwand gemeinsam mit dem säbelschwingenden Saddam von dem man aber nicht sicher sein konnte ob er nicht bald schon mit seiner Klinge die dünn über ihn geschmierte Klebstoffschicht und das Plakatpapier durchtrennen würde um als Fedajin gegen die Amerikaner und Engländer zu reiten

der Strom fiel weiterhin aus für viele Stunden blieben die Wasserhähne trocken an den zerschabten avocadogrünen Wänden standen neue Farbeimer aber niemand öffnete ihre Deckel wir waren nur noch zwölf Schülerinnen in der Abschlussklasse die meisten entledigten sich ihrer Kopftücher sobald sie im Schulgebäude waren aber vier behielten die Abayas an wofür Huda sie angespuckt hätte aber selbst für ihre Spucke und Wut ist der Weg bis in den Libanon zu weit sie

fehlt mir mehr als Eren ich war

zum ersten Mal wütend auf ihre Mutter Schiruk die wie immer alles (die Flucht vor Beginn des Krieges) bestens organisiert hatte und wie die anderen Direktoren des Nationalmuseums alle nicht rechtzeitig in den Depots versteckten Schätze der Obhut einiger hilfloser kleiner Angestellter und somit den Plünderern überließ