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Als sich die unnatürlichen Schatten auflösten, sah Shamera, dass die Tür neben dem Kamin in der Mitte entzweigebrochen war. Die Hälfte mit dem Riegel lag auf dem Boden, verheddert in den Wandbehängen, die den Durchgang verborgen hatten; die obere Angel klammerte sich beharrlich am Türblatt fest. Fahle Holzsplitter legten Zeugnis von der Kraft ab, die sie vom Rahmen gerissen hatte. Die andere Hälfte baumelte schief an der unteren Angel.

Shamera wandte ihren Blick von der Tür zum Vogt. Er trug Nachtgewänder und hielt eine verheerend aussehende Streitaxt in einer Hand; seinen Stuhl hatte er seitwärts neben den Türrahmen gelenkt, um mit voller Wucht zuschlagen zu können. Sie bedachte ihn mit einem Grinsen schierer Erleichterung.

»Freut mich, dass du’s einrichten konntest«, zog sie ihn auf, wenngleich ihre Stimme dabei nicht ganz so fest klang, wie sie es gern gehabt hätte.

»Wenn man eine Einladung in sein Schlafgemach ausspricht, entspricht es üblicherweise den Gepflogenheiten, dafür zu sorgen, dass die Tür unversperrt ist«, gab er ansatzlos zurück. Er schaute an ihr vorbei und fügte hinzu: »Es entspricht außerdem den Gepflogenheiten, zu warten, bis der Partner eintrifft, bevor man es heiß zwischen den Laken werden lässt.«

Sie drehte sich um und stellte fest, dass die schwelenden Decken mittlerweile in Flammen standen. Feuer war die zweite Magie, in die ein Lehrling eingeweiht wurde, da Feuer das am einfachsten heraufzubeschwörende Element darstellte. Als erste Magie jedoch lernte man, wie man Feuer löschte. Sie riss die Laken auf den Boden neben ihr. Da Kerim ja nicht an Magie glaubte, nahm sie an, dass er davon ausging, das Feuer durch das Gewicht der Decken erstickt zu sehen.

Sham konnte ihr Erstaunen über das anhaltende Gefühl, dass sie den Vogt mochte, obwohl er Cybeller war, nicht verstehen – allerdings wusste sie nicht, ob sie ihm auch vertrauen konnte. Vor zwölf Jahren hatte sie gelernt, dass Angst ein grausamer Feind sein konnte, und sie beschloss, ihm noch ein Weilchen länger keinen unwiderlegbaren Beweis für die Existenz von Magie zu liefern.

»Tut mir leid«, witzelte sie unbeschwert, »ich bin nicht vertraut mit der Etikette, die für Mätressen gilt. Nächstes Mal werde ich darauf achten, dass du im Bett liegst, bevor ich heiße Kohlen hineinwerfe.«

Kerim brummte anerkennend und schwang die Axt in einem kurzen Bogen, der die verbliebene Angel traf. Die obere Hälfte der Tür fiel zu Boden. Durch den einfachen Behelf, sich an beiden Seiten des Durchgangs festzuhalten und zu ziehen, hievte er den sperrigen Stuhl durch die nunmehr geräumte Öffnung in ihr Gemach.

»Was ist passiert?«, wollte er wissen.

»Erinnerst du dich an den Dämon, von dem Talbot und ich schon mehrfach gesprochen haben?«

»Den mutmaßlichen Dämon, der den Grund dafür darstellt, dass du hier bist?«, fragte er und rollte mit dem Stuhl langsam zu ihr.

Sie nickte. »Genau der. Er hat beschlossen, auch mal einen Blick auf mich zu werfen. Eine größere Gesellschaft schien ihm nicht zu behagen, deshalb hat er das Weite gesucht, sobald offensichtlich wurde, dass du hereinkommen würdest.«

Als er sich nah genug befand, um das Blut in den Schatten des Raumes auszumachen, erkundigte er sich: »Wie schwer bist du verletzt?«

»Nicht sehr, es sei denn, der Schnitt an meiner Schulter ist schlimmer, als er aussieht.«

Er fasste nach oben und schob ihr Haar beiseite, damit er einen eingehenden Blick auf ihre Schulter werfen konnte. »Ich habe zwar schon Schlimmeres gesehen, aber die Wunde ist tief genug, um genäht werden zu müssen. Dickon ist ziemlich gut darin.«

»Dickon?«

Der Vogt lachte über die Ungläubigkeit, die in ihrem Tonfall mitschwang. »Er war Soldat, bevor er Kammerdiener wurde, und er flickt aufgerissene Haut besser zusammen als die meisten Heiler.« Er betrachtete ihre Schulter erneut und zog nachdenklich die Brauen zusammen. »Sieht wie eine Messerwunde aus.«

Sham nickte. »Und zwar ein verflixt scharfes Messer.«

Kerim lachte. »Deiner Verärgerung entnehme ich, dass du auf Klauen und Fänge gehofft hattest, richtig?«

Sie lächelte und schloss die Augen, um das Schwindelgefühl zu lindern, dass der Blutverlust auslöste. »Da könnte was dran sein.«

»Komm mit, und erzähl mir, was genau passiert ist.« Damit rollte er zurück zum Durchgang und zog seinen Stuhl über die Schwelle der Tür.

»Hast du mit deinem Stallmeister schon darüber geredet, dieses Ding ändern zu lassen?«, erkundigte sich Shamera, als sie ihm in seine Kammer folgte.

»Er und einer der Zimmerleute arbeiten bereits an einem neuen Stuhl«, antwortete der Vogt. Er deutete auf einen Sitz. »Nimm Platz, bevor du noch umkippst. Ich hole Dickon, und nachdem er dich versorgt hat, kannst du mir erzählen, was sich zugetragen hat.«

Dankbar kam sie seiner Aufforderung nach und ließ den Kopf auf die Knie sinken. Dickon musste in der Nähe geschlafen haben, denn der Vogt kehrte alsbald mit ihm zurück. Sie wusste nicht, wie ihm Kerim die Wunden erklärt hatte, aber Dickon gab sich so wortkarg wie immer, als er den Schnitt an ihrer Schulter erst säuberte und dann mit kleinen, gleichmäßigen Stichen nähte. Nachdem er festgestellt hatte, dass die Verletzung am Oberschenkel nur einem Kratzer gleichkam, beugte sich der Diener hinab, um einen genaueren Blick auf den Schnitt an der Wade zu werfen.

»Mein Herr sagt, dass sich der Magier von gestern Abend auf Alchemie verstand«, meinte Dickon, als er die Haut an der Wade zusammenzog, um auch diese Wunde zu nähen.

»Es gibt ein weißes Gestein, das nördlich der Glaswüste abgebaut wird. Mischt man es mit Wasser, kann man die Wasseroberfläche entzünden, wenn man eine offene Flamme nur nah genug ranhält«, erklärte Sham und bemühte sich, nicht auf das Ziehen der Nadel im Fleisch zu achten. »Ich konnte die Urnen zwar nicht deutlich sehen, aber es schien sich um die Art von Feuer zu handeln, die das weiße Gestein verursacht. Wie der violette Rauch zustande kam, weiß ich nicht.«

Dickon hielt beim Nähen kurz inne, um überrascht zu ihr aufzuschauen. Dann trat ein kurzes Lächeln über ihr Friedensangebot auf seine Lippen. »Ich habe schon von den Tauben im Topf gehört, aber ich habe noch nie einen gesehen, der groß genug gewesen wäre, um einen Fischadler zu beherbergen.«

»Dann muss wohl Magie am Werk gewesen sein«, meinte Sham augenzwinkernd.

Dickon schnaubte ungläubig und band den Faden sauber ab. Er holte Verbände aus dem Kästchen hervor, das er mitgebracht hatte, und begann, ihre Wade damit zu umwickeln.

»Ich habe noch keine Magie zu Gesicht bekommen, die sich nicht mit ein wenig Arbeit nachahmen ließe«, sagte der Kammerdiener, als er seine Hände penibel sauber wischte.

Sham nickte bejahend. »Ich bin sicher, das ist wahr.«

Dickon warf ihr einen argwöhnischen Blick zu, und sie lächelte.

»Ist das dann alles, Herr?«, fragte er Kerim.

»Bitte sorg dafür, dass der Bezug von Lady Shameras Bett unauffällig gewechselt und die verbrannten Laken vernichtet werden.«

»Sehr wohl, Herr.«

»Dickon?«, sagte Shamera. »Danke.«

»Sehr wohl, Herrin.« Dickon entfernte sich unter Verneigungen rücklings aus dem Raum und schloss die Tür.

»Wie hast du erklärt, dass deine Mätresse mitten in der Nacht genäht werden musste?«, fragte Shamera und schob sich mit einer leicht zittrigen Hand die Haare aus den Augen.

»Gar nicht. Fühlst du dich gut genug, um mir zu erzählen, was passiert ist?«

Sie zuckte mit den Schultern und bereute es sofort, als die Naht an ihrer Schulter zu ziehen begann. »Es ist eher schmerzhaft als wirklich gesundheitsschädigend. Es geht mir gut. Ich war gerade dabei, die Kerzen zu löschen, als mich etwas von hinten angegriffen hat.«

»Du bist immer noch sicher, dass es ein Dämon war? Einer, der ein Messer benutzt hat?« Er klang, als wolle er ihr unterschwellig nahelegen, besser eine vernünftige Antwort zu geben.