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Wo steckst du, Ana?

Verdammt, Ana!

Ich wähle Kates Nummer. Als sie sich nicht meldet, hinterlasse ich eine Nachricht, in der ich ihr mit schlechtem Gewissen mitteile, dass ich lebe und nicht Opfer von Blaubart geworden bin, jedenfalls nicht so, wie sie denkt – oder vielleicht doch? Gott, ist das alles verwirrend. Ich muss dringend meine Gefühle für Christian Grey sortieren, doch die Aufgabe überfordert mich im Moment. Ich schüttle resigniert den Kopf. Ich brauche Zeit für mich allein, zum Nachdenken.

In meiner Tasche finde ich zwei Haarbänder. Ich binde mir Zöpfe. Ja! Je mädchenhafter ich aussehe, desto sicherer bin ich hoffentlich vor Blaubart. Ich nehme meinen iPod aus der Handtasche und stecke meine Stöpsel ins Ohr. Beim Kochen gibt es nichts Besseres als Musik. Ich verstaue den iPod in der Brusttasche von Christians Hemd, stelle ihn laut und beginne zu tanzen.

Meine Güte, hab ich einen Kohldampf!

Seine moderne Küche flößt mir Respekt ein. Keiner der Schränke hat Griffe. Ich brauche ein paar Sekunden, bis ich den Dreh raus habe: Zum Öffnen muss man dagegendrücken. Ich werde für Christian Frühstück machen. Gestern im Heathman hat er ein Omelett gegessen … Mann, wie viel seitdem passiert ist! Ich schaue in den Kühlschrank, entdecke darin jede Menge Eier und merke, dass ich Lust auf Pfannkuchen und Speck habe. Während ich den Teig zubereite, tanze ich durch die Küche.

Beschäftigung tut gut. Die dröhnende Musik hilft mir, tiefgründige Gedanken zu verscheuchen. Ich bin hierhergekommen, um die Nacht in Christian Greys Bett zu verbringen. Und das ist mir gelungen, obwohl er normalerweise niemanden in sein Bett lässt. Mission erfüllt. Und zwar auf elegante Weise. Bei der Erinnerung an letzte Nacht lächle ich. Seine Worte, sein Körper, der Sex … Ich schließe die Augen, und die Muskeln in meinem Unterleib ziehen sich auf köstliche Weise zusammen. Mein Unterbewusstsein korrigiert mich finster … Ficken, nicht einfach Sex, kreischt es. Ich ignoriere es, obwohl ich in meinem tiefsten Innern weiß, dass es Recht hat. Stattdessen konzentriere ich mich aufs Kochen.

Nach einer Weile glaube ich zu verstehen, wie der ultramoderne Herd funktioniert. Amy Studt singt unterdessen von Außenseitern. Der Song bedeutet mir viel, weil ich auch nirgendwo hinpasse. Ich bin immer schon irgendwie schräg gewesen, und jetzt werde ich mit einem ausgesprochen schrägen und unmoralischen Angebot konfrontiert. Warum ist er so? Ist das angeboren oder anerzogen?

Ich gebe den Speck in die Pfanne, und während er vor sich hin brutzelt, schlage ich mit dem Schneebesen die Eier. Als ich mich umdrehe, sitzt Christian auf einem der Barhocker an der Frühstückstheke, den Kopf auf seine Hände gestützt. Er trägt noch das T-Shirt, in dem er geschlafen hat. Ihm stehen die postkoitalen Haare ziemlich gut, genau wie der Dreitagebart. Er wirkt belustigt und verwirrt zugleich. Ich ziehe die Stöpsel aus den Ohren.

»Guten Morgen, Miss Steele. Ganz schön munter so früh am Morgen«, bemerkt er trocken.

»Ich … äh, ich habe gut geschlafen«, stammle ich.

Er versucht, sein Lächeln zu kaschieren. »Soso. Ich auch, nachdem ich mich wieder ins Bett gelegt hatte.«

»Hunger?«

»Riesenhunger«, antwortet er mit einem intensiven Blick, und ich habe den Eindruck, dass er nicht das Frühstück meint.

»Pfannkuchen, Speck und Eier?«

»Klingt verlockend.«

»Ich weiß nicht, wo du die Tischsets aufbewahrst.« Ich bemühe mich sehr, nicht allzu nervös zu wirken.

»Darum kümmere ich mich schon. Koch du. Soll ich Musik auflegen, damit du weiter … tanzen kannst?«

Ich starre meine Finger an, als ich merke, dass ich feuerrot werde.

»Meinetwegen musst du nicht aufhören. Ich finde es sehr unterhaltsam.«

Ich schürze die Lippen. Unterhaltsam, aha. Mein Unterbewusstsein lacht sich schlapp über mich. Ich wende mich von Christian ab, um die Eier fertig zu schlagen, möglicherweise ein wenig heftiger als unbedingt nötig. Sogleich gesellt er sich zu mir und zieht sanft an meinen Zöpfen.

»Die Zöpfe gefallen mir«, flüstert er. »Aber sie werden dich nicht schützen.« Hm, Blaubart …

»Wie möchtest du deine Eier?«, frage ich in scharfem Tonfall.

Er grinst. »Am liebsten windelweich.«

Ich unterdrücke ein Schmunzeln. Lange kann ich ihm nicht böse sein. Besonders, wenn er in so verspielter Stimmung ist. Er nimmt zwei anthrazitfarbene Sets aus einer Schublade. Ich gebe die Eier in eine Pfanne und wende den Speck.

Als ich mich umdrehe, steht Orangensaft auf dem Tisch, und Christian kocht Kaffee.

»Möchtest du Tee?«

»Ja, bitte. Wenn du welchen hast.«

Ich hole zwei Teller aus dem Schrank und schiebe sie zum Wärmen in den Ofen. Christian zaubert unterdessen Twinings English Breakfast Tea hervor.

Ich schürze die Lippen. »Ich bin ziemlich durchschaubar, was?«

»Meinst du? Ich weiß nicht, ob ich Sie schon durchschaut habe, Miss Steele«, murmelt er.

Was meint er? Unsere Verhandlungen? Unsere … äh … Beziehung … wie immer die auch aussehen mag? Er ist mir nach wie vor ein Rätsel. Ich gebe das Essen auf die warmen Teller und stelle alles auf die Sets. Im Kühlschrank finde ich Ahornsirup.

Christian wartet, dass ich mich setze.

»Miss Steele.« Er deutet auf einen der Barhocker.

»Mr. Grey.« Ich nicke und klettere auf den Hocker. Dabei zucke ich leicht zusammen.

»Wie wund bist du?«, erkundigt er sich, während er selbst Platz nimmt.

Ich werde abermals rot. Warum stellt er so intime Fragen?

»Ehrlich gesagt, habe ich keine Vergleichsmöglichkeiten. Wolltest du mir dein Mitleid bekunden?«, frage ich mit zuckersüßer Stimme.

»Nein. Ich habe nur überlegt, ob wir mit deiner Grundausbildung weitermachen sollen.«

»Ach.« Ich sehe ihn verblüfft an. Mir stockt der Atem, und die Muskeln in meinem Unterleib ziehen sich zusammen. Was für verlockende Aussichten!

»Iss, Anastasia.«

Wieder vergeht mir der Appetit auf Essbares, aber auf Sex  … hm, ja bitte.

»Es schmeckt übrigens köstlich«, bemerkt er grinsend.

Ich probiere von dem Omelett, schmecke jedoch kaum etwas. Grundausbildung! Ich will deinen Mund ficken. Gehört das zur Grundausbildung?

»Kau nicht ständig auf deiner Lippe. Das lenkt mich ab. Außerdem weiß ich, dass du unter meinem Hemd nichts anhast, und das lenkt mich noch mehr ab.«

Ich hänge meinen Teebeutel in die kleine Kanne, die Christian mir hingestellt hat. In meinem Kopf wirbeln die Gedanken durcheinander.

»Was für eine Grundausbildung hast du im Sinn?«, will ich mit etwas zu hoher Stimme wissen, während die Hormone in meinem Körper Purzelbäume schlagen.

»Da du unten wund bist, dachte ich, wir sollten uns auf die mündlichen Fertigkeiten konzentrieren.«

Da ich mich an meinem Tee verschlucke, klopft er mir auf den Rücken und reicht mir ein Glas Orangensaft.

»Vorausgesetzt, du willst bleiben«, fügt er hinzu.

»Heute würde ich gern noch bleiben. Wenn dir das recht ist. Aber morgen muss ich arbeiten.«

»Um wie viel Uhr musst du in der Arbeit sein?«

»Um neun.«

»Ich bringe dich bis neun hin.«

Soll ich noch eine Nacht bleiben?

»Ich muss heute Abend nach Hause – ich brauche frische Kleidung.«

»Die können wir dir auch hier besorgen.«

Ich habe kein Geld für neue Klamotten.

Seine Hand umfasst mein Kinn so fest, dass ich aufhöre, an meiner Lippe zu kauen. »Was ist?«, fragt er.

»Ich muss heute Abend zuhause sein.«

Er presst den Mund zusammen. »Okay, dann also heute Abend«, sagt er schließlich. »Und jetzt iss.«

Meine Gedanken und mein Magen sind völlig durcheinander, der Appetit ist mir vergangen. Ich starre mein kaum angetastetes Frühstück an.

»Iss, Anastasia. Du hast seit gestern Abend nichts gegessen.«