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Kaum drang das leise Klicken des Riegels an Shams Ohren, entspannte sie sich und setzte sich in gemütlicherer Haltung mit untergeschlagenen Beinen auf den Boden.

Der Vogt musterte sie einen Augenblick, dann begann er, leise zu lachen. Seine Schultern hoben und senkten sich zuckend. »Und ich habe mich gefragt, wie wir das über die Bühne bringen sollen. Du musst schon verzeihen, aber als mir Talbot diesen Vorschlag unterbreitet hatte, da dachte ich, er müsste wahnsinnig sein.«

»Als Dieb benötigt man ein gewisses Maß an Unverfrorenheit und einen Hauch schauspielerischer Begabung«, gab sie zurück und klimperte mit den Wimpern in seine Richtung. »Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass für eine Mätresse ähnliche Anforderungen gelten.«

Er nickte. »Das ist zweifellos richtig, aber ich habe schon Krieger erlebt, die beim Anblick meiner Mutter das Zittern bekommen haben.«

Sie setzte zu einer Antwort an, als ein leises Geräusch aus dem Gang ihre Aufmerksamkeit erregte. Gleich darauf klopfte jemand behutsam an die Tür. Ohne die Füße in dem üppigen Material ihres Rocks zu verheddern, stand sie auf und durchquerte das Zimmer, um Talbot hereinzulassen.

Der ehemalige Seemann trat mit seinen üblichen federnden Schritten ein und richtete ein breites Grinsen auf den Vogt. »Beeindruckend, nicht wahr?« Talbot nickte mit dem Ausdruck einer liebevollen Henne, die ihr Ei betrachtet, in Shams Richtung. »Ich hab ihr gesagt, dass Schwarz nur getragen wird, wenn jemand gestorben ist. Sie hat bloß die Augenbrauen hochgezogen, mich schief angeschaut und gemeint, Schwarz sei erotisch. Als sie dann herauskam und so ausgesehen hat, hab ich noch ein hübsches schwarzes Nachtkleid für das Fräulein gekauft.«

»Ich hatte nicht so bald mit ihr gerechnet.«

»Nun ja, anscheinend braucht sie keine Unterweisung in die Umgangsformen am Hof – sie ist unter dem alten König hier aufgewachsen.«

Kerim drehte sich ihr zu. Sham nickte und sagte scherzhaft: »Ich fürchte, ich mache meiner Erziehung keine große Ehre.«

Der Vogt musterte sie nachdenklich, bevor er die Aufmerksamkeit wieder auf Talbot richtete. »Heute Abend noch nichts gehört?«

Talbots Miene verfinsterte sich. »Nein, Herr, aber das kommt noch.« Mit einem Blick zu Sham erklärte er: »Unser Mörder jagt gern alle acht bis neun Tage: Das ist das einzige Muster, das er erkennen lässt. Gestern war der achte Tag, und es ist niemand gestorben, also muss es heute Nacht so weit sein.«

Shamera legte die Stirn in Falten und versuchte, sich ins Gedächtnis zu rufen, was sie über Dämonen wusste. »Ergeben die Zahlen ein Muster? Schlägt er beispielsweise dreimal am achten Tag und dann zweimal am neunten Tag zu?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete Talbot und wirkte neugierig. »Mir ist nie der Gedanke gekommen, dass es keine schlichte Laune des Mörders, sondern ein festes Muster sein könnte. Ich sehe mir die Todesfälle noch einmal an und überprüfe das.«

»Ist das wichtig?«, fragte der Vogt.

»Kommt drauf an«, erwiderte Shamera und griff sich ein Brötchen, das unbeachtet auf Kerims Teller lag. Sie suchte sich einen gemütlichen Stuhl und drehte ihn, bis er dem Vogt zugewandt stand. Talbot nahm auf dem nächststehenden Sofa Platz.

»Worauf?« Der Vogt ergriff das Messer seines Bestecks und begann, das Hähnchen zu zerlegen.

»Darauf, ob man an Dämonen glaubt oder nicht«, antwortete sie – obwohl sie sich nicht an ein Muster erinnern konnte, das typisch für Dämonen war. Selbstgefällig wartete sie auf seine Erwiderung. Kluge, gebildete Cybeller glaubten nicht an Dämonen.

»Ich habe schon einige gesehen«, sagte der mutmaßlich kluge, gebildete cybellische Vogt nachdenklich, »aber noch nie in der Nähe der Stadt.«

Sham würgte und hustete, als sie sich an einem Krümel verschluckte.

Kerim achtete darauf, sich nichts anmerken zu lassen, allerdings vermeinte sie, einen Anflug von Belustigung in den Linien um seinen Mund zu erkennen, als er fortfuhr: »Diese Morde können unmöglich das Werk von Dämonen sein. Das letzte Opfer ist am helllichten Tag in seinem Zimmer gestorben. Der Mann hatte über dreißig Bedienstete; wäre es ein Dämon gewesen, hätte man die Kreatur gesichtet, lange bevor sie den Weg in Abets Zimmer gefunden hätte.«

»Abets versperrtes Zimmer«, fügte Talbot bedeutungsvoll hinzu und blickte Shamera an.

»Jedenfalls«, sprach der Vogt weiter, »kann ich mir nicht vorstellen, dass einer der Sumpfdämonen seinen Kadaver durch Abets gesamtes Haus hätte schleppen können, ohne jemandem aufzufallen. Sie sind nicht nur laut, sie stinken auch nach wochenaltem Fisch.«

»Ah«, sagte Sham und verstand. »Diese Dämonen, die du meinst, sind sie stark und verdammt schwer zu töten? Von annähernd menschlicher Gestalt?«

Der Vogt nickte. »Klingt ganz nach jenen, denen ich begegnet bin.«

»Uriah«, verkündete sie im Brustton der Überzeugung. »Ich bin noch nie einem begegnet – worüber ich mich nicht beschwere. Trotzdem kann ich dir sagen, dass ich mich lieber hundert von diesen Kreaturen stellen würde, als es mit einem Dämon aufzunehmen. Uriah sind Monster, Ausgeburten, die durch Magie erschaffen wurden. Dämonen sind Magie.«

»Magie«, höhnte der Vogt, womit er sich letztlich so verhielt, wie sie es erwartet hatte. »Jedes Mal, wenn ihr Südwäldler von etwas hört, das sich nicht ohne Weiteres erklären lässt, sitzt ihr weise nickend da und sagt ›Magie‹ – als würde sich die gesamte vermaledeite Welt darum drehen.«

Shamera lachte. »Was sie natürlich auch tut. Nur verblendete Ostländler sind nicht in der Lage, das zu erkennen.«

Kerim schüttelte den Kopf, sah sie an und fuhr mit seiner Ansprache fort. »Ich lebe seit fast zehn Jahren hier und habe noch nie gesehen, wie jemand Magie wirkt. Taschenspielertricks, ja – aber nichts, das sich nicht durch flinke Hände und ein noch flinkeres Mundwerk erklären ließe.«

»Die mit Magie Geborenen sind nicht dumm, Herr«, warf Talbot in nachsichtigem Tonfall ein. »Ihr wart nicht hier, um zu sehen, wie viel Blut nach der Eroberung der Stadt geflossen ist – die Hexenjagden, die wir heute noch erleben, sind nichts im Vergleich dazu. Eure Armeen hatten mächtig Angst vor der Magie und haben jeden Magier abgeschlachtet, den sie finden konnten. Den Zauberern, die überlebt haben, ist es lieber, wenn Ihr denkt, Magie sei das, was die Straßengaukler tun: eine Münze hinter einem Ohr hervorziehen.«

»Und für mich ist es so einfacher«, ergänzte Shamera, um den Vogt wieder wachzurütteln, der bereits begonnen hatte, sich von Talbots ruhiger Stimme einlullen zu lassen. »Einem Dieb verleiht es einen entscheidenden Vorteil, Magie einsetzen zu können, wenn niemand daran glaubt. Wer bin ich denn, dass ich mir diesen Spaß verderben würde?«

»Erinnert Ihr Euch noch daran, wie lange die Feste den Armeen des Propheten trotzen konnte, nachdem Landsend bereits gefallen war?«, fragte Talbot den Vogt und schenkte Shams Einwurf keine Beachtung.

»Neun Monate«, antwortete Kerim zögerlich.

Talbot nickte. »Neun Monate mit den wenigen Vorräten, die wir hier gelagert hatten. Habt Ihr je eine andere Wasserquelle als den Brunnen gefunden, der schon Jahrzehnte vor der Belagerung versiegt war?«

»Nein.«

Shamera fiel auf, dass sich der Vogt allmählich verärgert anhörte. Es schien ganz so, als gefiele ihm die Richtung nicht, in die sich das Gespräch entwickelte. Sie hatte gedacht, Talbot wollte lediglich versuchen, Kerim zu beruhigen, und nicht, ihn umzustimmen.

In einem Anflug plötzlicher Gehässigkeit meinte sie: »Mal abgesehen vom wöchentlichen Bodenwischen in den Geheimgängen …«

»Zweiwöchentlichen«, berichtigte Kerim sie.

Shamera ging nicht darauf ein. »… würde ich wetten, dass es noch andere Wege aus der Feste gibt, von denen niemand weiß. Meister Talbot, wenn der Vogt fest entschlossen ist, nicht an Magie zu glauben, scheint mir der Versuch, ihn umzustimmen, reine Zeitverschwendung zu sein.«

»Wenn seine Unwissenheit eine Bedrohung für sein Leben darstellt, muss er umgestimmt werden«, schoss Talbot hitzig zurück. »Dieser Mörder schlägt in der Feste zu und könnte ohne Weiteres beschließen, sich als Nächstes den Vogt zu holen.«