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»Mr. Clayton.« Grey streckt ihm mit undurchdringlicher Miene die Hand hin.

»Mr. Grey.« Paul erwidert seinen Händedruck. »Moment – doch nicht der Christian Grey von Grey Enterprises Holdings?« , fragt Paul zutiefst beeindruckt. Grey bedenkt ihn mit einem Lächeln, das seine Augen nicht erreicht. »Wow – kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«

»Danke, Anastasia ist sehr aufmerksam, Mr. Clayton.« Er wirkt ruhig, doch seine Worte … Ich habe den Eindruck, dass sie etwas vollkommen anderes bedeuten – wie verwirrend.

»Okay«, antwortet Paul. »Bis später, Ana.«

»Ja, Paul.« Ich sehe ihm nach, wie er ins Lager verschwindet. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Mr. Grey?«

»Danke, das wäre alles.« Er klingt kühl.

Mist … habe ich etwas falsch gemacht? Ich hole tief Luft, drehe mich um und gehe zur Kasse. Was hat der Mann bloß für ein Problem?

Ich gebe die Preise für das Seil, den Overall, das Kreppband und die Kabelbinder in die Kasse ein.

»Macht dreiundvierzig Dollar.« Ich sehe direkt in Greys Augen und bereue es sofort, denn er beobachtet mich mit einem Adlerblick, der mich völlig aus der Fassung bringt.

»Wollen Sie eine Tüte?«, frage ich, als ich seine Kreditkarte entgegennehme.

»Ja, bitte, Anastasia.« Seine Zunge liebkost meinen Namen, und mein Herzschlag setzt einen Moment aus. Ich bekomme fast keine Luft mehr. Hastig verstaue ich seine Sachen in einer Plastiktüte.

»Sie rufen mich an, wenn Sie über den Fototermin Bescheid wissen?« Nun ist er wieder ganz Geschäftsmann.

Ich nicke und gebe ihm seine Kreditkarte zurück.

»Gut. Vielleicht bis morgen.« Er wendet sich zum Gehen und hält inne. »Ach, und Ana: Ich bin froh, dass Miss Kavanagh das Interview nicht führen konnte.«

Mit energischen Schritten verlässt er den Laden, und ich bleibe als zitterndes Häuflein weiblicher Hormone zurück. Mehrere Minuten starre ich wie benommen auf die geschlossene Tür, durch die er soeben gegangen ist, bevor ich auf die Erde zurückkehre.

Na gut, ich mag ihn. Es hat keinen Sinn, mir noch länger etwas vorzumachen. Und ja, ich finde ihn attraktiv, sehr attraktiv. Doch das Ganze ist aussichtslos, das weiß ich, und ich seufze in bittersüßer Verzweiflung. Es war reiner Zufall, dass er hier aufgetaucht ist. Aber okay, dann werde ich ihn eben aus der Ferne anhimmeln. Das ist ungefährlich. Und falls ich einen Fotografen auftreibe, kann ich ihn morgen weiter anhimmeln. Ich grinse wie eine verliebte Vierzehnjährige, dann ermahne ich mich, Kate anzurufen, um mit ihr einen Fototermin zu organisieren.

DREI

Kate ist völlig aus dem Häuschen.

»Was wollte er bei Clayton’s?«, fragt sie.

Ich telefoniere vom Lagerraum aus mit ihr und versuche, so lässig wie möglich zu klingen. »Er war gerade in der Gegend.«

»Das ist aber ein ziemlich großer Zufall, Ana. Meinst du nicht, dass er da war, weil er dich wiedersehen wollte?«

Mein Herz macht bei dem Gedanken einen Sprung, doch die Freude währt nur kurz, weil ich weiß, was Sache ist.

»Er war wegen der WSU hier. Er unterstützt die landwirtschaftliche Forschungsabteilung«, erkläre ich.

»Stimmt. Er hat der Fakultät 2,5 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt.«

Wow.

»Woher weißt du das?«

»Ana, ich bin Journalistin und habe ein Feature über den Typ geschrieben. Es ist meine Aufgabe, so etwas zu wissen.«

»Okay, okay, Miss Pulitzer-Preisträgerin in spe, reg dich ab. Willst du nun Fotos von ihm?«

»Klar. Aber wer macht sie und wo?«

»Wir könnten ihn fragen, wo. Er hat gesagt, er würde in der Gegend bleiben.«

»Kannst du ihn denn erreichen?«

»Ich habe seine Handynummer.«

Kate schnappt nach Luft. »Der reichste, unnahbarste und mysteriöseste Junggeselle von Washington State hat dir so einfach mal eben seine Handynummer gegeben?«

»Äh … ja.«

»Ana! Er mag dich. Das liegt auf der Hand.«

»Kate, er ist eben nett.« Ich weiß, dass das nicht stimmt – Christian Grey ist nicht nett. Höflich, ja. Eine leise Stimme in meinem Innern flüstert: Vielleicht hat Kate Recht. Ich bekomme eine Gänsehaut bei dem Gedanken, dass er möglicherweise doch etwas an mir findet. Immerhin hat er gesagt, er sei froh, dass nicht Kate das Interview geführt habe. Kate reißt mich aus meinen Gedanken.

»Keine Ahnung, wer das Fotografieren übernehmen soll. Levi, der das sonst macht, ist übers Wochenende daheim in Idaho Falls. Der beißt sich sicher in den Hintern, wenn er hört, dass er einen der führenden Unternehmer von Amerika hätte ablichten können.«

»Hm … Was ist mit José?«

»Superidee! Frag ihn – für dich tut er alles. Und ruf Grey an und finde heraus, wo wir hinkommen sollen.« Kates Unbekümmertheit im Hinblick auf José ärgert mich.

»Ruf lieber du ihn an.«

»Wen, José?«, spottet Kate.

»Nein, Grey.«

»Ana, du hast doch die Beziehung zu ihm.«

»Beziehung?«, quäke ich mehrere Oktaven zu hoch. »Ich kenne den Mann kaum.«

»Immerhin hast du schon persönlich mit ihm gesprochen«, erwidert sie mit Verbitterung in der Stimme. »Und es sieht ganz so aus, als wollte er dich besser kennen lernen. Ana, ruf ihn an«, zischt sie und legt auf.

Was für eine Tyrannin! Ich strecke meinem Handy die Zunge heraus.

Gerade als ich José auf den Anrufbeantworter spreche, betritt Paul auf der Suche nach Schmirgelpapier das Lager.

»Draußen ist ziemlich viel los, Ana«, stellt er fest.

»Ja, tut mir leid«, sage ich und gehe zur Tür.

»Woher kennst du Christian Grey?«, erkundigt er sich ein wenig zu beiläufig.

»Ich musste ihn für unsere Studentenzeitung interviewen. Kate war krank.« Ich zucke mit den Achseln, als wäre das die normalste Sache der Welt, stelle mich jedoch genauso dumm an wie er.

»Christian Grey bei Clayton’s. Ist das zu fassen?« Paul schüttelt verwundert den Kopf. »Egal. Hast du Lust auf einen Drink heute Abend?«

Jedes Mal, wenn er hier ist, will er mit mir ausgehen, und jedes Mal handelt er sich einen Korb ein. Das ist fast schon ein Ritual zwischen uns. Ich halte es für keine gute Idee, etwas mit dem Bruder des Chefs anzufangen. Außerdem ist Paul ein süßer, typisch amerikanischer Junge von nebenan, kann aber meinen Romanhelden nicht das Wasser reichen. Kann Grey das?, fragt mein Unterbewusstsein mich. Ich bringe es zum Schweigen.

»Findet da nicht ein Familienessen oder so was für deinen Bruder statt?«

»Das ist morgen.«

»Vielleicht ein anderes Mal, Paul. Heute Abend muss ich lernen. Nächste Woche sind die Prüfungen.«

»Ana, eines Tages wirst du schon noch Ja sagen.« Er schmunzelt, als ich in den Verkaufsraum entschwinde.

»Ich fotografiere Orte, nicht Menschen, Ana«, stöhnt José.

»José, bitte«, bettle ich. Ich laufe im Wohnzimmer unseres Apartments auf und ab, das Handy in der Hand, den Blick durch das Fenster auf den abendlichen Himmel gerichtet.

»Gib mir das Telefon.« Kate reißt es mir aus den Händen und wirft ihre rotblonde Mähne über die Schulter zurück.

»Hör zu, José Rodriguez, wenn du möchtest, dass unsere Zeitung über deine Vernissage berichtet, machst du morgen das Fotoshooting für uns, kapiert?«

Die harte Kate, wie sie leibt und lebt. »Gut. Ana ruft dich noch mal an, wann und wo. Wir sehen uns morgen.« Ohne ein weiteres Wort beendet sie das Gespräch.

»Gebongt. Jetzt müssen wir den Treffpunkt und die Uhrzeit ausmachen. Ruf ihn an.« Sie reicht mir das Handy. Mir zieht sich der Magen zusammen. »Ruf Grey an, und zwar ein bisschen plötzlich!«