Выбрать главу

»Wer könnte ihn in dem Fall aufhalten?«, erwiderte Shamera und wurde schlagartig ernst. »Wenn ich schon nicht weiß, wie man gegen einen Dämon vorgeht, wie könnte es dann ein magieloser Cybeller – ob er nun an Dämonen glaubt oder nicht?«

»Es haben schon andere versucht, mich über Magie zu belehren«, ergriff Kerim in unverbindlichem Tonfall das Wort. »Warum klärst du mich nicht stattdessen über Dämonen auf?«

»Na schön«, willigte Sham ein. In der besten Manier einer geheimnisvollen Hexerin sagte sie: »Dämonen sind magische Kreaturen, die durch Tod und Verderben in diese Welt gelockt werden.« Sie grinste über den Ausdruck im Gesicht des Vogts und wechselte in einen sachlicheren Tonfall, als sie fortfuhr. »In Wirklichkeit werden sie durch schwarze Magie heraufbeschworen.«

»Wie kommst du darauf, dass wir einen Dämon und keinen Menschen jagen?«

»Weil mein Freund – den nach Hirkins Meinung ich ermordet habe – von einem Dämon getötet worden ist.«

Sham musterte den Vogt aufmerksam und versuchte zu erahnen, was ihm durch den Kopf ging, aber seine Züge blieben so unverbindlich wie seine Stimme. »Wieso bist du dir da so sicher?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Er hat es mir gesagt, bevor er gestorben ist.«

Talbot mischte sich ein, um zu verhindern, dass der Vogt beleidigend wurde, indem er seinen Unglauben zum Ausdruck brachte. »Ich bezweifle, dass Ihr ihm je begegnet seid, Herr, Ihr seid erst später nach Landsend gekommen; aber der alte Mann, der da gestorben ist … Das war Maur, der Berater des letzten Königs.«

Kerim runzelte nachdenklich die Stirn. »Der Hexer des Königs wurde gefoltert, bevor er in den Verliesen der Feste verschwand, aber ich hätte nicht gedacht, dass er so alt war, wie der Verstorbene ausgesehen hat.«

»Zauberer«, warf Sham ein und bemühte sich, die Verbitterung aus ihrer Stimme zu verbannen, »vor allem so mächtige wie Maur, leben länger als gewöhnliche Menschen. Als er nicht mehr auf seine Magie zugreifen konnte, ist er jedoch rasant gealtert.«

Kerim sah ihr in die Augen. »Ich war nicht hier, als er gefoltert wurde, und ich hätte ein solches Tun nicht geduldet. Magier oder nicht, wenn die Aufzeichnungen über seine Worte bei den Ratsversammlungen des Königs zutreffend sind, war er ein Mann von seltener Weisheit.«

Sham ließ zu, dass seine Antwort sie beschwichtigte. »Er wurde von einem Dämon namens Chen Laut angegriffen. Er hat ihn vertrieben, allerdings wurde er tödlich verwundet, bevor die Kreatur geflüchtet ist.«

»Wie hat er ihn vertrieben?«, fragte Kerim, wobei man ihm offensichtliche Ungeduld mit ihren barbarischen Südwäldler-Überzeugungen anmerkte.

Sie lächelte zuckersüß. »Mit Magie.«

»Ich dachte, Maur konnte keine Magie mehr wirken«, meldete sich Talbot mit gerunzelter Stirn zu Wort.

Sham zuckte die Schultern und sah keine Notwendigkeit, den Unterschied zwischen dem Heraufbeschwören von Magie und dem Wirken von Magie zu erklären.

»Wie sieht ein Dämon aus?«, wollte Kerim wissen. Er überging ihren Versuch, ihn zu ködern, und aß die letzten Reste seiner Mahlzeit auf.

Sham lächelte in freudiger Erwartung seiner nächsten Antwort. »Das weiß ich nicht. Ich konnte ihn nicht sehen.«

Kerim hielt kurz inne, dann schüttelte er den Kopf und vermittelte den Eindruck eines Mannes, dessen Geduld auf eine harte Probe gestellt wurde. »Dämonen sind also unsichtbar. Was kannst du mir sonst noch über sie erzählen?«

Shamera zuckte erneut die Schultern und hatte ihren Spaß. »Sogar in Südwald glauben die meisten Menschen so wenig an sie, wie ihr Ostländler an Magier glaubt. Man hält sie für Ammenmärchen, die dafür sorgen sollen, dass sich Kinder vor Angst nachts nicht rausschleichen. Du weißt schon …« Sie wechselte in eine Singsang-Stimme und zitierte:

»Der Abend kommt, die Sonne, sie flieht. Schatten herrschen, kein Licht sich hält. Lass Furcht begleiten deine leisen Schritt’, wenn Dämonen wandeln in nächtlicher Welt.«

»Das habe ich noch nie gehört.« Der Vogt biss unwirsch die Zähne zusammen. »Also, erzähl mir eine Geschichte.«

Shamera antwortete ihm mit einem Lächeln. »Dämonen sind, so wie Drachen, Kreaturen aus Magie und benutzen die Magie nicht einfach nur. Sie sind fast immer bösartig, obwohl es Erzählungen gibt, nach denen manche schon Hilfe oder Schutz gewährt haben. Dämonen erscheinen niemals, ohne gerufen zu werden, und es ist schwierig, sie wieder loszuwerden. Der Magierrat hat die Verwendung von Opferungen oder menschlichen Überresten beim Wirken von Magie kurz nach den Magierkriegen vor etwa tausend Jahren verboten. Anscheinend benötigt man derlei Dinge sowohl, um Dämonen loszuwerden, als auch, um sie zu rufen.«

Eigentlich hatte sie vorgehabt, an der Stelle aufzuhören. Das hatte sie wirklich. Wenn er nur nicht diesen selbstgerechten Ausdruck im Gesicht gehabt hätte, der besagte: Siehst du, was für ahnungslose Wilde ihr seid?

Sie beugte sich vor und senkte dramatisch die Stimme. »Die Zauberer suchten dafür einen geeigneten jungen Mann und entführten ihn. Dämonen besitzen in unserer Welt keine Gestalt. Man muss ihnen eine geben. Die Zeremonie ist lang, brutal und gipfelt im Tod des jungen Mannes, wenn der Dämon seinen Körper übernimmt.« Das stimmte durchaus, soweit sie wusste. Allerdings beschloss Sham, als Zugabe noch einige der deftigeren Gerüchte hinzuzufügen. »Manchmal jedoch ist der Körper des Opfers wegen der grausamen Riten, mit denen man den Dämon beschwört, nicht mehr verwendbar. Die Todesbanne, die verhindern sollen, dass sich der Wirtskörper des Dämons fortpflanzen kann, neigen dazu, den Menschen umzubringen, wenn er zu schwach ist.« Sie grinste vergnügt und bemerkte, dass sogar Talbot verbissen dreinschaute. »Wird jedoch alles erfolgreich abgeschlossen, hat der Beschwörende einen Dämon, der seinem Willen unterworfen ist.«

»Und was geschieht nach dem Tod des Zauberers?«, hakte Kerim nach, der kurz nach dem Beginn ihrer jüngsten Ausführungen wieder einen neutralen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. Wie unterhaltsam, jemanden zu finden, der ihrem Köder widerstehen konnte …

»Der Dämon wird durch eine Nebenbedingung der ursprünglichen Bindung vernichtet«, erwiderte Shamera. »Es sei denn, der Dämon tötet den Zauberer. In dem Fall herrscht der Dämon danach über sich selbst.«

»Ah«, sagte Kerim. »Und jetzt die Geschichten.«

»Tybokk«, begann sie, »ist wohl der Bekannteste. Der Name seines Beschwörers ist im Verlauf der Zeit untergegangen, aber etwa vierhundert Jahre lang schloss er sich regelmäßig einem Händlerclan beim Überqueren eines bestimmten Gebirgspasses an …«

»Und hat alle getötet?«, warf Kerim ein.

Shamera schüttelte den Kopf. »Nein, Tybokk war erfindungsreicher. Die Reisenden erreichten ihr Ziel, jeder einzelne, und leierten tagein, tagaus einen einfachen Reim runter, bis sie sich einer nach dem anderen das Leben nahmen.«

»Und der Reim enthielt den Hinweis darauf, wie der Dämon zerstört werden kann?«, schlug Kerim vor.

Wieder schüttelte sie den Kopf. »Das würde eine gute Geschichte abgeben, aber nein. Soweit ich gehört habe, ging der Reim so:

Der Wind mag wehen, bald so, bald so, wir aber werden nie mehr umherziehen so froh. Tybokk, Tybokk, Tybokk-O!

Wahrscheinlich würde er immer noch Händler auslöschen, wenn er nicht den Familienclan des Mannes getötet hätte, der damals der ae’Magi war.«

»Der was?«, fragte der Vogt.

»Der ae’Magi«, antwortete Talbot in gedämpftem Tonfall. »Das ist ein alter Titel, der dem Erzmagier verliehen wird. Bei ihm handelt es sich um den Zauberer, der dem Magierrat vorsteht. Er ist das ernannte Oberhaupt aller Magier, und in der Regel ist er auch der Mächtigste von ihnen, wenn auch nicht zwangsläufig.«