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Lady Tirra nickte und setzte zu einer Erwiderung an, doch das Geräusch wilden Hämmerns gegen die Tür kam ihr zuvor. Talbot, der sich dem Eingang am nächsten befand, eilte hin und öffnete. Sham erkannte den Stallknecht, der schon einmal gekommen war, um Kerim zu holen, diesmal jedoch war er unübersehbar gerannt.

»Herr, in den Stallungen ist ein Mann ermordet worden. Ein Aufstand braut sich zusammen, und Elsic steckt mittendrin. Der Stallmeister hat mich geschickt, um Euch zu holen, bevor die Dinge aus dem Ruder laufen.«

Kerim nickte und setzte sich in Richtung der Tür in Bewegung. Kurz hielt er inne, um das an der Wand hängende Kriegshorn zu ergreifen. »Talbot, bleib bei meiner Mutter. Sobald sie sich gut genug fühlt, begleitest du sie in ihre Gemächer und kommst zu uns zu den Stallungen. Shamera, folg mir.«

Sie setzte dazu an, seinem Befehl nachzukommen, dann wurde ihr bewusst, dass sie nach wie vor ihre Diebeskluft trug. Schnell trat sie vor einen Spiegel an der Wand neben der Tür und wirkte einen kurzen Zauber. Es war kein richtiger Trugbann, da dies nicht wirklich ihren Begabungen entsprach, sondern eher etwas, das einem Unsichtbarkeitsbann nahekam – fast so gut wie Dickons Gebaren der Art: Seht mich nicht an, ich bin bloß ein Diener.

Dann schloss sie zu Kerim auf, der sich bereits auf halbem Weg den Gang hinab befand.

10

Elsic schmiegte den Kopf an die seidig-weiche Schulter von des Vogtes Schlachtross. In einer Hand hielt er eine Bürste, während er den angenehmen Duft von Pferd und frischem Stroh einatmete.

Der Hengst trug einen langen Namen in der Sprache der Menschen aus dem Osten, aber Kerim nannte das Pferd einfach ›Brandmal‹, weil es an allen Enden so schwarz wie ein versengtes Stück Holz war. Doch Elsic mochte es, die Zunge um den merkwürdigen Namen zu schlingen, wenn er mit dem Tier redete.

Seit Kerim ihm die Erlaubnis erteilt hatte, mit dem Pferd zu arbeiten, war Elsic damit betraut worden, es zu striegeln und den Standplatz sauber zu halten. Da er sich dabei auf seinen Tastsinn statt auf seine Sicht verlassen musste, brauchte er dafür länger als die anderen Stallknechte; aber der Stallmeister meinte, er verrichte die Arbeit genauso gut wie Jab, der den Hengst des Vogts vor ihm betreut hatte. Das Lob hatte Elsic nicht unbedingt beliebter bei Jab oder dessen Spießgesellen werden lassen, erst recht nicht, nachdem Jab wegen der Verwendung von Bettlersegen entlassen worden war. Aber Elsic störte die ablehnende Haltung der anderen Stallknechte nicht weiter. Er redete ohnehin nicht gerne, außer mit Brandmal und gelegentlich mit dem Stallmeister oder Kerim.

Die meiste Zeit verbrachte Elsic in der Isolationsscheune, wohin Kerims Schlachtross verbannt worden war, nachdem es aus seinem Abteil ausgebrochen war und einen der anderen Hengste übel zugerichtet hatte. In der Scheune gab es vier Abteile, alle mit dicken Wänden und vergitterten Fenster, aber Brandmal stellte den einzigen Bewohner dar.

Als der Hengst rastlos das Gewicht verlagerte, striegelte Elsic weiter, um auch das letzte bisschen Schweiß zu beseitigen, das vom Laufen an der langen Leine verblieb, mit dem der Stallmeister Brandmal zweimal täglich in Form hielt. Für gewöhnlich genoss das große Tier die Aufmerksamkeit und stand regungslos da, solange Elsic die Bürste bewegte, aber an diesem Tag wich Brandmal einen halben Schritt davon zurück und begann, schnaubende Laute von sich zu geben, als er die Luft kraftvoll durch die Nüstern ausstieß.

Elsic streckte eine Hand aus und berührte das Pferd an der Schulter. Die samtene Oberfläche war schwitzig von der unruhigen Besorgnis des Tiers, und die Muskeln darunter hatten sich kampfbereit gespannt. Der Junge versuchte, zu wittern, was das Tier so beunruhigte – er hatte vor geraumer Zeit festgestellt, dass er eine fast genauso gute Nase besaß wie das Pferd. Als er tief die Luft einsog, hörte er, wie etwas gegen Holz streifte und die Scheune betrat. Einem Bauchgefühl folgend stand Elsic so still wie möglich, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Wie Elsic verhielt sich das Schlachtross ruhig, tat dem Eindringling in sein Gebiet keinerlei Herausforderung kund. Elsic grub zur Beruhigung eine Hand in die Mähne des Pferdes, als er im Abteil auf der anderen Seite des Mittelganges ein Rascheln und Poltern vernahm.

Die Erscheinung verschwand so plötzlich, wie sie aufgetaucht war. Er hörte nicht, wie sie ging, dennoch war sie auf einmal wieder weg. Brandmal wieherte durchdringend und bäumte sich halb auf, bis Elsics Füße vom Boden gehoben wurden. Auch der Junge roch es – Blut.

Zögerlich löste er den Griff und trat aus dem Abteil, schloss die Tür hinter sich, aber verriegelte sie nicht. Er dachte daran, den Stallmeister aufzusuchen, doch ein seltsames Gefühl der Beklommenheit lockte ihn stattdessen durch den Gang zum nächsten Abteil.

Die Tür erwies sich als verriegelt; er musste einen Augenblick umhertasten, um sie zu öffnen. Als sein linker Stiefel etwas berührte, kniete er sich hin und streckte eine widerwillige Hand aus, aber er ahnte bereits, dass der Mann tot war.

Als sie sich den Stallungen näherten, vernahm Sham ein zorniges Gemurmel und das schrille Wiehern eines wutentbrannten Hengstes. Der Großteil der Unruhe schien von einer kleinen Scheune abseits des Hauptgebäudes auszugehen.

Sie verspürte einen kleinen Anflug von Selbstzufriedenheit darüber, wie mühelos der neue Stuhl des Vogts über die Furchen und Steinchen auf dem Stallhof rollte, doch die Meute zornig murrender Stallknechte, die sich am Ostende der Scheune in der Nähe des Eingangs versammelt hatte, riss sie jäh aus diesem Gedanken.

Der Stallmeister stand vor der Menge und hielt drohend eine lange, verheerend aussehende Peitsche in der Hand, während er versuchte, sich über das Knurren der Leute Gehör zu verschaffen.

Sham hatte schon genug aufgebrachte Menschenmengen gesehen, um zu wissen, wann die Gemüter überzukochen drohten; ein Gefühl von Unbehagen hieß sie, die Hand um ihren Dolch zu legen.

Als der Stallmeister bemerkte, dass sein Vogt sich näherte, gab er den Versuch auf, sich an die Meute zu wenden, und begnügte sich damit, sie zurückzuhalten. Sein Blick strich über Sham hinweg, ohne zu verharren; er tat sie so beiläufig ab, als wäre sie nicht mehr als ein gemeiner Diener. Abgelenkt vom Erfolg ihres Bannes erkannte Sham erst, als sie sich bereits ziemlich genähert hatten, dass mehr als nur die Peitsche des Stallmeisters die Horde davon abhielt, das Gebäude zu betreten.

Ein großer, dunkelbrauner Hengst lief rastlos hin und her, schnaubte und warf den Kopf hoch, trat vereinzelt mit einem der flinken, kräftigen Vorderbeine aus. Weißer Schaum sprenkelte die breite Brust und die Flanken. Die Ohren hatte das Tier angelegt, was ihm ein bösartiges Aussehen verlieh, dem die wild rollenden Augen nur zusätzlichen Vorschub leisteten. Es sah aus wie das Pferd, das Kerim in der Nacht ihrer ersten Begegnung geritten hatte, aber Sham war nicht sicher.

Als sie sich dem Menschenauflauf bis auf wenige Schritte genähert hatten, hielt Kerim an und blies in das Kriegshorn, das er aus seinen Gemächern mitgenommen hatte. Das schwermütige Geheul schnitt mühelos durch das leisere Rumoren der Meute. Als der letzte Widerhall des Tons verklang, herrschte Stille auf dem Stallhof; sogar der Hengst hatte innegehalten.

Zufrieden damit, sich die Aufmerksamkeit der Versammelten gesichert zu haben, rollte Kerim weiter vorwärts. In der Menge öffnete sich eine Schneise, und Sham, die in ihrer staubigen Kluft geschlechtslos und ohne Gesicht blieb, folgte dem Vogt, bis er sich neben dem Stallmeister befand.

Kerim wandte sich an die Umstehenden. Er sprach zuerst Südwäldisch und wiederholte die Worte danach auf Cybellisch. »Ich glaube, ihr alle habt woanders Aufgaben zu erledigen.«

Unter seinem kalten Blick löste sich der Großteil der kleinen Menschenansammlung auf, bis nur noch eine Hand voll sturer Männer verblieb.

Kerim zog voll gespielter Überraschung die Augenbrauen hoch. »Ist das so zu verstehen, dass keiner von euch in meinen Stallungen arbeitet?«