»Bitte«, flehe ich.
Er lässt mich zurück aufs Bett sinken und liegt auf mir, die Hände neben meinen Brüsten aufgestützt, und stößt wild und ungestüm zu. Als die Musik ihren Höhepunkt erreicht, bin ich plötzlich schwerelos … stürze im freien Fall … geradewegs in den intensivsten, qualvollsten Orgasmus hinein, den ich je erlebt habe … Augenblicke später folgt mir Christian … noch drei weitere Stöße, dann verharrt auch er abrupt, ehe er über mir zusammensackt.
Als ich allmählich wieder zu Bewusstsein komme, zieht er sich aus mir zurück. Die Musik ist verklungen. Ich spüre, wie er die Ledermanschette um mein rechtes Handgelenk löst. Ich keuche auf, als meine Hand endlich befreit ist. Eilig macht er sich an der linken Manschette zu schaffen, zieht mir behutsam die Maske vom Gesicht und nimmt die Ohrstöpsel heraus. Ich blinzle im weichen Dämmerlicht und sehe ihn an, in seine durchdringenden grauen Augen.
»Hi«, sagt er leise.
»Hi«, hauche ich schüchtern.
Seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. Er beugt sich vor und küsst mich zärtlich.
»Gut gemacht«, raunt er. »Dreh dich um.«
O Gott – was hat er jetzt vor? Ein weicher Ausdruck tritt in seine Augen.
»Ich will nur deine Schultern massieren.«
»Oh, okay.«
Steif drehe ich mich auf den Bauch. Ich bin völlig erledigt. Christian setzt sich rittlings auf mich und massiert mit geübten Bewegungen meine Schultern.
»Was war das für eine Musik?«, murmle ich, doch die Worte wollen kaum über meine Lippen kommen.
»Das Stück heißt Spem in Alium und ist eine vierzigstimmige Motette von Thomas Tallis.«
»Es war … absolut überwältigend.«
»Ich wollte schon immer mal dazu vögeln.«
»Also eine weitere Premiere für Sie, Mr. Grey?«
»Allerdings.«
»Für mich war es auch das erste Mal, dass ich dazu gevögelt habe«, erwidere ich schläfrig.
»Hm, wir werden einander noch viele weitere Premieren schenken, du und ich«, sagt er mit sachlicher Stimme.
»Was habe ich im Schlaf gesagt, Chris… äh, Mr. Grey?«
Seine Hände verharren einen Moment reglos auf meiner Haut.
»Viele Dinge, Anastasia. Du hast von Käfigen und Erdbeeren gesprochen, davon, dass du mehr willst und dass du mich vermisst.«
Gütiger Gott, ich danke dir.
»Ist das alles?«, frage ich mit unüberhörbarer Erleichterung.
Christian beendet seine himmlische Massage, legt sich neben mich, stützt den Kopf auf den Ellbogen und mustert mich mit gerunzelter Stirn. »Was dachtest du denn, was du gesagt hast?«
Mist.
»Dass ich dich für einen potthässlichen, arroganten Mistkerl halte, der noch dazu schlecht im Bett ist.«
Die Furchen auf seiner Stirn vertiefen sich. »Tja, all das bin ich natürlich. Aber jetzt haben Sie meine Neugier endgültig geweckt, Miss Steele. Was verbergen Sie vor mir?«
Ich blinzle unschuldig. »Gar nichts.«
»Du bist eine hoffnungslos schlechte Lügnerin, Anastasia.«
»Ich dachte, Sie wollten mich nach dem Sex grundsätzlich zum Lachen bringen, Mr. Grey. Aber so wird Ihnen das wohl kaum gelingen.«
Ein Lächeln spielt um seine Mundwinkel. »Leider kann ich keine Witze erzählen.«
»Es gibt also allen Ernstes etwas, was Sie nicht können, Mr. Grey?« Ich grinse ihn an, und er grinst zurück.
»Ja. Ich bin ein hoffnungslos schlechter Witzeerzähler.« Er scheint so stolz darauf zu sein, dass ich unwillkürlich kichern muss.
»Ich auch.«
»Ich liebe es, dieses Kichern zu hören«, sagt er leise, beugt sich vor und küsst mich. »Und du verbirgst etwas vor mir, Anastasia. Vielleicht muss ich dich ja foltern, damit du es mir verrätst.«
SECHSUNDZWANZIG
Ich schrecke aus dem Schlaf. Soweit ich mich erinnere, bin ich im Traum eine dunkle Treppe hinuntergefallen. Einen Moment lang sitze ich kerzengerade im Bett und habe keine Ahnung, wo ich bin. Etwas hat mich geweckt, irgendein Gedanke, der mir keine Ruhe lässt. Ich werfe einen Blick auf den Wecker auf seinem Nachttisch. Es ist fünf Uhr morgens, trotzdem fühle ich mich frisch und ausgeruht. Wie ist das möglich? Ach ja – der Zeitunterschied. In Georgia ist es acht Uhr morgens. Verdammt … ich muss meine Pille nehmen. Ich kann froh sein, dass mich etwas aus dem Schlaf gerissen hat, was auch immer es gewesen sein mag. Leise Musik weht heran. Christian spielt offenbar Klavier. Das darf ich mir nicht entgehen lassen. Ich liebe es, ihm beim Spielen zuzusehen. Ich stehe auf, schnappe meinen Bademantel und folge leise den traurigen, melodischen Klängen ins Wohnzimmer.
Christian sitzt inmitten einer Blase aus Licht in dem ansonsten stockdunklen Raum. Einzelne Strähnen seines dichten Haars schimmern in einem leuchtenden Kupferrot. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre er nackt, aber ich weiß, dass er seine Pyjamahose trägt. Er wirkt konzentriert, vollkommen versunken in der Schönheit der melancholischen Musik. Zögernd bleibe ich stehen und sehe ihm aus der Ferne zu, will ihn nicht stören. Wie gern würde ich ihn jetzt in den Armen halten. Er sieht so verloren aus, regelrecht traurig und unsäglich einsam – aber vielleicht liegt es auch nur an der kummervollen Musik. Er kommt zum Ende, hält für den Bruchteil einer Sekunde inne, dann fängt er noch einmal von vorn an. Vorsichtig trete ich auf ihn zu, angezogen wie eine Motte vom Licht … bei dem Gedanken muss ich lächeln. Er sieht auf und runzelt die Stirn, dann heftet sich sein Blick wieder auf seine Hände.
Mist. Ist er sauer, weil ich ihn störe?
»Du solltest doch schlafen«, sagt er mit mildem Tadel.
Ich sehe ihm an, dass ihn irgendetwas beschäftigt.
»Du auch«, gebe ich, nicht ganz so milde, zurück.
Wieder hebt er den Kopf. Ein leises Lächeln spielt um seine Mundwinkel. »Schimpfen Sie etwa mit mir, Miss Steele?«
»Ja, Mr. Grey, genau das tue ich.«
»Tja, ich kann nicht schlafen.« Wieder schleicht sich ein Anflug von Verärgerung oder Frustration auf seine Züge. Hat es etwas mit mir zu tun? Wohl kaum.
Ich beschließe, seinen Unmut nicht zu beachten, und setze mich tapfer neben ihn auf den Klavierstuhl, lege meinen Kopf auf seine nackte Schulter und sehe zu, wie seine langen Finger über die Tasten gleiten.
»Was war das?«, frage ich ihn leise.
»Chopin. Prelude, Opus 28. In E-Dur, falls es dich interessieren sollte.«
»Mich interessiert alles, was du tust.«
Er wendet sich mir zu und drückt mir einen Kuss aufs Haar. »Ich wollte dich nicht wecken.«
»Das hast du nicht. Spiel noch einmal das andere.«
»Welches?«
»Das Bach-Stück, das du gespielt hast, als ich das erste Mal über Nacht hiergeblieben bin.«
»Oh, der Marcello.«
Er beginnt zu spielen, langsam und voller Hingabe. Ich spüre die Bewegung seiner Finger in seinen Schultern und schließe die Augen. Die beseelten Noten schweben durch den Raum, langsam und voller Trauer hallen sie von den Wänden wider. Es ist ein Stück von qualvoller Schönheit, noch trauriger als der Chopin, und ich verliere mich in den klagenden Tönen. In gewisser Weise spiegelt das Stück meine eigene Verfassung wider, meine Empfindungen – die tiefe, brennende Sehnsucht, diesen außergewöhnlichen Mann besser kennen zu lernen, seine Traurigkeit besser zu verstehen. Viel zu schnell endet das Stück.