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Er nahm eine Abkürzung durch den Altarraum, den die Arbeiter für den Tag bereits verlassen hatten. Die Marmorfliesen bildeten ordentliche Stapel, und Fykall, der kurzzeitig von seiner Mission abgelenkt wurde, stellte voll Zufriedenheit fest, dass die Arbeiten in dem Bereich rasch voranschritten.

Das flackernde Fackellicht erfasste einen rauen Besen, der an der gegenüberliegenden Wand des Altarraums in der Nähe einer der Türen lehnte. Fykall durchquerte die dunkle Halle und ergriff den schäbigen Gegenstand mit zweifelndem Blick. Die Strohborsten waren weiß und mit Mörtelrückständen von den Fliesen verklebt. In dem Versuch, das pulvrige Material zu lösen, klopfte er damit gegen die Wand.

Als Fykall bestürzt den Dreck betrachtete, der dadurch entstand, geriet ihm ein ungewöhnlicher Lärm aus dem Flur zu Bewusstsein, der an den Altarraum grenzte. Von einem Urinstinkt zu Verstohlenheit getrieben, löschte er die Fackel auf einem Bereich des Bodens, in dem noch keine Fliesen verlegt worden waren. Mit dem Besen in der Hand ging er leise zum Durchgang und spähte den langen Korridor entlang, den einige Fackeln in Wandhalterungen spärlich erhellten.

Von seinem Standort aus konnte Fykall den Eingang zum Speisesaal erkennen, wo zwei Männer standen: Mitglieder der Leibgarde des Hohepriesters in grauen Roben mit blauen Gürteln. Die Gardisten waren gut ausgebildete Söldner, bezahlt aus der persönlichen Tasche des Hohepriesters, da sie eher eine Vorliebe des Priesters als eine Notwendigkeit seines Amtes darstellten.

Fykall runzelte angesichts ihrer Anwesenheit die Stirn. Er hatte nichts von einem offiziellen Treffen gehört, das sie um diese späte Stunde hätte herführen müssen.

Jemand im Speisesaal grunzte erst und fluchte dann, und die sorgfältig gezupften Augenbrauen des kleinen Priesters sanken noch tiefer, teils vor Abscheu, teils vor Verwirrung. Das Grunzen hatte sich unwillkürlich angehört, als wäre jemand in den Bauch geschlagen worden.

Säubere mein Haus.

Fykall wartete darauf, dass die Gardisten beim Klang der Stimme, die durch seinen Körper hallte, aufschauen würden. Sollten sie sich in seine Richtung drehen, würden sie ihn sehen, aber sie blickten stur geradeaus. Er verstärkte seinen Griff um den Besen.

Vom anderen Ende des Flurs ertönte das Geräusch gemächlicher Schritte. Es handelte sich um denselben Weg, dem Fykall gefolgt wäre, wenn er sich nicht aus einer Eingebung heraus für die Abkürzung durch den Baustellenbereich entschieden hätte. Irgendwie überraschte ihn nicht, dass die Schritte vom Hohepriester stammten. Die falkenähnlichen Züge des älteren Mannes stellten friedliche Freundlichkeit zur Schau; es handelte sich um einen der Gesichtsausdrücke, die er regelmäßig verwendete, wenn er die Massen mit seiner Weisheit und Gläubigkeit beeindruckte.

Als Fykall den Hohepriester beobachtete, veränderte sich etwas. Für einen Atemzug wurde ihm schwindlig, und ein anderes Bild überlagerte das Antlitz des Hohepriesters, als dieser anhielt, um mit den Wachen zu sprechen. Fykall blinzelte, und die Vision verblasste allmählich, doch es blieb das Gefühl, dass etwas nicht stimmte – dass etwas Böses den höchsten Vertreter Altis’ in Südwald überschattete.

Fykall, säubere mein Haus.

Wenngleich die Stimme nichts von ihrer Macht verloren hatte, war ein Teil der Eindringlichkeit geschwunden, und Fykall begriff endlich, worin seine wahre Aufgabe bestand.

»Habt ihr sie?«, fragte der Hohepriester.

Einer der Wächter nickte. »Sie war allein, wie Ihr es gesagt hattet, Herr. Wie befohlen, erwartet sie Euch.«

»Hervorragende Arbeit. Du kannst gehen und deine Männer mitnehmen.« Noch im Sprechen schritt der Hohepriester an den Wachen vorbei und betrat den Speisesaal.

»Ja, Herr.« Der Söldner verneigte sich kurz und rief seine Männer mit einem knappen Pfiff zu sich.

Fykall hätte den ihm am nächsten befindlichen Mann zum Stolpern bringen können, als die Wächter den Flur entlang zum unfertigen öffentlichen Zugang marschierten, doch keiner von ihnen bemerkte seine Anwesenheit nahe der Tür zum Altarraum. Wie es schien, hatte Altis in dieser Nacht andere Schlachten für ihn vorgesehen, die er zu schlagen haben würde.

Kaum waren die Männer um die erste Ecke gebogen, trat Fykall verwegen hinaus auf den Flur.

Sham krümmte und wand sich. Es gelang ihr, die gefesselten Füße mit befriedigender Wucht in den Bauch eines Mannes zu rammen, bevor ihre Entführer sie mit Seilen an einem robusten Stuhl festbinden konnten. Sie war nicht sicher, wo sie sich befand, da sie über einer harten Schulter liegend und mitten auf einem ihr unbekannten Gang aus dem Schlafbann erwacht war.

Die Fesseln, die man ihr angelegt hatte, bestanden aus etwas, das Magie verschluckte. Sosehr sie sich bemühte, sie fand keinen Weg, sie abzuschütteln. Sie holte tief Luft. Ihr gesamter Körper zitterte unter der Gewalt ihrer Wut. Ein jäher Pfiff aus dem Flur zog die Wachen ab, als der Hohepriester eintrat.

Lord Brath betrachtete sie voll Befriedigung. »Ah, eine Ungläubige, eine Handlangerin des Bösen.«

Sham starrte ihn finster an. Der Knebel, den man ihr angelegt hatte, ließ ihr keine Möglichkeit zu erwidern, was sie nur zu gerne losgeworden wäre. Das Beste, was ihr gelang, war ein gedämpftes Knurren.

Der Hohepriester lief auf und ab und rieb sich dabei vergnügt die Hände. »Ich habe mit dem Gedanken gespielt, dich als gefährliche Ketzerin verbrennen zu lassen, die unseren Vogt verhext hat. Aber ich habe beschlossen, keine Märtyrerin aus dir zu machen.«

Er drehte sich um und blickte sie an. Ihre Augen weiteten sich vor Grauen angesichts dessen, was er ihr gestattete, in seinem Gesicht zu sehen. Für sie bestand kein Zweifel daran, dass der Dämon ihr seinen Golem bewusst offenbarte, denn kaum war die Kreatur überzeugt davon, dass Sham ihre wahre Natur erkannt hatte, wurde sie wieder zum bloßen Hohepriester. Shamera ging durch den Kopf, dass sie sich geirrt hatte, als sie zu dem Schluss gelangt war, der Dämon würde es nicht wagen, Altis’ Tempel zu betreten. Eine Kreatur, die Lord Brath getötet hatte, fürchtete sich nicht vor Altis – was sich irgendwie alles andere als beruhigend anfühlte.

»Stattdessen«, fuhr der Golem leise fort, »habe ich ein anderes Schicksal für dich gewählt. Als Mätresse des Vogts wird es wesentlich einfacher für mich werden, meine Ziele zu erreichen.«

»Du wirst im Hause Altis’ überhaupt nichts tun, widerwärtige Kreatur«, verkündete von der Tür eine Stimme mit einem Hauch Melodramatik – woran Sham in ihrer gegenwärtigen Lage nicht das Geringste auszusetzen hatte.

Sie streckte den Hals und erblickte Fykall. Er trug das kurze Haar ordentlich gekämmt, und die Falten seiner Leinengewänder wirkten geradezu unnatürlich sauber angeordnet. In einer Hand hielt er einen ziemlich staubigen und verschlissenen Besen. Der kleine Priester sah seinen Vorgesetzten so ruhig an, als begegne er jeden zweiten Tag gefesselten Frauen. Ihre Meinung von Lord Brath verbesserte sich durch diese Einsicht nicht unbedingt.

Der Golem, der Braths Erscheinungsbild angenommen hatte, drehte sich ohne Eile um und runzelte die Stirn. »Fykall, du überspannst den Bogen.«

Weder seine Stimme noch seine Züge ließen erkennen, dass Fykall bei etwas Geheimem störte.

»Wieso das?«, erkundigte sich Fykall in mildem Tonfall und wischte mit dem Besen leicht über den Boden.

Sham fiel auf, dass sich vom Strohende bröcklige Mörtelrückstände lösten und den Boden übersäten.

»Ich spreche später mit dir«, erwiderte der Hohepriester und entließ seinen Untergebenen damit unüberhörbar. »Im Augenblick bin ich beschäftigt.«

Der Besen verharrte.