Выбрать главу

Shamera seufzte genervter, als sie sich in Wirklichkeit fühlte. Es wäre ungerecht gewesen, von ihm zu erwarten, ihre Ansichten hinzunehmen, ohne ihm Beweise dafür zuzugestehen, dass es wahre Magie gab.

»Ich hab es dir schon gesagt«, erwiderte sie, »ich weiß noch nicht genug. Die Gestalt hat wie ein Mann ausgesehen, aber ich konnte keinen einzigen Blick auf das Gesicht erhaschen.«

»Warum schließt du die Möglichkeit aus, dass der Mörder menschlich sein könnte?« Er klang aufrichtig neugierig.

Sie fühlte sich zwar schuldig dafür, ihn vorsätzlich mit der Wahrheit in die Irre geführt zu haben, aber von nichts als leichten Schuldgefühlen hatte sie sich noch nie von ihrem Kurs abbringen lassen. »Weil er mich einfach hochgehoben und quer durch das Zimmer geschleudert hat. Ich habe schon viele Kämpfe bestritten. Einige davon gegen Männer noch kräftiger, als du es bist. Diese Kreatur war viel stärker und schneller. Und ich konnte sie nicht sehen.«

»Es war dunkel«, warf er geduldig ein.

»Das ist richtig«, pflichtete sie ihm genauso geduldig bei.

»Du hast gesagt, die Gestalt hätte wie ein Mann ausgesehen« – er legte eine bedeutungsvolle Pause ein – »in der Dunkelheit.«

»So ist es.«

»Aber es war ein Dämon.«

»Ja.« Sham schloss die Augen und gähnte.

Sie hörte das Quietschen der Räder des Stuhls, als sich der Vogt herumbewegte, doch sie fühlte sich plötzlich zu erschöpft, um nachzusehen, was er trieb. Der Mann besaß eine so einnehmende Ausstrahlung, dass sie Dämonen trotz des Pochens in ihrer Schulter ins Reich der Märchen verbannte. Shamera lächelte bei sich und begann, nach und nach einzudösen, als sie eine plötzliche Erinnerung aufsitzen und die Augen öffnen ließ.

»Das Messer war im Zimmer, als ich es heute Abend betreten habe.«

Kerim hatte die zerbrochenen Holztrümmer der Tür gegen die Wand gelehnt. Bei ihren Worten hielt er inne und schaute auf. »Welches Messer?«

»Das Messer, das der Dämon benutzt hat. Es lag auf dem Kaminsims neben dem Silber und dem Porzellanhund. Mir ist aufgefallen, dass die Ziergegenstände auf dem Sims gegenüber heute Morgen verändert worden waren, aber ich habe anfangs nicht bemerkt, dass der Dolch neu war.«

Kerim bahnte sich den Weg zurück in ihre Kammer. Kopfschüttelnd kehrte er zurück. »Jetzt ist kein Messer mehr da. Wie hat es ausgesehen?«

Shamera schloss die Augen und versuchte, es sich deutlich vorzustellen. »Es war verziert wie die im Saal ausgestellten Schwerter – ganz so, als wäre es eher als Schmuckgegenstand gedacht. Der Griff bestand aus Holz, und am Knauf war er mit einem dunklen Stein besetzt. Rubin … nein, Saphir. Ein dunkelblauer Saphir so groß wie mein Daumen.«

»Mit gravierter Klinge?«

»Du kennst das Messer?«, fragte sie überrascht. »Wem gehört es?«

»Meinem Halbbruder«, antwortete er mit einem müden Seufzen. »Ich glaube nicht, dass dein Angreifer ein Dämon war.«

Sham spürte, dass sie unwillkürlich die Augenbrauen darüber hochzog, wie unaufgeregt er die Schuld seines Bruders als gegeben hinnahm. »Es war nicht Lord Ven«, platzte sie hervor, ohne nachzudenken.

Kerim drehte sich ihr zu. »Ach ja?«

»Hör mal …«, sagte sie schließlich und rieb mit den Händen kräftig über ihre Wangen, um sich aufzuwecken. »Was immer in mein Zimmer gekommen ist, hat es getan, ohne die Tür zu öffnen. Die Angeln knarren. Glaub mir, ich hätte es gehört, wenn sie jemand normal aufgemacht hätte.«

»Es gibt einen Geheimgang in den Raum, ähnlich dem Gang hierher.«

Sham schüttelte den Kopf. »Ich stand neben dem Kamin, als die Kreatur hereingekommen ist. Alle Türen waren geschlossen.«

»Du glaubst also, dass jemand Magie benutzt hat, um dein Zimmer zu betreten.«

Ihr war nicht bewusst gewesen, wie einfach man ein so kleines Wort wie etwas Unanständiges klingen lassen konnte. »Ja, das tue ich. Es ist ausgeschlossen, dass die Kreatur, die mich angegriffen hat, dein Bruder war.«

Der Vogt schloss kurz die Augen. »Heute Nacht ist es zu spät für solche Dinge.«

Shamera gähnte und begann, sich zu strecken, bevor sie an das zarte Seidenunterhemd dachte, das sie trug, und sie verfluchte ihre blasse Haut, als sich jähe Hitze darin ausbreitete, obwohl Kerim keine Anzeichen erkennen ließ, dass er ihren leicht bekleideten Zustand bemerkt hatte. »Ich lege mich schlafen. Brauchst du Hilfe dabei, zurück ins Bett zu gelangen?«

»Ich schaffe das schon«, gab er zurück. »Ich denke, wir sollten Stillschweigen über den Angriff heute Nacht bewahren. Ich will nicht, dass sich die Panik noch schneller ausbreitet, als sie es ohnehin bereits schleichend tut.«

Shamera nickte und trat den Weg zurück in ihr Zimmer an. Sie bedachte die verheerte Tür im Vorbeigehen mit einem schiefen Blick. Sosehr es ihr widerstrebte, es zuzugeben: Sie gab ihre Ungestörtheit gern im Austausch für die Sicherheit auf, die ihr Kerims Gegenwart vermittelte. Verkrüppelt hin, verkrüppelt her, der Mann war ein Krieger.

»Gute Nacht, Shamera«, sagte der Vogt hinter ihr.

»Oder was davon übrig ist«, erwiderte sie und schleppte sich zu ihrem Bett.

Shamera erwachte am nächsten Morgen von einem zarten Klopfen an der Tür.

»Einen Augenblick«, rief sie, warf die Decke zurück und setzte sich auf.

Hätte sie Zweifel an den Ereignissen der vergangenen Nacht gehabt, so hätte die Schmerzhaftigkeit der verschiedenen Wunden diese flugs beseitigt. Nach kurzer Überlegung verschleierte sie die Verletzungen mit einem Trugbann. Dickons Nichte mochte vertrauenswürdig sein, aber wenn Kerim den Angriff geheim halten wollte, schien es Shamera besser zu sein, dass so wenige Menschen wie möglich von ihren Wunden wussten. Sie schaute in den kleinen Spiegel, um sich zu vergewissern, dass sie das gesamte Blut von letzter Nacht abgewaschen hatte. Erst als sie sich davon überzeugt hatte, dass sie nicht schlimmer als an einem sonstigen Morgen aussah, hieß sie die Zofe einzutreten.

Jenli kam nicht allein herein. Drei kräftige Lakaien trugen eine Truhe und zwei Körbe in den Raum. Sie achteten darauf, die Blicke von Sham abgewendet zu lassen, als sie ihre Last in der Nähe der Tür abstellten, und gingen wieder. Der Letzte errötete heftig.

Was jedoch nicht an Shams leicht bekleidetem Zustand liegen konnte, denn die Lakaien hatten nicht einmal ansatzweise in die Richtung des Bettes geschaut. Sham runzelte nachdenklich die Stirn und betrachtete die Gerätschaften des Kamins, die über die Teppiche verstreut lagen. Porzellanscherben und Holzsplitter lagen immer noch auf dem Boden, wo der nächtliche Kampf sie hingespritzt hatte. Über den Durchgang zu den Gemächern des Vogts war wieder ein Wandteppich gehängt worden. Wenngleich er etwas Abgeschiedenheit bot, konnte er doch nicht die Tatsache verbergen, dass es keine Tür mehr gab.

Diese Ermittlungen würden interessante Nebenwirkungen für den Ruf des Vogts haben, dachte Sham belustigt.

»Eine Lieferung für Euch von der Schneiderin, Herrin«, sagte Jenli und deutete auf das frisch eingetroffene Gepäck. Ein unterdrücktes Lächeln kämpfte darum, sich zu zeigen, als die Zofe mit geweiteten Augen die Schäden im Raum betrachtete.

»Gut«, erwiderte Sham und ließ den Blick nachdenklich über die neue Kleidung wandern. »Ich habe Kerim gesagt, dass ich keine für den Hof geeignete Garderobe besitze, und er hat mir großzügig die Mittel zur Verfügung gestellt, um mich einzukleiden.« Sie wollte nicht, dass Jenli Fragen darüber stellte, weshalb ihre Garderobe ausschließlich aus neuen Kleidungsstücken bestand.

Shamera entschied sich für ein dunkelgrünes Samtkleid, schwer behangen mit Glasjuwelen und -perlen. Es handelte sich um ein mehrere Jahrzehnte altes Kleid, das sie im Lagerbereich der Schneiderin hängen gesehen hatte, wo es darauf wartete, des wiederverwendbaren Putzes entledigt zu werden.