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Angesichts des spärlichen Wissens, das sie über Lappen besaß, hätte sie eher vermutet, dass er abwarten würde, wer sich als Sieger abzeichnete, bevor er sich für eine Seite entschied. Doch vielleicht hegte er an Lord Hirkin ein größeres Interesse, als sie ahnte. Sie zuckte zusammen, als Hirkins Schwert in einen der billigen kleinen Töpfe krachte, die eine schlichte, in die Wand eingebaute Holzablage säumten.

Sham wusste, dass sie sich den Kampf zunutze machen und verschwinden sollte. Die Hintertür der Hütte befand sich in ihrem Rücken, und niemand schenkte ihr Beachtung.

Sie wartete, bis sich Lappen für eine Position entschied, bevor sie selbst in Stellung ging. Mit erfahrenem Auge schätzte sie die Entfernung ab, fasste den Griff ihres Diebeswerkzeugs mit zwei Fingern und achtete darauf, es in dem breiten Ärmel zu verbergen, der über ihre Hand baumelte. Dann wartete sie darauf, dass Lappen dazu ansetzte, einzugreifen.

Sie verpasste dadurch einen Großteil des Kampfes, aber sie konnte das Geschehen hören. Das Klirren von Metall auf Metall wurde von Hirkins lauten Schreien übertönt. Im Gefecht hatte ihr Vater dasselbe getan. Kerim hingegen kämpfte lautlos.

Langsam wich Lord Hirkin in die Ecke zurück, in der Lappen lauerte, und zum ersten Mal seit den Eröffnungshieben war der Kampf nun deutlich in Shams Blickfeld.

Immer wieder prallten die Klingen aufeinander, und im flackernden Fackelschein stoben Funken auf. Lord Kerim bewegte sich mit der tödlichen Anmut einer mächtigen Raubkatze – ungewöhnlich für einen so großen und kräftigen Mann. Sham fragte sich nicht mehr, wie ein so stattlicher Hüne die Bezeichnung ›Leopard‹ erlangt hatte. Obwohl Hirkin unübersehbar einen hervorragenden Schwertkämpfer verkörperte, war er dem Vogt genauso unübersehbar nicht gewachsen. Hirkin stolperte nach links, und Kerim folgte ihm, wodurch er die verletzliche Seite seines Halses zu einem einfachen Ziel für Lappens Messer machte.

Sham wartete, bis der Gardist mit dem Arm ausholte, dann ließ sie ihr Werkzeug wirbelnd durch die Luft schnellen. Lautlos schlug es in Lappens heiles Auge ein – gleichzeitig mit einem anderen Messer, das bis zum Heft in seinem Hals versank.

Verwundert schaute Sham auf und begegnete dem Blick ihres südwäldischen Landsmanns, der die Hand zu einem förmlichen Salut erhob. In seiner Nähe rang der Cybeller, der sich auf Kerims Seite gestellt hatte, auf dem Boden mit Hirkins verbliebenem Handlanger. Da die Lage unter Kontrolle zu sein schien, wandte sich Shamera beruhigt wieder dem Schwertkampf zu.

Hirkins Waffe bewegte sich mit derselben Kraft wie jene Kerims, allerdings ohne dieselbe Präzision zu erreichen. Wieder und wieder traf sie auf Holz und Verputz, während das blaue Schwert ausschließlich Hirkins Klinge berührte.

Mittlerweile atmeten beide Männer schwer, und der Geruch von Schweiß vermischte sich mit dem von Tod, der immer noch erstickend in der Luft hing. Die Waffen wurden zunehmend langsamer, und immer mehr kurze Pausen unterbrachen ihren Takt, bevor das wilde Klirren erneut begann.

Und dann, als bereits sicher zu sein schien, dass Hirkin verlieren würde, wendete sich das Blatt schlagartig. Der Vogt stolperte über einen der Pantoffel des Alten Mannes und fiel auf ein Knie. Hirkin stürmte vorwärts, um sich sein Missgeschick zunutze zu machen, und stieß das Schwert mit dem Handrücken nach oben direkt auf den verwundbaren Hals des Vogts zu.

Kerim unternahm keinen Versuch, sich auf die Beine zu rappeln. Stattdessen stützte er sich mit beiden Knien am Boden ab und riss die Silberschneide der Klinge mit unmöglich anmutender Geschwindigkeit hoch. Hirkins Schwert traf auf sie mit voller Kraft.

Doch allein durch seinen starken Oberkörper fing der Vogt die Wucht von Hirkins Hieb ab und lenkte sie um, drehte sich dabei geringfügig zur Seite. Hirkin schlitzte ein Loch in den Waffenrock des Vogts, bevor sich seine Schwertspitze in die Bodenbretter bohrte.

Nach wie vor auf den Knien, stach Kerim nach oben, als hielte er ein Messer statt eines schweren Schwertes in der Hand. Es drang unmittelbar unter dem Brustkorb in Hirkin hinein und glitt mühelos nach oben. Der Adlige war tot, bevor sein Körper den Boden berührte.

Der Vogt wischte seine Klinge an Hirkins samtenem Waffenrock ab. Als er sich langsam auf die Beine mühte, ließ er wenig von der Geschmeidigkeit erkennen, mit der er soeben noch im Kampf geglänzt hatte.

»Ich habe den Eindruck, Ihr werdet langsamer, Befehlshaber.« Der ostländische Gardist, der Kerim geholfen hatte, sprach unbeschwert, während er noch auf dem Mann kauerte, den er besiegt hatte. Er drückte die verkrümmten Beine des Skelettkerls mit einem Knie nieder und benutzte beide Hände, um seinen Arm zu sichern, den er ihm auf dem Rücken nach oben gebogen hatte. Für Sham sah diese Haltung für beide Männer sehr ungemütlich aus, aber sie ging solchen Tätigkeiten nur selten nach.

Kerim musterte den Mann, der ihn angesprochen hatte, mit verengten Augen, dann grinste er. »Schön, dich wiederzusehen, Lirn. Wieso arbeitet ein Bogenschütze deines Ranges in Fegfeuer?«

Der Gardist zuckte mit den Schultern. »Man muss nehmen, was man an Arbeit kriegen kann, Befehlshaber.«

»Ich könnte dich gebrauchen, um die Gardisten der Feste auszubilden«, bot der Vogt an. »Aber ich muss dich warnen: Der Letzte, der den Posten des Hauptmanns innehatte, hat gekündigt.«

Der Gardist zog die Augenbrauen hoch. »Ich hätte nicht gedacht, dass der Umgang mit den Gardisten der Feste so schwierig ist.«

»Ist er auch nicht«, erwiderte Kerim. »Der mit meiner Frau Mutter hingegen schon.«

Der Gardist lachte und schüttelte den Kopf. »Ich bin dabei. Was soll ich mit dem hier machen?« Er verdrehte das Handgelenk seines Gefangenen, und der Mann unter ihm stieß einen spitzen Schrei aus.

»Was wollte er denn gerade tun, als du ihn dir geschnappt hast?«, fragte Kerim.

»Wegrennen.«

Der Vogt zuckte mit den Schultern. »Lass ihn laufen. Es gibt kein Gesetz dagegen, wegzurennen, und er ist nicht schlimmer als die meisten Gardisten in dieser Gegend.«

Der Ostländler löste sich von seinem Gefangenen und ließ ihn zur Tür hinaushasten.

»Wie heißt du, Gardist?«, wollte der Vogt von dem Südwäldler erfahren.

»Talbot, Herr.« Sham beobachtete, wie der ältere Mann angesichts des Respekts, den ihm Lord Kerim entgegenbrachte, ein wenig die Schultern straffte.

»Wie lange bist du schon Gardist in Fegfeuer?«, wollte Kerim wissen.

»Fünf Jahre, Herr. Davor war ich Seemann auf dem Schiff, das dem Sohn des letzten Königs gedient hat. Danach habe ich als Maat auf mehreren Frachtkähnen gearbeitet, aber die Händler ziehen es vor, die Besatzung nach jeder Reise auszuwechseln. Ich habe eine Frau und eine Familie, deshalb brauche ich eine geregelte Arbeit.«

»Hm«, brummte Kerim und lächelte mit einer plötzlichen Verschmitztheit, die seine markanten Züge überraschend anziehend wirken ließen. »Das bedeutet, du bist daran gewöhnt, dich denjenigen gegenüber zu beweisen, die du befehligst. Das ist gut. Meine gesundheitlichen Probleme haben mich davon abgehalten, Lord Hirkin die Aufmerksamkeit zu widmen, die notwendig gewesen wäre. Ich brauche jemanden, der Leute wie ihn im Auge behalten kann und dabei keinen politischen Erwägungen unterliegt. Ich würde mich freuen, wenn du die Stellung des Sicherheitsleiters annimmst – Hirkins soeben frei gewordener Posten nebst einiger zusätzlicher Pflichten.« Lord Kerim hob die Hand, um dem zuvorzukommen, was Talbot entgegnen wollte. »Ich muss dich allerdings warnen, dass damit Reisen in die abgelegenen Gebiete einhergehen, um zu überwachen, wie die Adeligen ihre Anwesen verwalten. Hinzu kommt die Betreuung der Stadtgarden. Du würdest zur Zielscheibe von reichlich Feindseligkeit – sowohl aufgrund deiner Volkszugehörigkeit als auch deiner bürgerlichen Geburt. Ich statte dich mit einem Pferd, mit Kleidung und mit Waffen aus, biete dir Unterkunft für dich und deine Familie und bezahle dir fünf Goldstücke pro Quartal. Und ich kann dir schon jetzt sagen, dass du dir jedes Kupferstück davon wirst verdienen müssen.«