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Ihre Massage schien ein wenig Wirkung zu erzielen; er verkrampfte sich nicht mehr so sehr infolge der Schmerzen, und seine Stimme hatte zu ihrem gewöhnlichen Tonfall zurückgefunden. »Ich bat ihn, mich irgendwo hinzuschicken, wo ein Krieger nützlich wäre. Gekränkt, weil ich mir keinen Platz an seiner Seite wünschte, schickte er mich hierher zu den – verzeih die Bezeichnung – ›Wilden‹, während er über das wunderbare Reich Cybelle herrscht.« Kerim drehte den Kopf und bedachte Shamera mit einem schiefen Lächeln. »Warum interessierst du dich für Altis?«

»Mir ist der Gedanke gekommen, ob Altis es einem Dämon gestatten würde, ihn in seinem Tempel zu verehren«, sagte Sham gedehnt – wenngleich ihr das erst gegen Ende seiner Erzählung eingefallen war.

Der Vogt ließ sich ihre Worte kurz durch den Kopf gehen, bevor er abwehrend die Hände hob. »Ich weiß es nicht. Aber ich kann dir sagen, dass es etliche Menschen gibt, die Altis nicht verehren: die Adeligen Südwalds etwa, Halvok, Chanford oder sogar Lady Sky. Was das angeht, sind auch die meisten Diener Südwäldler, und es gibt sogar einige Ostländler wie Dickon, die zu dem Schluss gelangt sind, dass es eine undankbare Aufgabe ist, Götter anzubeten, und zwar schon, bevor ich …«

Kerim verstummte jäh, als ihm ein verheerender Krampf den Atem verschlug. Entsetzt beobachtete Sham, wie sich die Muskeln anspannten und zuckten, schlimmer als zuvor. Sein Rücken verkrümmte sich schier unmöglich; sie rechnete damit, jeden Augenblick das Knacken von Knochen zu hören.

Sham warf die weltlichen Methoden über Bord und zeichnete die Linien der Gesundheitsrune dort auf seinen Rücken, wo das Chaos am schlimmsten wütete. Sie schloss die Augen, versuchte, sich bildlich vorzustellen, wie sich jedes einzelne Muskelbündel entspannte, und zwang sich, die Rune langsam zu zeichnen, damit ihr nur ja kein Fehler unterlief. Als sie fertig war, richtete sie sich auf und betrachtete mit magieverstärkten Sinnen das vollendete Werk.

Die Rune glitzerte in Orangetönen und fing dann an, so zu verblassen, wie es sein sollte. Kerim seufzte und entspannte sich nach und nach. Als nur noch ein matter, kaum noch sichtbarer Umriss der Rune verblieb, flammte das Symbol plötzlich grell auf, bevor es sich zu einem zornigen Rot verfärbte.

»Bei den Winden der sieben Meeresgötter …«, murmelte Sham zutiefst verwirrt. Die Rune hätte vollständig verblassen sollen … es sei denn, die Krämpfe hatten eine unnatürliche Ursache.

Es will den Vogt mehr, als es seit tausend Jahren etwas begehrt hat. Die Worte des blinden Stalljungen hallten durch ihre Gedanken. Die Gesundheit des Vogts hatte sich ungefähr zu der Zeit zu verschlechtern begonnen, als die ersten Morde angefangen hatten.

Sham beobachtete, dachte fieberhaft nach, während sich das Symbol zu schwarz verdunkelte und Kerims Rücken abermals von Zuckungen gepeinigt wurde. Dringlichkeit verlieh ihren Fingern Geschick und ihrer Arbeit Macht, als sie eine weitere Rune zeichnete: einen Schutz gegen Magie. Während sie den Bann entwickelte, konnte sie fühlen, wie die Rune einen Bindungszauber streifte, den sie sonst nicht hätte wahrnehmen können. Verdutzt wirkte sie einen anderen Zauber.

Langsam, als wären sie widerwillig, sich zu zeigen, erschienen dünne gelbe Linien. Eine auf lebendiges Fleisch gezeichnete Rune besaß mehr Macht als bei derlei Dingen üblich, und diese Rune war von einem Dämon angefertigt worden. Als die Wirbel und Linien des Symbols deutlicher wurden, konnte sie ein Bindungszeichen ausmachen – den Quell des Bannes, den sie gerade gespürt hatte –, wenngleich sie einen Großteil davon nicht erkannte.

Ein rauer Laut entrang sich Kerim, als die Muskeln in seinem Rücken sich weiter anspannten. Shamera legte die Hand vorsichtig auf die Rune des Dämons und unternahm einen Versuch, sie aufzulösen. Nach mehreren Anläufen wurde klar, dass das nicht klappen würde. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit, wenn sie nur schnell genug und der Dämon langsam genug war.

Rasch begann sie, die Rune des Dämons nachzufahren, die Macht des Dämons durch ihre eigene zu ersetzen und das Symbol an sich zu binden. Sie hatte gerade einmal die Hälfte des Musters geschafft – nicht annähernd so viel, wie sie brauchte –, als der Dämon anfing, sein Werk zurückzuerobern. Das überraschte sie zunächst; sie hatte nicht gewusst, dass die Möglichkeit bestand, Runen zu bearbeiten, ohne anwesend zu sein. Nach kurzem Zögern ging sie dazu über, das Muster unscheinbar zu ergänzen, Kleinigkeiten hinzuzufügen, unsinnige Dinge, Bestandteile der Rune, die gänzlich ihr gehörten. Dinge, die der Dämon nicht sehen konnte.

Schweiß perlte über Shams Stirn, als sie darum kämpfte, die Macht des Dämons zu brechen. Nur für einen Atemzug verlor sich der Dämon in einer von Shams nutzlosen Ergänzungen, doch das verschaffte ihr die Zeit, den groben Umriss der Hauptrune zu vollenden. Das übergeordnete Muster gehörte damit ihr, und es gelang ihr, die Zusätze aufzulösen, das Geflecht, das die Schlichtheit der Rune verwässerte, kleine Zugaben sowohl ihres eigenen Gespinstes als auch jenes des Dämons. Damit löste sie die Herrschaft des Dämons über die Bindungsrune vollständig auf.

Kaum war die Macht des Dämons gekappt, erschlaffte Kerim entspannt auf den Laken. Die Hand, mit der sie sich die Haare aus dem Gesicht schob, zitterte vor Erschöpfung. Sie holte tief Luft, löste den letzten Rest der Rune auf und befreite Kerim von jeglicher Bindung. Danach ließ sie ihren Blick prüfend durch den Raum wandern.

Sie hatte damit gerechnet, dass der Dämon ins Zimmer kommen würde, doch das hatte sich als nicht notwendig für ihn erwiesen. So wirkte Magie nicht. Magie – jegliche Magie – unterlag nur wenigen Gesetzen. Eines davon besagte, dass ein Magier nur dann Magie wirken konnte, wenn er körperlich anwesend war … außer der Dämon verfügte in diesem Raum über eine Bündelungsrune.

»Shamera?«, fragte Kerim leise, ohne sich in seiner ausgestreckten Position zu rühren.

»Pst«, brachte sie ihn zum Schweigen und starrte weiter in die Winkel des Zimmers.

Das Runenmal würde irgendwo versteckt sein, vermutete sie. An einer Stelle, auf die ein Magier nicht zufällig schauen würde. Ihr Blick fiel auf Kerims Rollstuhl. Sie rollte sich vom Bett und kippte den Stuhl um.

Beim Klappern des auf dem Boden aufschlagenden Stuhls drehte Kerim den Kopf. »Shamera? Was machst du da?«

»Sag ich dir in einer Minute«, murmelte sie und betrachtete eingehend die Unterseite der Sitzfläche.

Jetzt erwies es sich als einfach, die Bündelungsrune zu finden. Sie war nicht mit Kreide gezeichnet oder eingeritzt worden, wie Sham es gemacht hätte, sondern mit Magie tief eingebrannt, unsichtbar für jeden, der kein Magier war.

Mit einem wüsten Fluch zog Sham den Feuerschirm weg und rollte den Stuhl in den riesigen Kamin. Die Flammen zogen sich von dem Holz zurück, als stieße das Wesen des Mals sie ab.

Shamera hob die Arme über den Kopf und stimmte einen gefühlvollen Sprechgesang an, um das Feuer mit der Kraft ihrer Magie zu unterstützen. Plötzlich schwollen die Flammen an und züngelten mit Heißhunger über den Stuhl. Weder die schwülstige Geste noch der Sprechgesang wären notwendig gewesen, doch beides passte zu gut zu ihrer Stimmung.

Wie dumm von ihr, nicht schon früher eine solche Erklärung für Kerims ›Krankheit‹ in Erwägung gezogen zu haben, vor allem, nachdem das Selkie, Elsic, ihr praktisch gesagt hatte, dass Kerim den Dreh-und Angelpunkt der Angriffe des Dämons darstellte. Menschliche Magie konnte man zwar nicht auf eine solche Weise einsetzen, aber sie hatte ja gewusst, dass sie es mit einem Dämon zu tun hatte. Und sie wusste auch, dass es Kreaturen gab, die sich von Schmerz und Verzweiflung ernährten; jedenfalls hatte der Dämon seine anderen Opfer nicht in körperlichem Sinn verzehrt.