»Wieso spielst du immer nur so traurige Sachen?«
Ich setze mich auf und sehe ihn an, doch er zuckt nur mit den Schultern. Auf seinem Gesicht liegt ein argwöhnischer Ausdruck.
»Du hast also mit sechs Jahren angefangen, Klavier zu spielen, ja?«, sage ich.
Er nickt, während sich der Argwohn in seinem Blick verstärkt. »Ich wollte unbedingt Klavierspielen lernen, um meiner neuen Mutter eine Freude zu machen.«
»Um in diese perfekte Familie zu passen?«
»Ja, gewissermaßen«, antwortet er ausweichend. »Wieso bist du aufgewacht? Musst du dich nicht von den gestrigen Strapazen erholen?«
»Für mich ist es acht Uhr früh. Außerdem muss ich meine Pille nehmen.«
Er hebt erstaunt die Brauen. »Gut, dass du daran gedacht hast«, sagt er, sichtlich beeindruckt. »Typisch für dich, ausgerechnet dann mit der Pille anzufangen, wenn du in einer anderen Zeitzone bist. Vielleicht solltest du einfach heute und morgen eine halbe Stunde warten, damit du zu einer halbwegs annehmbaren Uhrzeit gelangst.«
»Gute Idee. Und was machen wir in dieser halben Stunde?«, frage ich unschuldig.
»Mir würde da so einiges einfallen.« Er grinst lüstern.
Ich bemühe mich um eine ausdruckslose Miene, doch ich spüre, wie sich die Muskeln in meinem Unterleib zusammenziehen und ich unter seinem wissenden Blick zerfließe.
»Wir könnten uns natürlich auch unterhalten«, schlage ich vor.
Er runzelt die Stirn. »Das, was ich im Sinn habe, wäre mir lieber.« Er zieht mich auf seinen Schoß.
»Du würdest Sex grundsätzlich einem Gespräch vorziehen.« Ich muss lachen und lege Halt suchend die Hände um seine Oberarme.
»Das stimmt. Vor allem mit dir.« Er beginnt, sich mit einer Reihe von Küssen von meinem Ohr zu meinem Hals vorzuarbeiten. »Vielleicht ja sogar auf dem Klavier.«
O Mann. Allein beim Gedanken daran wird mir ganz anders. Auf dem Klavier. Wow.
»Nur eines muss ich wissen«, flüstere ich, als mein Puls sich beschleunigt und meine innere Göttin die Augen schließt und sich seinen Küssen hingibt.
Er hält für einen kurzen Moment inne, ehe er zur nächsten Runde seines sinnlichen Angriffs übergeht.
»Immer auf der Jagd nach Informationen, Miss Steele. Was ist es denn diesmal?«
Ich spüre seine Lippen an meinem Hals, die sanften Küsse, mit denen er ihn liebkost.
»Es geht um uns.«
»Hm. Und was ist mit uns?« Er unterbricht seine Wanderschaft.
»Der Vertrag.«
Ich sehe die Belustigung in seinen Augen, als er den Kopf hebt. Seufzend streicht er mit der Fingerspitze über meine Wange.
»Also, ich finde, der Vertrag ist irrelevant, du nicht auch?« Seine Stimme ist ganz leise und rauchig, seine Augen sanft.
»Irrelevant?«
»Irrelevant.« Er lächelt.
Ich sehe ihn fragend an. »Aber du warst doch so versessen darauf, dass wir ihn abschließen.«
»Das war vorher. Außerdem gilt das ja nicht für die Regeln an sich. Die bleiben bestehen.« Seine Züge verhärten sich kaum merklich.
»Vorher? Vor was?«
»Vor …« Er hält inne. Wieder erkenne ich den Argwohn auf seiner Miene. »Vor dem Mehr.« Er zuckt mit den Schultern.
»Oh.«
»Außerdem waren wir inzwischen zweimal in meinem Spielzimmer, und du bist immer noch nicht schreiend davongelaufen.«
»Hast du denn damit gerechnet, dass ich es tun würde?«
»Du bist die Unberechenbarkeit in Person, Anastasia«, gibt er trocken zurück.
»Okay, nur damit ich es richtig verstehe – du willst, dass ich mich die ganze Zeit über an die Regeln halte, die im Vertrag stehen, aber der Rest hat keine Gültigkeit?«
»Nur im Spielzimmer. Ich will, dass du dich dort im Sinne des Vertrags verhältst. Und du siehst es völlig richtig: Ich will auch, dass du die Regeln befolgst – und zwar ständig. Auf diese Weise kann ich sicher sein, dass dir nichts passiert. Und ich kann dich jederzeit haben, wenn mir der Sinn danach steht.«
»Und wenn ich gegen eine der Regeln verstoße?«
»Dann werde ich dich bestrafen.«
»Aber dafür brauchst du meine Erlaubnis nicht?«
»Doch.«
»Und wenn ich Nein sage?«
Er sieht mich einen Moment lang verwirrt an. »Wenn du Nein sagst, sagst du Nein. Dann muss ich mir eben Mittel und Wege überlegen, wie ich dich überzeugen kann.«
Ich löse mich von ihm und stehe auf. Ich brauche etwas Abstand.
Wieder liegt dieser argwöhnische Ausdruck in seinen Augen.
»Die Bestrafung bleibt also.«
»Ja, aber nur, wenn du gegen die Regeln verstößt.«
»Ich muss sie mir noch einmal durchlesen«, sage ich und versuche, mir die Details in Erinnerung zu rufen.
»Ich werde sie dir holen«, erwidert er in geschäftsmäßigem Tonfall.
Hoppla. Im Handumdrehen ist aus unserem harmlosen Geplänkel eine todernste Sache geworden. Er steht auf und verschwindet in seinem Arbeitszimmer. Meine Kopfhaut prickelt. Ich brauche dringend eine Tasse Tee. Du liebe Güte, es ist Viertel vor sechs Uhr morgens, und wir diskutieren über die Zukunft unserer sogenannten Beziehung, obwohl er augenscheinlich völlig andere Sorgen hat. Ist das wirklich klug? Ich gehe in die Küche, mache das Licht an und setze den Wasserkessel auf. Meine Pille! Eilig krame ich das Päckchen aus meiner Handtasche, die immer noch auf der Frühstückstheke steht, und schlucke eine davon. Christian kehrt zurück, setzt sich auf einen der Barhocker und mustert mich eindringlich.
»Hier, bitte.« Er schiebt mir ein bedrucktes Blatt Papier zu. Mir fällt auf, dass einige Passagen durchgestrichen sind.
REGELN
Gehorsam:
Die Sub befolgt sämtliche Anweisungen des Dom, ohne zu zögern, vorbehaltlos und umgehend. Die Sub stimmt allen sexuellen Aktivitäten, die der Dom als angemessen und angenehm erachtet, ausgenommen die in Abschnitt »Hard Limits« aufgeführten (Anhang 2), zu. Sie tut dies bereitwillig und ohne Zögern.
Schlaf:
Die Sub stellt sicher, dass sie pro Nacht mindestens acht Stunden schläft, wenn sie nicht mit dem Dom zusammen ist.
Kleidung:
Innerhalb der Vertragsdauer trägt die Sub ausschließlich vom Dom genehmigte Kleidung. Der Dom stellt der Sub ein Budget für Kleidung zur Verfügung, das die Sub nutzt. Der Dom begleitet die Sub ad hoc beim Kleiderkauf. Wenn der Dom das wünscht, trägt die Sub während der Vertragsdauer von ihm ausgewählten Schmuck, in Gegenwart des Dom und zu allen anderen Zeiten, die der Dom für angemessen hält.
Körperliche Ertüchtigung:
Der Dom stellt der Sub einen Personal Trainer
Hygiene/Schönheit:
Die Sub ist zu allen Zeiten sauber und rasiert und/oder gewaxt. Die Sub sucht zu Zeiten, die der Dom bestimmt, einen Kosmetiksalon auf, den der Dom auswählt, um sich Behandlungen zu unterziehen, die der Dom für angemessen hält. Sämtliche Kosten übernimmt der Dom.
Persönliche Sicherheit:
Die Sub unterlässt übermäßigen Alkoholkonsum, raucht nicht, nimmt keine Partydrogen und begibt sich nicht in unnötige Gefahr.
Persönliches Verhalten:
Die Sub lässt sich auf keine sexuellen Aktivitäten mit anderen als dem Dom ein. Das Verhalten der Sub ist zu allen Zeiten respektvoll und züchtig. Ihr muss klar sein, dass ihr Benehmen auf den Dom zurückfällt. Sie muss sich für sämtliche Missetaten und Verfehlungen verantworten, derer sie sich in Abwesenheit des Dom schuldig macht.
Ein Verstoß gegen irgendeine der oben aufgeführten Vereinbarungen hat sofortige Bestrafung zur Folge, deren Art durch den Dom festgelegt wird.
»Also gilt der Punkt Gehorsam nach wie vor?«