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Sham fuhr sich frustriert mit den Händen durch die Haare. »Sofern das der einzige Golem war, den er hatte, ja.«

»Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es mehr gibt?«, fragte Talbot.

»Dieser Golem war alt; vermutlich wurde er geschaffen, als der Dämon gerufen wurde.« Sie zuckte mit den Schultern. »Der einzige Topas, den ich je so geschliffen gesehen habe, war Bestandteil einer Halskette, die angeblich über achthundert Jahre alt gewesen ist. Der Dämon konnte den Golem beleben und durch ihn Magie wirken, ohne den Verlust des eigenen Körpers zu riskieren. Einen geeigneten Wirtskörper für den Dämon zu finden ist erheblich schwieriger, als Golems zu erschaffen, denn der Wirt muss mit Magie geboren worden sein. Um einen Golem wie jenen anzufertigen, den der Priester zerstört hat« – die Gezeiten sollten sie holen, wenn sie die ganze Anerkennung dafür Altis zugestünde, »sind sowohl Macht als auch Zeit erforderlich.«

»Also müssen wir den Dämon rasch finden, bevor er einen weiteren erschafft«, folgerte Kerim. »Das scheint mir der geeignete Zeitpunkt für Mutmaßungen zu sein. Hast du irgendwelche Vermutungen, wer der Dämon sein könnte?«

Müde rieb sich Sham die Augen. »Jemand mit einer bemerkenswerten Vergangenheit – ohne lebende Bekannte aus der Kindheit.«

»Das wäre an sich hilfreich, nur hat hier ein Krieg stattgefunden. Es gibt etliche Menschen, deren Familien umgekommen sind«, merkte Talbot an. »Mich zum Beispiel. Meine Eltern sind im ersten Monat der Kampfhandlungen gestorben, und meine drei Schwestern sind in den Straßen verschwunden. Mein Bruder ist auf dem Meer verschollen, als ich fünf oder sechs Jahre alt war. Ich könnte keine einzige Seele benennen, die mich schon gekannt hat, bevor ich erwachsen wurde.«

»Shamera, kann der Dämon sein Erscheinungsbild verändern?«, wollte Talbot wissen.

»Das glaube ich nicht. Maurs Buch zufolge altert der Wirtskörper des Dämons nicht, sobald der Dämon davon Besitz ergriffen hat. Wenn er das Aussehen seines Wirts verändern könnte, würde das bestimmt auch im Buch erwähnt, vermute ich.«

»Fällt dir sonst noch etwas ein, das uns helfen könnte, ihn aufzuspüren?«, erkundigte sich Kerim.

Sham setzte dazu an, den Kopf zu schütteln, als ihr ein Gedanke kam. »Es könnte ein Diener sein. Niemand würde daran denken, das Vorleben eines Dieners zu hinterfragen. Ein solcher Mensch könnte sich überall in der Feste frei bewegen und würde zudem weder an einem Ort wie Fegfeuer noch in einem der Adelshäuser in der Stadt fehl am Platz wirken.«

»Was ist mit Lord Halvok?«, fragte Dickon.

Sham schüttelte den Kopf. »Falls der Dämon unter der Herrschaft eines Zauberers steht, könnte er sein Meister sein, aber er ist nicht selbst der Dämon. Ich habe von den Flüsterern eben erst erfahren, dass Halvok über ein Jahrzehnt lang beim Zauberer Cauldehel von Reth gelernt hat. Cauldehel hat den Posten des Erzmagiers abgelehnt, als der letzte ae’Magi verschwand. Er ist mehrere Hundert Jahre alt und sehr mächtig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Dämon diesen Mann so lange zum Narren halten könnte.«

»Dann fange ich mit den Bediensteten an – nachdem ich damit fertig bin, die Hofaufzeichnungen durchzusehen«, sagte Talbot mit einem Seufzen. Sham beneidete ihn nicht um diese Aufgabe. Die Zahl der Bediensteten in der Feste belief sich auf Hunderte, wenn nicht sogar Tausende.

»Ich geh mich jetzt in meinem Zimmer verstecken und versuche, ein wenig zu schlafen«, verkündete sie erschöpft.

14

Infolge der Entführung wurden zwei Gardisten vor Shams Tür postiert, zwei weitere im Gang.

»Es ist schwierig, den Dämon zu jagen, wenn ich in meinem Zimmer festsitze«, klagte Sham, als sie auf einem Stuhl in den Gemächern des Vogts saß. »Und gegen den Dämon wären die Wachen wahrscheinlich ohnehin nicht sehr hilfreich.«

Kerim hielt beim langsamen Durchschreiten des Raums inne. Er stützte sich an einem Stuhl ab, um das Gleichgewicht zu halten, zwang aber seine Beine, sein Gewicht zu tragen. »Jeder in der Feste weiß, dass du entführt worden bist, wenn auch nicht, von wem. Wenn ich nicht irgendwelche Maßnahmen ergreife, um deine Sicherheit zu gewährleisten, kommt es zu Gerede. Beschränke deine Nachforschungen eine Zeit lang auf den Hof; in ungefähr einer Woche lasse ich mir einen Grund einfallen, um die Wachen woandershin zu versetzen.«

Sham verschränkte die Arme vor der Brust und tappte missbilligend mit dem Fuß auf den Boden. »Ich habe am Hof bislang noch nichts Interessantes erfahren und kann mir nicht vorstellen, dass sich das in nächster Zeit ändert.«

Kerim bedachte sie mit einem neckischen Blick. »Ich komme heute Abend mit dir. So erhältst du Gelegenheit, zu üben, mich mit besitzergreifender Ehrfurcht anzustarren.«

Sie lachte, und ihr Ärger verflog. »Das gefällt dir, wie?«

»Was glaubst du wohl?«

Sie suchte nach Anzeichen für Belustigung in seinem Gesicht, aber Kerim ging schon wieder weiter. Die Schmerzen und die Konzentration, derer es bedurfte, um seine Beine zu bewegen, verdrängten jede Fröhlichkeit aus seinen Zügen.

Shams heutiges Kleid war aus weinroter Seide gewoben und mit Silber und Gold bestickt – den Farben des Vogts. Obwohl es im Großen und Ganzen züchtig war, schmiegte es sich mit unmodischer Beharrlichkeit an ihre muskulöse Gestalt.

Als sie die Gemächer des Vogts betrat, betrachtete Kerim das Kleid mit einem verwirrten Stirnrunzeln. Dickon, der sich hinter ihr befand, lachte – es klang ein wenig eingerostet, aber es war ein Lachen. Sham lächelte und drehte dem Vogt den Rücken zu. Durch ihr hochgestecktes Haar zeichnete sich der kunstvoll auf den Rücken des Kleids gestickte Leopard deutlich sichtbar ab. Es war ein Aufzug, der vielleicht für eine Ehefrau geeignet gewesen wäre. Aber von einer Mätresse getragen stellte das Kleid eine himmelschreiende Zurschaustellung ihrer Macht dar – sofern Kerim zu kichern aufhörte, bevor sie den Hof betraten.

»Mehrere meiner Berater sind der Ansicht, ich hätte dich zu viel Einfluss auf meine Entscheidungen erlangen lassen. Ich kann es kaum erwarten, ihre Gesichter zu beobachten, wenn sie dein Kleid sehen.«

Sham setzte einen nichtssagenden Blick auf und ließ ihren Südwald-Akzent deutlich durchklingen. »Dir gefällt das Kleid? Ich mag Großkatzen – sie sind so wild und prachtvoll, findest du nicht auch?«

»Mir käme nie in den Sinn, dir zu widersprechen, meine Liebe«, erwiderte der Vogt lachend und schob seinen Stuhl durch die von Dickon offen gehaltene Tür.

Das Kleid verursachte ein befriedigend missbilligendes Stirnrunzeln seitens der konservativen Lords aus dem Osten, nachdenkliche Blicke bei mehreren Frauen und abwägend lächelnde Mienen in den Reihen der Gesandtschaft aus Südwald – unter denen sich auch Halvok befand. Sham verbrachte den Abend damit, nicht vorhandene Falten aus Kerims Tunika zu glätten und verschiedene Teile seines Körpers zu streicheln, sehr zu seiner Belustigung.

Spät am Abend erschien Lady Tirra mit Lady Sky im Schlepptau. Kerims Mutter begrüßte Sham diesmal ohne die sonst übliche Frostigkeit. Zu Shams Entzücken sorgte das für mehr Aufsehen in der Gerüchteküche als das Kleid; obwohl Lady Sky ein wenig verwirrt darüber wirkte.

Nach der Begrüßung seiner Mutter wandte sich Kerim an Sky. »Du siehst heute wunderschön aus.«

Sie lächelte liebenswürdig und trat näher an den Vogt heran, sank vor ihm auf die Knie. Es handelte sich um eine altertümliche Geste, die von den Adeligen Südwalds benutzt wurde, wenn sie beim König als Bittsteller auftraten – Lady Sky vollführte sie mit vornehmer Anmut. Der Hof wurde stiller, als die in der Nähe stehenden Anwesenden ihre Haltung bemerkten.

Sham sah, wie sich Kerims ohnehin dunkle Haut rötete, als er sagte: »Steh auf, Lady Sky. Das ist nicht nötig.«

Gehorsam erhob sie sich und blickte mit ernster Miene ins Gesicht des Vogts. Als sie sprach, herrschte im Raum solche Stille, dass ihre Worte für die meisten gespitzten Ohren zu hören waren. »Ich möchte dir danken, mein Lord Kerim – für die Unterstützung, die du mir vor zwei Nächten gewährt hast. Ich schulde dir mehr, als ich auszudrücken vermag.«