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Christian telefoniert. Er trägt schwarze Jeans und ein T-Shirt und ist barfuß.

»Was hat er gesagt?«, schreit er so laut, dass ich zusammenzucke. »Er hätte uns verdammt nochmal die Scheißwahrheit sagen können. Wie ist seine Nummer? Ich muss ihn anrufen. Welch, das Ganze ist eine einzige riesige Katastrophe. Findet sie.« Er hebt den Kopf und mustert mich mit düsterem Blick.

Ich gehe zur Couch, sorgsam darauf bedacht, ihn nicht zu beachten. Ich nehme den Mac aus meinem Rucksack, trage ihn in die Küche und stelle ihn vorsichtig auf dem Tresen ab, gemeinsam mit dem BlackBerry und den Wagenschlüsseln. Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass er mich mit entsetzter Miene anstarrt.

»Ich brauche das Geld, das Taylor für Wanda bekommen hat.« Meine Stimme ist ruhig und klar und völlig emotionslos … ziemlich ungewöhnlich für mich.

»Ana, ich will die Sachen nicht. Sie gehören dir.« Er sieht mich ungläubig an. »Nimm sie.«

»Nein, Christian. Ich habe sie nur angenommen, weil du darauf bestanden hast. Und ich will sie nicht mehr.«

»Ana, sei doch vernünftig.« Selbst jetzt besitzt er noch die Stirn, mich zu tadeln.

»Ich will nichts, was mich an dich erinnert. Ich brauche nur das Geld, das Taylor für meinen Wagen bekommen hat.« Meine Stimme ist monoton.

»Willst du mich so sehr kränken?«, fragt er.

»Nein.« Ich runzle die Stirn. Natürlich nicht … ich liebe dich. »Das will ich nicht. Ich versuche nur, mich selbst zu schützen«, flüstere ich. Weil du mich nicht in derselben Art und Weise willst wie ich dich.

»Bitte, Ana, nimm die Sachen.«

»Christian, ich will mich nicht streiten. Ich brauche nur das Geld.«

Er sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an, aber davon lasse ich mich nicht länger einschüchtern. Na ja, ein kleines bisschen vielleicht. Ich erwidere seinen Blick mit ausdrucksloser Miene.

»Nimmst du auch einen Scheck?«, fragt er bissig.

»Ja. Er wird schon nicht platzen.«

Er lächelt nicht, sondern macht auf dem Absatz kehrt und geht in sein Arbeitszimmer. Ich lasse ein letztes Mal den Blick durchs Wohnzimmer schweifen – über die Kunstwerke an den Wänden, allesamt abstrakt, von heiterer Gelassenheit, kühl … ja, regelrecht kalt. Wie passend, denke ich. Mein Blick bleibt am Klavier hängen. O Gott, hätte ich vorhin den Mund gehalten, hätten wir uns auf diesem Klavier geliebt. Nein, wir hätten gevögelt. Wir hätten auf dem Klavier gevögelt. Nur für mich wäre es mit einem Gefühl der Liebe verbunden gewesen. Der traurige Gedanke legt sich schwer auf meine Seele und das, was von meinem Herz noch übrig ist. Er hat nie mit mir geschlafen. Für ihn war es immer nur Ficken.

Christian kehrt zurück und reicht mir einen Umschlag.

»Taylor hat einen guten Preis dafür bekommen. Der Wagen ist ein Klassiker. Du kannst ihn gern fragen. Er wird dich nach Hause fahren«, sagt er und nickt in Richtung Diele.

Ich drehe mich um. Taylor steht, wie immer makellos in seinem Anzug, im Türrahmen.

»Nicht nötig. Ich komme schon allein nach Hause, danke.«

Als ich mich wieder Christian zuwende, sehe ich die mühsam gezügelte Wut in seinen Augen flackern.

»Musst du mir bei allem widersprechen?«

»Weshalb ausgerechnet jetzt mit einer lebenslangen Gewohnheit brechen?«, gebe ich mit einem angedeuteten entschuldigenden Achselzucken zurück.

Frustriert schließt er die Augen und fährt sich mit der Hand durchs Haar. »Bitte, Ana, lass dich von Taylor nach Hause bringen.«

»Ich hole den Wagen, Miss Steele«, erklärt Taylor bestimmt.

Christian nickt ihm zu, und ich höre Taylor gehen.

Christian und mich trennen nicht einmal anderthalb Meter. Er tritt vor. Instinktiv weiche ich zurück. Er bleibt stehen. Seine Qual ist förmlich mit Händen greifbar. Seine grauen Augen glühen.

»Ich will nicht, dass du gehst«, sagt er mit sehnsuchtsvoller Stimme.

»Ich kann aber nicht bleiben. Ich weiß, was ich brauche, und du kannst es mir nicht geben. Und ich kann dir nicht geben, was du brauchst.«

Er tritt noch einen Schritt vor.

Ich hebe abwehrend die Hände. »Nicht. Bitte.« Ich weiche abermals zurück. Ich kann unmöglich zulassen, dass er mich jetzt berührt. Es würde mich umbringen. »Ich kann das nicht.«

Ich nehme meinen Koffer und meinen Rucksack und gehe hinaus. Er folgt mir, wenn auch mit einigem Abstand. Er drückt den Aufzugknopf, und als die Türen aufgleiten, steige ich ein.

»Auf Wiedersehen, Christian«, sage ich leise.

»Ana, auf Wiedersehen.« Seine Stimme ist nur noch ein leises Flüstern. Er ist am Boden zerstört, voll unbeschreiblichem Schmerz und Qualen – ein perfektes Spiegelbild dessen, wie ich mich fühle.

Ich zwinge mich, den Blick abzuwenden und wegzusehen, bevor ich es mir anders überlegen kann und versuchen würde, ihn zu trösten.

Die Türen schließen sich, und der Aufzug setzt sich in Bewegung und bringt mich hinab in die Eingeweide des Gebäudes und in meine eigene Hölle.

Taylor hält mir die Tür auf. Ich setze mich auf den Rücksitz, sorgsam darauf bedacht, ihm nicht in die Augen zu sehen. Eine Woge der Verlegenheit und der Scham erfasst mich. Ich habe versagt. Auf der ganzen Linie. Ich hatte gehofft, Christian auf die helle Seite des Lebens ziehen zu können, doch ich muss mir eingestehen, dass diese Aufgabe meine dürftigen Fähigkeiten übersteigt. Verzweifelt ringe ich darum, nicht von meinen Gefühlen übermannt zu werden. Als wir die Fourth Avenue entlangfahren, starre ich aus dem Fenster, ohne etwas zu erkennen, während mir das Ausmaß dessen, was ich gerade getan habe, allmählich bewusst wird. Ich habe ihn verlassen. Scheiße! Den einzigen Mann, den ich je geliebt habe. Den einzigen Mann, mit dem ich je geschlafen habe. Ich schnappe nach Luft, als sich der Schmerz durch mein Inneres bohrt und sämtliche Dämme brechen. Tränen strömen mir ungehindert übers Gesicht, die ich zornig mit der Hand fortwische. Ich krame meine Sonnenbrille aus der Handtasche. Als wir an einer Ampel anhalten, reicht Taylor mir ein weißes Leinentaschentuch. Er sagt nichts, sieht noch nicht einmal in meine Richtung. Dankbar nehme ich es entgegen.

»Danke«, murmle ich. Diese winzige diskrete Geste gibt mir endgültig den Rest. Ich lasse mich auf dem luxuriösen Sitz zurücksinken und weine hemmungslos.

Das Apartment ist leer und fremd. Ich wohne noch nicht lange genug hier, als dass es ein echtes Zuhause wäre. Ich gehe geradewegs in mein Zimmer. Über dem Bettpfosten schwebt, schlaff und traurig, der Luftballon. Charlie Tango. Er sieht so aus, wie ich mich fühle. Wütend zerre ich an der Schnur, reiße ihn ab und drücke ihn an mich. Was habe ich nur getan?

Ich lasse mich aufs Bett fallen, vollständig bekleidet und mit Schuhen. Der Schmerz ist unbeschreiblich – körperlich, psychisch … metaphysisch … Er ist überall, breitet sich in jeder Zelle meines Körpers aus und dringt bis ins Mark. Kummer. Unsägliche Seelenqual. Und ich bin selbst schuld daran. Ganz tief in meinem Innern formt sich ein hässlicher Gedanke, von meiner inneren Göttin, deren Mund zu einem hämischen Grinsen verzogen ist: Der körperliche Schmerz vom Hieb eines Gürtels ist nichts im Vergleich zu der Seelenqual, die ich gerade durchleide. Ich rolle mich zusammen, den halb leeren Luftballon und Taylors Taschentuch an meine Brust gepresst, und gebe mich ungeniert meinem Schmerz hin.

DANK

Dank an alle für ihre Hilfe und Unterstützung:

Meinem Mann Niall dafür, dass er meine Obsession toleriert, im Haushalt göttliche Qualitäten beweist und sich mit der ersten Überarbeitung dieses Romans herumgeschlagen hat.

Meiner Chefin Lisa dafür, dass sie mich im vergangenen Jahr ertragen hat, als ich in diesen Wahnsinn vertieft war.