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Sham zog die Augenbrauen hoch. »Du gibst dich schon wieder als Adeliger aus? Das ist ein Vergehen, das mit dem Strick geahndet werden kann.«

Der Hai schenkte ihr ein gefährliches Lächeln. »Ah, aber ich habe ein wenig Einfluss beim Vogt. Zufällig bin ich sehr gut mit seiner Mätresse befreundet.«

»Und wer hat mich gerade eben daran erinnert, dass der Vogt in Wirklichkeit gar keine Mätresse hat?«, fragte Sham mit einem breiten Grinsen.

»Schuldig«, gab er mit einer schwungvollen Verbeugung zurück. »Ich habe mich auch nach der Geschichte des Dämons der Feste umgehört. Anscheinend gibt es tatsächlich eine solche Erzählung, wenngleich in nichts, was mir zu Ohren gedrungen ist, der Name Chen Laut auftaucht. Ich habe zwei oder drei verschiedene Fassungen zu hören bekommen, aber ein Großteil der wesentlichen Punkte stimmt mit dem Bericht des Zauberers überein.«

Sham nickte. »Gut. Talbot sieht gerade die alten Aufzeichnungen durch. Scheint, als gäbe es genügend Hinweise, um die Geschichte zu bestätigen, die Halvok uns erzählt hat.«

Der Hai spuckte den Heuhalm auf den Boden. »Die dritte interessante Neuigkeit, die ich aufgeschnappt habe, könnte der Grund dafür sein, warum der Dämon den Alten Mann angegriffen hat. Anscheinend hatte Maur eine Auseinandersetzung mit einem Dämon, bevor er zum Magier des Königs wurde. Er wurde in ein Dorf zu Hilfe gerufen, in dem eine Reihe merkwürdiger Morde stattgefunden hatte. Dort entdeckte er einen Dämon, der sich unter einer Gruppe von Spielleuten versteckte, die im Dorf überwinterten. Er konnte ihn zwar vertreiben, aber nicht zerstören.«

»Der Chen Laut?«, fragte Sham.

»Das wusste meine Quelle nicht. Falls ja, wäre Maur vielleicht in der Lage gewesen, ihn wiederzuerkennen.«

»Der Alte Mann war blind«, erinnerte ihn Sham.

»Wenn er wusste, wie die menschliche Gestalt des Dämons aussah, hätte er ihn gut genug beschreiben können, um herauszufinden, wer er ist. Das würde erklären, weshalb der Dämon ihn angegriffen hat.«

»Ich kann spüren, dass sich das Muster allmählich zusammenfügt«, meinte sie bedauernd, »aber ich habe das Gefühl, das Gesamtbild von der falschen Seite zu betrachten.«

»Ich hoffe, du findest diesen Dämon, bevor er erneut töten kann. Ich habe das Gefühl, auf der Liste der Menschen, die er mag, stehst du nicht besonders weit oben.«

Sham lachte. »Der Gedanke ist mir in letzter Zeit schon mehrfach gekommen. Ich werde vorsichtig sein.«

Der Hai schnaubte höhnisch. »Und ich werde demnächst Fischer. Sei einfach gerissener, als er es ist.«

Mit Elsics Musik in den Ohren las Sham zum fünften Mal den Zauber, den man anwenden musste, um den Dämon zu seinen Ursprüngen zurückzusenden. Irgendwo unter dem sauber dargelegten Rezept gab es eine Philosophie, die ihn beherrschen würde. Dem Tod des Opfers schien eine besondere Bedeutung beizukommen, die über die Macht von Todesmagie noch hinausging.

Als sie den Zauber erneut las, breitete sich eine Gänsehaut über ihre Arme aus. Zunächst achtete sie nicht weiter darauf und hielt es für eine natürliche Reaktion auf die Art des Zaubers, den sie da erkundete. Erst nach und nach wurde ihr klar, dass ihre Nerven aufgrund der sehr realen Gegenwart von Magie kribbelten. Sie schaute von ihrem Buch auf und bemerkte, dass sich Elsic nicht bei ihr im Raum befand. Seine Musik wehte aus ihrem Zimmer herüber – und er spielte keine Harfe.

Ein eiskalter Schauder lief ihr über den Rücken, als sie die klaren Töne von Maurs Flöte hörte. Sie musste die Truhe schon wieder unverschlossen gelassen haben … obwohl es ihr gar nicht ähnlich sah, zu vergessen, ihre Truhe zu versiegeln. Und doch hatte sie genau das bei mindestens zwei Gelegenheiten und nun anscheinend einer dritten getan. Verflixte Flöte …

Sie klemmte sich das Buch unter den Arm und duckte sich unter dem Wandteppich hindurch. In ihrem Zimmer herrschte so dicht geballte Magie, dass sie das Gefühl hatte, daran zu ersticken. Sham hatte von der garstigen Angewohnheit der Flöte gewusst, jemanden zu sich zu rufen, der sie zu benutzen wusste. Angesichts seiner Magie und seiner musikalischen Fähigkeiten musste Elsic besonders empfänglich für den Ruf gewesen sein.

Er spielte die Flöte leise, kauerte mit einem verträumten Ausdruck im Gesicht auf der Kante ihres Bettes und ging so in der Musik auf, dass er Shams Vermutung nach wahrscheinlich keine Ahnung von dem Sturm der Magie hatte, der zunehmend anschwoll. Weil es grundsätzlich als gefährlich galt, jemanden zu unterbrechen, der Magie wirkte, setzte sich Sham neben Elsic aufs Bett und hatte die Absicht, seine Konzentration ganz langsam von der Musik abzulenken.

Leider hörte er schlagartig zu spielen auf.

»Es tut mir leid …« Ihm blieb keine Gelegenheit, weiterzusprechen, bevor die sich verdichtende Magie die Fesseln der Musik der Flöte abschüttelte und begann, sich zu Feuer zu formen – wie es jede wilde Magie tat. Rauch kräuselte sich vom unteren Rand des Wandteppichs empor, und kleine Flammen leckten hier und da über die Läufer, die Polsterungen und alles, was sonst auch nur ansatzweise brennbar war.

Instinktiv versuchte Sham, die Kontrolle darüber zu übernehmen, bevor die Vernunft ihr mitteilte, dass sie nie und nimmer grüne Magie wirken könnte. Sie setzte gerade dazu an, sich zurückzuziehen und nach einer anderen Möglichkeit zu suchen, den Schaden aufzuheben, den die Magie verursachte, bevor der Rauch im Raum gefährlich werden konnte, als ihr zwei Dinge klar wurden.

Das Erste war, dass nur Menschenmagie dazu neigte, sich in Feuer zu verwandeln, wenn sie ungeformt entfesselt wurde; grüne Magie war durch ihre Beschaffenheit bereits geformt, bevor man sie beschwor. Der zweite Punkt war, dass die Magie, als sie die Herrschaft darüber hatte erlangen wollen, auf sie reagiert hatte. Sie verlor keine Zeit damit, sich zu fragen, weshalb Elsic mit der Flöte Menschenmagie beschworen hatte. Der heiß in ihrer Lunge brennende Rauch erinnerte sie nachdrücklich an die gebotene Eile.

Wieder versuchte sie, die Kontrolle zu erlangen. Es gestaltete sich schwierig, Magie zu beherrschen, die sie nicht selbst beschworen hatte – Elsic war nicht ihr an sie gebundener Lehrling –, zudem hatte sie es mit mehr Macht zu tun, als sie je auf einmal benutzt hatte. Als sie sich damit abmühte, nahm sie am Rande wahr, dass sich die Bettwäsche mit Flammen entzündete, die sich ihrer Herrschaft entzogen.

Ihr kam der Gedanke, dass es vielleicht einfacher wäre, die Magie in einen Bann zu leiten, statt zu versuchen, sie zu bändigen. Sham gelangte zu dem Schluss, dass ein Feuer im Kamin genauso gut wie alles andere wäre, um die ziellos wabernde Macht zu zerstreuen, und führte die Magie den Scheiten zu, die nur darauf warteten, angezündet zu werden.

Diesmal verliefen ihre Bemühungen wesentlich erfolgreicher. Schlagartig ging das Holz in Flammen auf, die zornig hochzüngelten und es binnen eines Lidschlags zu Asche verbrannten. Den letzten Rest der Magie benutzte sie, um die vereinzelten kleinen Brände zu löschen und den Rauch zu vertreiben. Kurz darauf herrschte Stille im Raum – der sich deutlich wärmer als zuvor anfühlte.

»Was ist passiert?«, fragte Elsic kleinlaut.

Sham lachte ein wenig zittrig. »Das ist eine sehr gute Frage. Die Flöte ist eine Vorrichtung, die dafür gedacht ist, es einem Magier zu ermöglichen, Magie einfacher und schneller zu bündeln, als er es unter gewöhnlichen Umständen könnte. Anscheinend funktioniert das bei grüner Magie genauso wie bei Menschenmagie – aber die Magie, die sie bündelt, ist immer noch so roh wie jene, die menschliche Magier wie ich verwenden. Menschliche Magie schlägt in Flammen um, wenn derjenige, der sie beschwört, sie nicht bändigen kann.«

»Ich vermute, das bedeutet, ich sollte nicht darauf spielen.« Das Bedauern in seiner Stimme spiegelte sich in seinen Zügen wider.

»Wohl besser nicht«, pflichtete sie ihm entschieden bei, verstaute die Flöte wieder in der Truhe und brachte den Verschlusszauber an. Bei der nächsten Geistebbe würde sie die alberne Flöte in die Höhlen bringen, wo sie kein Problem mehr darstellen würde – hoffte Sham.