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»Ich habe gerade die landwirtschaftliche Abteilung der Washington State in Vancouver besucht, weil ich deren Forschungsarbeit über Bodenbeschaffenheit und wechselnde Bewirtschaftung von Feldern finanziell unterstütze«, erklärt er sachlich.

Siehst du? Er ist nicht deinetwegen da, spottet mein Unterbewusstsein, ziemlich laut und schadenfroh.

»Gehört das auch zu Ihrem Welternährungsprogramm?«, erkundige ich mich.

»So ähnlich.« Seine Lippen verziehen sich zu einem leichten Lächeln.

Er betrachtet die Auswahl an Kabelbindern, die Clayton’s zu bieten hat. Was will er bloß mit denen? Ich kann ihn mir nicht als Heimwerker vorstellen. Seine Finger gleiten über die Packungen, er bückt sich und wählt eine aus.

»Die da«, sagt er.

»Brauchen Sie sonst noch etwas?«

»Ja, Kreppband.«

Kreppband?

»Wollen Sie malern?«, platze ich heraus. Bestimmt erledigen das Handwerker für ihn.

»Nein, das will ich nicht«, antwortet er mit einem süffisanten Grinsen.

Ich habe das bittere Gefühl, dass er sich über mich lustig macht. Findet er mich komisch? Oder sehe ich irgendwie merkwürdig aus?

»Hier entlang«, nuschle ich verlegen. »Das Kreppband ist bei den Malersachen.«

»Arbeiten Sie schon lange hier?«, will er wissen.

Wieder werde ich rot. Warum, verdammt, übt er eine solche Wirkung auf mich aus? Ich komme mir wie eine Vierzehnjährige vor – linkisch wie immer und fehl am Platz. Augen geradeaus, Steele!

»Seit vier Jahren«, murmle ich, als wir unser Ziel erreichen und ich zwei Rollen mit unterschiedlich breitem Kreppband aus dem Regal hole.

»Das da«, sagt Grey und deutet auf das breitere.

Ich reiche es ihm. Dabei berühren sich unsere Finger kurz – wieder dieses Knistern. Ich schnappe nach Luft, als ich spüre, wie sich alles in meinem Bauch zusammenzieht. Verzweifelt versuche ich, meine Fassung wiederzuerlangen.

»Darf es sonst noch etwas sein?«, hauche ich.

Seine Pupillen weiten sich ein wenig. »Ein Seil, denke ich.« Seine Stimme klingt genauso kehlig wie meine.

»Hier entlang.« Ich gehe mit gesenktem Kopf voran. »Was genau haben Sie sich vorgestellt? Wir haben Seile aus synthetischen und aus natürlichen Fasern … Taue … Kordeln …« Ich verstumme, als ich merke, wie seine Augen dunkler werden. Hilfe!

»Fünf Meter von dem Naturfaserseil, bitte.«

Mit zitternden Fingern messe ich fünf Meter ab. Dabei wage ich nicht, ihn anzusehen. Herrgott, sehr viel nervöser könnte ich nicht sein. Ich ziehe mein Teppichmesser aus der Gesäßtasche meiner Jeans, schneide das Seil ab, rolle es auf und verschlinge es zu einem Schlippstek. Wie durch ein Wunder gelingt es mir, mir dabei nicht in den Finger zu schneiden.

»Waren Sie mal bei den Pfadfindern?«, fragt er, die sinnlichen Lippen belustigt verzogen.

Schau nicht auf seinen Mund!

»Organisierte Gruppenaktivitäten sind nicht so mein Ding, Mr. Grey.«

Er hebt eine Augenbraue. »Was ist denn dann Ihr Ding, Anastasia?« Wieder dieses geheimnisvolle Lächeln.

Ich sehe ihn mit großen Augen an, unfähig, etwas Vernünftiges zu antworten. Ich habe das Gefühl, die Erde tut sich vor mir auf. Ganz ruhig, Ana, fleht mein gequältes Unterbewusstsein mich an.

»Bücher«, flüstere ich, doch mein Unterbewusstsein kreischt: Dich will ich! Ich bringe es zum Schweigen, entsetzt darüber, dass es zu solcher Vehemenz fähig ist.

»Was für Bücher?« Er legt den Kopf ein wenig schief.

Warum interessiert ihn das?

»Ach, das Übliche. Klassiker. Hauptsächlich britische Literatur.«

Er streicht nachdenklich mit Zeigefinger und Daumen über sein Kinn. Vielleicht ist ihm langweilig, und er versucht, das zu überspielen.

»Benötigen Sie sonst noch etwas?« Ich muss das Thema wechseln – die Finger an seinem Kinn sind zu verführerisch.

»Ich weiß es nicht. Könnten Sie mir denn noch etwas empfehlen ?«

Empfehlen? Ich weiß ja nicht mal, was du mit dem Zeug vorhast!

»Hier von den Werkzeugen?«

Er nickt. Wieder dieser belustigte Ausdruck in seinen Augen.

Mein Blick wandert zu seiner engen Jeans. »Einen Overall«, antworte ich, ohne nachzudenken.

Er hebt fragend eine Augenbraue.

»Sie wollen sich sicher nicht die Kleidung ruinieren.« Ich mache eine vage Geste in Richtung seiner Jeans.

»Die könnte ich ausziehen.« Er grinst spöttisch. »Hm.« Wieder schießt mir die Röte ins Gesicht. Wahrscheinlich leuchte ich wie das Kommunistische Manifest. Halt den Mund. AUF DER STELLE.

»Okay, einen Overall. Schließlich will ich mir nicht die Kleidung ruinieren«, wiederholt er trocken.

Ich versuche, mir nicht vorzustellen, wie er ohne Jeans aussieht.

»Brauchen Sie sonst noch etwas?«, krächze ich, als ich ihm den blauen Overall reiche.

Ohne auf meine Frage einzugehen, erkundigt er sich: »Wie kommen Sie mit dem Artikel voran?«

Endlich etwas Klares ohne Andeutungen und verwirrende Doppeldeutigkeiten … eine Frage, die ich beantworten kann. Ich klammere mich mit beiden Händen daran fest wie an einem Rettungsring und entscheide mich für Aufrichtigkeit.

»Den verfasse nicht ich, sondern Katherine, Miss Kavanagh, meine Mitbewohnerin. Sie schreibt gern und ist die Herausgeberin der Studentenzeitung. Sie war ganz geknickt, dass sie das Interview nicht selbst führen konnte.« Ich habe das Gefühl, wieder frei atmen zu können – endlich ein normales Gesprächsthema. »Sie findet es nur schade, dass sie keine Fotos von Ihnen hat.«

»Was für Fotos hätte sie denn gern?«

Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Ich zucke mit den Achseln, weil ich es nicht weiß.

»Ich bleibe fürs Erste in der Gegend. Vielleicht morgen …«

»Sie wären zu einem Fotoshooting bereit?« Kate wäre im siebten Himmel, wenn ich das hinkriege, flüstert dieser dunkle Ort in meinem Gehirn. Mein Gott, wie albern …

»Kate würde sich freuen – vorausgesetzt, wir treiben so schnell einen Fotografen auf.«

Sein Mund öffnet sich, als wollte er tief Luft holen, und er blinzelt. Den Bruchteil einer Sekunde wirkt er irgendwie verloren.

Wow, Christian Grey kann auch verloren aussehen! Wer hätte das gedacht?

»Lassen Sie es mich wissen, ob es morgen klappt.« Er zieht seine Brieftasche hervor. »Meine Visitenkarte mit meiner Handynummer. Sie müssen vor zehn Uhr morgens anrufen.«

»Okay.« Kate wird aus dem Häuschen sein.

»Ana!«

Am anderen Ende des Gangs taucht Paul auf, Mr. Claytons jüngster Bruder. Ich hatte zwar schon gehört, dass er von Princeton auf einen Besuch nach Hause kommen würde, ihn aber nicht heute erwartet.

»Entschuldigen Sie mich bitte einen Augenblick, Mr. Grey.«

Er runzelt die Stirn, als ich mich von ihm abwende.

Paul ist ein Kumpeltyp. In diesem merkwürdigen Augenblick mit dem reichen, mächtigen, hyperattraktiven Kontrollfreak Grey finde ich es wunderbar, mit einem normalen Menschen wie ihm sprechen zu können. Paul umarmt mich zur Begrüßung.

»Ana, hallo, schön, dich zu sehen!«

»Hi, Paul, wie geht’s? Bist du zum Geburtstag deines Bruders da?«

»Ja. Du siehst gut aus, Ana, wirklich gut.« Er mustert mich lächelnd und legt einen Arm um meine Schulter.

Verlegen trete ich von einem Fuß auf den anderen, denn Paul ist wie immer einen Tick zu vertraulich.

Christian Grey beobachtet uns mit zusammengepressten Lippen. Mit einem Mal ist aus dem seltsam aufmerksamen Kunden ein kühler, distanzierter Mann geworden.

»Paul, ich habe gerade einen Kunden, den ich dir vorstellen möchte«, sage ich, um der Feindseligkeit, die ich in Greys Blick erkenne, entgegenzuwirken. Ich schleife Paul zu ihm, und sie taxieren sich gegenseitig. Plötzlich ist die Atmosphäre arktisch.

»Paul, das ist Christian Grey. Mr. Grey, das ist Paul Clayton. Seinem Bruder gehört der Baumarkt.« Aus mir unerklärlichen Gründen habe ich das Gefühl, weitere Erklärungen abgeben zu müssen. »Obwohl ich Paul kenne, seit ich hier arbeite, sehen wir uns nicht oft. Er studiert in Princeton Business Administration.« Ich gerate ins Plappern … Halt die Klappe!