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Fykall trat einen Schritt vor, aber Sham, die beobachtete, wie Talbots Hand den Griff um das Heft seines Schwertes verstärkte, packte den Priester an der Schulter. »Ruhig, Lord Fykall. Diese Männer wissen etwas darüber, womit wir es hier zu tun hatten – und sie haben keine Möglichkeit festzustellen, ob wir diejenigen sind, die wir zu sein scheinen.«

Talbot nickte ihr anerkennend zu. Das tat jedoch seinem Argwohn keinen Abbruch, und er deutete mit dem Kopf rasch in die Richtung des Priesters.

»Warum erklärt Ihr uns nicht, wie ihr in den Tempel gelangt seid, Lady Shamera?«, sagte Talbot schließlich, denn er war Südwäldler, und Sham wusste, dass der Anblick von Altis’ Macht für ihn beinahe so zweifelhaft sein musste, wie es Magie für Dickon gewesen war. »Und weg mit dem Messer, während wir reden, ja?«

Sham grinste und warf das Messer so, dass es mit der Spitze voraus auf einem der mehrere Meter entfernten Esstische landete. Zu spät fiel ihr ein, dass es sich dabei um eine Fähigkeit handelte, die eine Mätresse des Vogts nicht besitzen sollte. Ach, was soll’s, dachte sie, vielleicht bemerkt es inmitten all dieses Treibens ja niemand. Die meisten Gardisten, bis auf den letzten Mann Ostländler, starrten unbehaglich auf den Berg Kleidung des Hohepriesters auf dem Boden.

»Es war schiere Dummheit«, gestand Sham mit verschämter Miene. »Ich habe mich daran gewöhnt, mit Geschenken von Leuten überhäuft zu werden, die Einfluss auf den Vogt haben wollen. Ein Bote brachte mir eine Kassette mit einem Ring und bestand darauf, dass ich ihn anprobierte, bevor er ging. Jemand, wahrscheinlich der Dämon, hatte den Ring so verzaubert, dass jeder, der ihn aufsetzt, einschläft. Als ich aufwachte, war ich hier.«

Sie ging zu den Gewändern des Hohepriesters und suchte darin, bis sie den Ring mit dem Sternrubin fand. Kurz betrachtete sie ihn, denn warf sie ihn Talbot zu. »Ich würde ihn nicht anprobieren. Es ist niemals klug, mit Magie herumzuspielen, mit der man nicht vertraut ist.«

Während Talbot den harmlos wirkenden Ring in Augenschein nahm, besah Sham den gelben Topas, den sie ebenfalls aufgehoben hatte.

Er hatte die Größe eines Kirschkerns – etwas klein für einen Topas. Der Stil seines Schnitts zeugte von hohem Alter: Er war geschnitzt und nicht geschliffen worden. Durch die aufwendige Bearbeitung wirkte der Stein stumpf und leblos; ein hübsches Schmuckstück, aber heutzutage bei einem Edelsteinhändler weniger wert als ein ungeschliffener Stein gleicher Größe. Als das Licht richtig auf den Topas fiel, konnte Sham erkennen, dass die Schnitzerei die Rune bildete, die den Golem belebt hatte.

Sham warf ihn in die Luft und flüsterte einen Zerstörungszauber. Als der Topas auf dem Boden landete, zerfiel er zu Pulver; dieser Stein würde keinen weiteren Golem mehr mit Leben erfüllen. Sie schaute auf und sah, dass Fykall sie mit ernster Miene beobachtete.

Sham wandte sich an Talbot. »Fykall hat die Kreatur vernichtet, die Brath übernommen hatte. Dann seid ihr hereingekommen, bevor wir Gelegenheit hatten, durchzuatmen.« Sie richtete die Aufmerksamkeit wieder auf den Priester. »Was mich daran erinnert, dass ich Euch noch gar nicht für Euer rechtzeitiges Eingreifen gedankt habe.«

Der kleine Mann schüttelte den Kopf. »Als Altis’ Diener hätte ich nichts Geringeres tun können.«

Sie zögerte sichtlich, denn die Worte schienen ihr im Hals festzustecken – aber sie erinnerte sich an das Gefühl der Macht, die ihren Zauber zur Zerstörung der Fesseln des Dämons so sehr verstärkt hatte. »Dann ergeht mein Dank an Altis.«

Fykall lächelte höflich. »Gelobt sei sein Name.«

»Wärt Ihr wohl daran interessiert, Euch des Dämons anzunehmen, der die Handlungen des Golems lenkte?«, fragte Sham. So wenig sie Altis mochte, sie hatte gerade erst entdeckt, wie nützlich er sein konnte.

Der Priester schwankte leicht, als lausche er jemandem, den sonst niemand hören konnte. Dann lächelte er und schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, das könnte ich, aber auf dieser Welt gibt es neben Altis noch andere Kräfte, und sie alle gehorchen bestimmten Regeln. Als der Dämon versucht hat, Altis’ Tempel für seine Untaten zu missbrauchen, hat er meinem Herrn die Freiheit verschafft, den Handlanger der Kreatur zu vernichten. Wollte Altis den Dämon an einem anderen Ort angreifen, wäre der Weg frei für einen genauso starken Gegenangriff einer Kraft des Bösen. Ich wünschte, ich könnte mehr tun.« Dann lächelte er mit echtem Humor. »Und sei es nur, damit der Vogt noch tiefer in meiner Schuld stünde.«

Sham grinste zurück und wandte sich Talbot zu. »Nun, Talbot, ich würde sagen, Ihr habt die Wahl. Entweder ist einer von uns der Dämon und der andere der Golem, oder es sind wirklich nur der Priester und ich.«

Hauptmann Lirn fasste unter seine Tunika und zog eine Kette über seinen Kopf. An deren Ende baumelte in Silber die Katze Altis’ samt grüner Augen.

»Ich bin zwar nicht sicher, ob ich dem folgen kann, was hier vor sich geht«, sagte der Hauptmann, »aber wenn wir sicher sein müssen, dass Bruder Fykall der ist, der er zu sein scheint, dann sollte es damit klappen.« Er reichte die Kette Fykall und sprach: »Gesegnet sei der Name Altis’.«

»Gesegnet seien jene, die das Symbol seines Dienstes tragen«, gab der Priester zurück.

Als er sprach, begannen die Smaragdaugen der Katze zu leuchten, bis ein fahlgrünes Licht den Raum erhellte. Als Fykall Lirn die Halskette zurückgab, verflog der Schimmer.

»Herr«, sagte Lirn zu Talbot, »das ist Beweis genug für mich.«

Talbot nickte, wenngleich er nicht vollends glücklich wirkte.

»Und für mich auch«, stimmte Dickon zu, doch er klang beinahe so argwöhnisch, wie sich Sham angesichts des Beweises für Altis’ Anwesenheit im Raum fühlte. »Wir sollten in die Feste zurückkehren. Mein Herr war gerade dabei, das Gebäude auf der Suche nach Euch in seine Einzelteile zu zerlegen. Für den Fall, dass sich der Hauptmann geirrt hätte.«

»Geirrt?«, hakte Sham nach und sah Lirn an.

Der Hauptmann zuckte mit den Schultern. »Mir ist aufgefallen, dass einer der Tempelmänner mit einem Körper mehr gegangen ist, als sie hätten mitnehmen sollen. Darauf habe ich den Vogt aufmerksam gemacht, als wir feststellten, dass Ihr verschwunden wart, Herrin. Lord Kerim hielt es für das Beste, uns hierher zu schicken, während er eine unauffällige Durchsuchung der Feste in die Wege leiten wollte.«

»Dann solltet Ihr besser gehen, bevor er noch in Raserei verfällt«, meinte Fykall.

Sham setzte sich hinter den Männern durch die Tür in Bewegung, aber der Priester berührte sie an der Schulter, um sie zurückzuhalten.

»Lady Shamera, Altis ersucht Euch darum, äußerst vorsichtig darauf zu achten, keinen seiner Altäre für Eure Rache zu verwenden. Er wird in Zukunft nicht mehr so nachsichtig sein, wie er es in der Vergangenheit war.«

Sham nickte langsam. »Altis’ Priester Brath hat daran mitgewirkt, dass ein Freund von mir verkrüppelt wurde. Ich habe jenen eine Bezahlung abverlangt, die dem Hohepriester dabei geholfen haben.« Kurz verstummte sie und wählte ihre Worte mit Bedacht, damit sie ihrer Rolle entsprechend förmlich klangen. »Durch Eure Taten heute habe ich überlebt. Damit ist die Schuld getilgt, und ich werde seine Altäre nicht noch einmal entweihen.«

Dickon kehrte durch die Tür zurück. »Kommt Ihr, Lady Shamera?«

Aus einer Eingebung heraus drehte sie sich um und küsste den Priester auf die Wange, bevor sie ihre Röcke anhob und geziert vorwärtsschritt, um sich bei Dickon einzuhaken.

»Also hat der Dämon seinen Golem verloren?«, fragte Kerim.

Bei ihrer Ankunft in der Feste hatte Kerim sowohl Sham als auch Dickon und Talbot zu einer ›Gesprächsrunde‹ in den an seine Gemächer grenzenden Besprechungsraum gerufen. Sham erzählte den anderen das von der Entführung, woran sie sich erinnerte. Im Gegensatz zu Talbot, der sie immer noch argwöhnisch beäugte, gab sich Kerim mit dem Beweis des Hauptmanns ohne Fragen zufrieden.