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»Du denkst also, der Dämon kann seine Gestalt verändern?«

»Es könnte noch eine andere Möglichkeit geben«, ließ Sham langsam durchklingen.

»Klär mich auf.« Diesmal klang es nicht wie eine Bitte, und sie schleuderte ihm einen garstigen Blick zu.

»Bitte denk daran, auch wenn der äußere Anschein etwas anderes besagt, ich bin nicht deine Mätresse«, fauchte sie.

Der Anflug eines Lächelns umspielte Kerims Augen, als er seinen Wunsch in neue Worte kleidete. »Ich bitte Euch, holde Lady, erleuchtet diese unwürdigen Ohren mit der anderen möglichen Erklärung.«

Sham rieb sich seufzend das Kinn und murmelte: »Ich schätze, das war gut genug.« Dann räusperte sie sich und sprach weiter. »Ich habe noch nie davon gehört, dass Dämonen ihr Erscheinungsbild nach Belieben verändern können. Auch wenn Dämonologie zugegebenermaßen keine bedeutende Rolle bei der Ausbildung von Magiern einnimmt, sollte man meinen, dass eine solche Fähigkeit Einzug in Volksmärchen gehalten hätte.«

Kerim brachte leise einen Einwand an: »Was immer das Erscheinungsbild meines Bruders angenommen hat, klingt auch wie er, bewegt sich wie er und bedient sich derselben Redewendungen wie er. Ich habe mich heute Morgen mit ihm über einen Vorfall in unserer Kindheit unterhalten, und er hat Einzelheiten hinzugefügt, die ich vergessen hatte.«

»Es besteht immer die Möglichkeit, dass der Dämon dazu in der Lage ist«, räumte sie ein, »nur hoffe ich das nicht. Obwohl die zweite Möglichkeit nicht viel besser ist. Der Mörder, sei es ein Dämon oder ein Mensch, könnte Zugriff auf einen seltenen Golem haben – der als Simulakrum bezeichnet wird.« Sham hatte an sich Cybellisch gesprochen, allerdings benutzte sie die südwäldischen Wörter für ›Golem‹ und ›Simulakrum‹, da es keine cybellische Entsprechung dafür gab.

»Was ist ein Golem?« Kerim wechselte so ansatzlos ins Südwäldische, dass Sham sich unweigerlich fragte, ob es ihm überhaupt bewusst war.

»Ein Golem ist eine beliebige, leblose Kreatur, die durch Magie belebt wird«, antwortete Sham in derselben Sprache. »Häufig werden Marionetten für solche Zwecke verwendet, da sie sich gut dazu eignen. Aber es geht auch alles andere.«

Sie sah sich im Raum um und zeigte auf ein sorgsam auf dem Tisch ausgebreitetes Kettenhemd. Zwecks dramatischer Wirkung sagte sie: »Ivek meharr votra, evahncey callenahardren!«

Das Kettenhemd raschelte und bauschte sich, als stecke ein Mensch darin. Mit einem unscheinbaren Anflug von Shams Magie richtete es sich auf die unteren Glieder auf. Es handelte sich nicht um das Kettenhemd, das Kerim in der Nacht der Geistebbe getragen hatte; die Glieder schienen schwerer zu sein, unter der Kraft eines Hiebes waren sie schwieriger zu verbiegen. An der rechten Schulter wies das Metall eine geringfügig andere Farbe auf, wo es geflickt worden war.

»Heutzutage werden Golems fast ausschließlich für Unterhaltungszwecke herangezogen«, erklärte Sham und bewirkte eine Verneigung des Kettenhemds, bevor sie es mit einem Geräusch, das an ein erleichtertes Seufzen erinnerte, auf den Tisch zurücksinken ließ. »Es ist schwierig, einen zu erschaffen, der groß oder vielschichtig genug ist, um etwas Nützliches zu vollbringen. Golems verfügen nicht über ein eigenes Gehirn, was bedeutet, der Zauberer muss jede einzelne Bewegung lenken.«

Kerim starrte das Kettenhemd immer noch an. »Ich bin nicht sicher, ob ich das je wieder anziehen kann.«

Sie grinste. »Aber dafür wurde es gemacht. Wenn du es nicht benutzt, verletzt du seine Gefühle.«

Er bedachte sie mit einem tiefschwarzen Blick, den das Funkeln von Gelächter in seinen Augen Lügen strafte. »Zurück zum Golem.«

»Ich hab dir ja schon von den verbotenen schwarzen Künsten erzählt, die verwendet werden, um einen Dämon zu beschwören«, fuhr Sham nüchtern fort. »Golems waren nicht immer so nutzlos. Es gibt mehrere Arten, die man erschaffen kann, wenn der Magier bereit ist, auf schwarze Magie zurückzugreifen.«

»Schwarze Magie erfordert die Verwendung von Opfern«, warf Kerim ein.

»Oder von menschlichen Körperteilen«, gab sie ihm recht. »Beim Erschaffen von Golems allerdings sind in der Regel Menschenopfer erforderlich – manchmal sogar mehrere. Beispielsweise im Fall eines Simulakrums. Es kann für eine gewisse Zeit die Erscheinungsform von jedem Wesen annehmen, das es tötet. Soweit ich weiß, gebärdet sich der Golem in dem Fall genauso wie der Mensch, den er gemeuchelt hat, sofern er nicht unter der unmittelbaren Herrschaft seines Meister steht.«

Sham verschränkte die Arme vor der Brust, tippte sich mit einem Finger an den Bizeps und überlegte kurz. »Ich meine, mich zu erinnern, dass manche Zauberer Golems erschufen, die ihre Dämonen benutzen konnten, wenn sie die Wünsche ihrer Meister erfüllten. Ich glaube, der Grund für diesen Zauber bestand darin, den eigentlichen Wirtskörper zu schonen – der viel schwieriger zu erschaffen ist als ein Golem.«

»Ich hätte geschworen, dass der Mann, mit dem ich heute Morgen sprach, mein Bruder war«, meinte Kerim leise, einige Sekunden nachdem sie zu sprechen aufgehört hatte. »Besteht die Möglichkeit, dass der Leichnam, den wir gefunden haben, nicht der meines Bruders ist, sondern ein sorgsam angefertigtes Ebenbild?«

»Wozu sollte das gut sein?«, gab Sham zurück. »Mir fallen etliche Gründe ein, warum ein Dämon die Gestalt deines Bruders annehmen könnte; aber keiner, warum er jemanden töten und wie Lord Ven aussehen lassen sollte. Aber wenn du möchtest, kann ich den Leichnam eingehender untersuchen.«

Kerim schüttelte den Kopf und drehte sich wieder dem Feuer zu. Das über seine Züge flackernde Licht brachte die Besorgnis zur Geltung, die sich in sein Gesicht eingegraben hatte. Kurz schloss er die Augen.

»Du hast keine Ahnung, wie man das aufhalten kann?« Er sprach Cybellisch, als fiele es ihm in seiner Muttersprache leichter, seine Gefühle zu verbergen.

Sham schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich stehe mit den Flüsterern in Verbindung, aber mehr kann ich nicht tun. Selbst wenn ich einen Magier fände, der etwas über Dämonologie weiß, wäre der nicht scharf darauf, es zuzugeben – immerhin ist das verbotene Magie. Jeder Zauberer, der solches Wissen anwendet, würde von der Magiergilde hingerichtet, wenn er nicht bereits davor von einer aufgebrachten Meute erwischt würde. Der Hai hat ein paar Zauberer, die gelegentlich für ihn arbeiten und etwas wissen könnten, allerdings bewahrt niemand Geheimnisse besser als ein Magier.«

»Kannst du den Dämon töten, wenn du ihn findest?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete sie wahrheitsgemäß.

»Also …«, meinte er schwermütig. »Wir haben eine Kreatur, die wir nicht aufspüren können und die Menschen aus einem unbekannten Grund tötet. Und falls wir diesem Wesen durch Zufall über den Weg laufen, wissen wir nicht, was wir tun können.«

»Etwas ist da noch«, bot sie zögerlich an. »Der Dämon weiß nicht, dass wir von Lord Vens Tod wissen.«

»Wenn wir die Leiche meines Bruders noch etwas länger verstecken, könnte es uns gelingen, der Kreatur eine Falle zu stellen«, gab der Vogt ihr so bereitwillig recht, dass Shamera auf Anhieb wusste, dass er denselben Einfall gehabt hatte. »Nur was hilft uns das, wenn wir keine Ahnung haben, wie wir den Dämon töten können?«

»Ich weiß es nicht«, gestand Shamera. »Ich weiß es nicht.«

8

Sham setzte sich abrupt auf, als ein leises Geräusch durch ihr dunkles Zimmer dröhnte. Das Bett fühlte sich zu weich an und behinderte ihre Bewegungen, als sie sich hinausrollte und mit dem Messer in der Hand auf den Boden kauerte. Zwar konnte sie die Gegenwart des Dämons nicht fühlen, trotzdem entzündete sie mit einem Hauch Magie die Kerzen.