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Hoch über ihm sandte ein französischer Offizier, als Silhouette vor den grauen Wolken erkennbar, seine Männer aus, um sich der neuen Bedrohung zu stellen. Die Dragoner, die den Rand der Klippen besetzt gehalten hatten, mussten sich nun nach rechts orientieren, um diesem unerwarteten Flankenangriff zu begegnen. Sie beeilten sich sehr, und gleich darauf peitschten die ersten französischen Kugeln durch die eisige Luft.

»Feuer! Feuer!«, brüllte Sharpe im Hinaufklettern und wurde mit dem Krachen einzelner Baker-Büchsen belohnt. Die Schützen taten, wozu man sie ausgebildet hatte. Ein Mann schoss, während sein Kamerad weiterlief. Den Dragonern, die immer noch nach neuen Positionen hoch oben auf dem Fels suchten, würden die Kugeln um die Ohren sausen. Die Franzosen benutzten keine Büchsen, sondern zogen die rascher zu handhabende Muskete vor, aber die Muskete war eine ungenaue Waffe, verglichen mit der langsamer zu ladenden Baker-Büchse.

Eine Kugel zischte an Sharpe vorbei. Er nahm an, es müsse sich um eine Büchsenkugel gehandelt haben, die hinter ihm abgeschossen worden war. Er fragte sich, ob einer seiner Männer ihn so sehr hassen mochte, dass er auf seinen Rücken gezielt hatte. Sich mit dieser Angst aufzuhalten hatte er jedoch nun keine Zeit, auch wenn es eine höchst reale Angst schien. In Indien hatte er mehr als einmal erlebt, dass ein unbeliebter Offizier durch einen Schuss in den Rücken umkam. »Schneller! Schneller! Links halten! Links halten!«

Sharpe verließ sich auf seinen Instinkt, dass die Männer, die man auf der Klippe postiert hatte, gerade ausreichten, um den Hinterhalt wirksam zu machen, und er hoffte darauf, dass diese Männer mit ihrer Aufgabe überfordert waren. Er wich nach links aus, zwang die Franzosen, erneut die Stellung zu wechseln.

Er entdeckte vor sich zwischen den Felsen ein Gesicht, ein schnurrbärtiges Gesicht. Dragons, also Drachen, so hießen sie auf Französisch und Spanisch. Der Gedanke ging Sharpe durch den Kopf, während das Gesicht hinter einer Rauchwolke verschwand und er wieder das charakteristische Krachen eines bestimmten Gewehrs hörte. Einer Baker-Büchse! Da erkannte er, dass es sich um dieselben Männer handeln musste, die an der Brücke Dunnetts vier Kompanien aufgerieben hatten: Sie benutzten erbeutete britische Waffen. Die Erinnerung an diese Niederlage ließ frische Wut in ihm aufsteigen, die ihn vorantrieb.

Sharpe wandte sich abrupt dem Zentrum der geschwächten Front des Feindes zu. Irgendwo hinter sich am Hang hatte er sein geladenes Gewehr zurückgelassen und seinen neuen Degen gezogen. Die Waffe machte ihn zur Zielscheibe der Dragoner, als Offizier, den es abzuschießen galt, aber zugleich machte sie ihn sichtbar für seine Männer.

Seine Beine schmerzten vom anstrengenden Aufstieg. Der Hang war steil und schlüpfrig, und er rutschte bei jedem Schritt zurück, ehe seine Füße Halt fanden. Die Wut hatte ihn hinaufgetrieben, nun setzte ihm die Angst zu.

Sharpe keuchte, zu sehr außer Atem, um seine Zurufe fortzusetzen, und war einzig darauf bedacht, die Distanz zwischen sich und den Franzosen zu überwinden.

Plötzlich kam ihm die Gewissheit, dass er sterben würde. Er würde hier sterben, weil selbst ein Dragon nicht umhin konnte, ihn auf diese kurze Entfernung zu töten. Dennoch kletterte er weiter. Es kam allein darauf an, diesen Teil der Falle aufzubrechen, damit Vivars Männer in die Berge entkommen konnten.

Sharpes Herz hämmerte in seiner Brust, seine Muskeln brannten, seine Prellungen schmerzten. Er fragte sich, ob er die Kugel spüren würde, die ihn tötete. Würde sie ein sauberer Treffer sein, sodass er rückwärts umfallen und inmitten von Blut und tauendem Schnee den Hang hinabrutschen würde? Wenigstens würden dann seine Männer wissen, dass er kein Feigling war. Er würde den Hundesöhnen zeigen, wie ein wahrer Soldat starb.

Unter ihm war eine spanische Salve zu hören, aber dieser Kampf ging ihn nichts an. In einiger Entfernung erklang eine Trompete, aber auch sie hatte nichts mit Sharpe zu tun. Seine Welt bestand aus wenigen Yards Schneematsch, der von Felsbrocken begrenzt war. Er sah, wie ein weißer Brocken von einer Kugel aus einem Felsen herausgehauen wurde, und da wusste er, dass einige seiner Männer schossen, um ihm Deckung zu geben. Er konnte die anderen Schützen hören, wie sie ihm folgten. Sie fluchten, wenn sie auf dem eisigen Hang ausrutschten. Er entdeckte Fetzen dunkelgrünen Tuchs zwischen den Felsen - Dragoner - und wich ruckartig aus, als eine Rauchwolke aufstieg und ihm das Krachen der Muskete in den Ohren gellte. Er fragte sich, ob er wohl träume, ob er in Wahrheit vielleicht längst tot sei. Dann fand sein linker Stiefel festen Halt an einem Felsvorsprung, und er setzte seinen verzweifelten Aufstieg fort.

Zwei Musketen schossen gleichzeitig auf ihn. Nun brüllte Sharpe unverständliche Worte. Er schrie seine Angst hinaus, verkehrte sie in mörderische Wut. Er hasste die ganze Welt. Er sah, wie sich ein Dragoner eilig zurückzog, einen Ladestock in der Hand, und der große Degen, Murrays Geschenk, stieß vor und bohrte sich zwischen die Rippen des Mannes. Einen Moment lang blieb die Klinge im Fleisch stecken, aber Sharpe riss sie mit einer Drehbewegung los und schwang sie nach links.

Blutstropfen sprühten ins Gesicht eines französischen Offiziers, der mit seinem Degen einen gegen Sharpes Bauch gezielten Ausfall machte. Sharpe ließ die feindliche Klinge kommen, drehte ab, rammte das Stichblatt seines mächtigen Degens in das Gesicht des Franzosen. Ein Knochen knackte, weiteres Blut strömte, dann lag der Offizier am Boden und Sharpe drosch mit dem Degen auf ihn ein. Ein Schütze rannte mit schon blutverschmiertem Schwertbajonett an ihm vorbei, ein anderer verschwand zwischen den Felsen.

Sharpe richtete sich auf, hob den Degen an und stach zu. Auf dem langen Hang konnte er unter sich zwei Männer erkennen, die in ihren grünen Jacken dalagen wie weggeworfene Stoffpuppen. Links von Sharpe wurde eine Muskete abgefeuert und hier oben, wo es keinen Windschutz gab, verflüchtigte sich der Rauch augenblicklich und gab den Blick auf einen verängstigten Dragoner frei, der dabei war, die Flucht anzutreten.

Sergeant Williams schoss auf den Mann, dann bearbeitete er ihn mit dem Schwertbajonett. Er brüllte wie ein Berserker. Andere Schützen erreichten den Gipfel. Eine Schar Franzosen versuchte, am Rand der Schlucht einen Haufen zu bilden, und Sharpe rief seine Männer zum Angriff. Die Grünjacken hasteten über den stellenweise weggetauten und rot gesprenkelten Schnee. Ihre Gesichter waren vom Pulver geschwärzt, ihre Lippen zu einem Knurren gefletscht, als sie einer Wolfsmeute gleich auf die Dragoner zurannten. Die jedoch warteten den Angriff nicht ab, sondern stoben in alle Himmelsrichtungen auseinander und flohen.

Die Dragoner, die am gegenüberliegenden Rand der Klippe postiert waren, ließen ihre Kugeln herüberzischen. Ein Schütze wirbelte herum, stürzte und spuckte Blut, als er wieder hochkam auf Hände und Knie.

»Sergeant Williams! Bringt die Schweinehunde um!« Sharpe wies auf die andere Seite der Schlucht. »Seht zu, dass sie die verdammten Köpfe einziehen!«

»Sir!«

Wieder erklang die Trompete, und Sharpe drehte sich hastig zum Hang um, den er soeben erstiegen hatte. An seinem Fuß hatte Vivar seine Männer aufgestellt, aber damit hatten die Franzosen gerechnet. Ihre Hauptstreitmacht hatte sich auf der Straße verbarrikadiert, und nun stand an der linken Flanke der Spanier eine Kompanie von Dragonern zur Attacke bereit.

»Du!« Sharpe packte einen der Schützen. »Du!« Noch einen. »Gebt diesen Halunken Saures.«

Die Schützen feuerten auf die Reiter.

»Tiefer zielen!« Sharpes Stimme wurde vom Wind verschluckt. »Tiefer!« Ein Pferd ging zu Boden. Ein Mann fiel rücklings aus dem Sattel. Sharpe entdeckte eine Büchse zwischen den Felsen, lud sie und schoss nach unten.

Sergeant Williams hatte ein Dutzend Männer abgestellt, die andere Seite der Schlucht zu beschießen, doch die übrigen Grünjacken nahmen nun die Kavallerie unter Feuer. Sie konnten die Attacke nicht aufhalten, aber sie konnten sie aus dem Gleichgewicht bringen. Ein reiterloses Pferd ging im Tiefschnee durch, während ein anderes einen blutenden Mann mitriss, quer über die Front des Reiterangriffs.