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Vivar zog sich zurück. Seine spärlich aufgereihten Männer wären unter den Säbeln der Dragoner gefallen, daher suchte der Major Zuflucht in der Schlucht.

Der französische Befehlshaber musste gemerkt haben, dass seine Attacke zum Scheitern verurteilt war, denn die Reiter wurden zurückgerufen. Wäre die Kavallerie zwischen die Felswände vorgedrungen, und zwar ohne Schutz von oben, wäre sie vom Büchsenfeuer niedergemetzelt worden.

Eine Pattsituation. Irgendwo schluchzte mit schrecklich klagender Stimme ein Verwundeter. Ein lahmendes Pferd versuchte, sich wieder in die Reihen der Kavallerie einzuordnen, fiel jedoch hin. Patronenreste qualmten im Schnee.

Sharpe wusste nicht, ob zwei Minuten oder zwei Stunden vergangen waren, seit die Franzosen das Feuer eröffnet hatten. Er spürte, wie ihm die Kälte tief in die Knochen drang, eine Kälte, die der plötzliche Notstand vorübergehend gebannt hatte. Er lächelte in sich hinein, stolz auf die Leistungen seiner Grünjacken. Sie waren mit rücksichtsloser Schnelligkeit vorgegangen, die den Feind aus dem Gleichgewicht gebracht und ihm den Vorteil genommen hatte, und nun war ein Patt eingetreten.

Oben am Klippenrand waren zwei Franzosen gefangen genommen worden, zwei kläglich wirkende Dragoner, die in einer Höhlung zwischen den Felsen gestoßen und von einem finster dreinblickenden Schützen bewacht wurden. Sharpe schätzte, dass sich nicht mehr als drei Dutzend Dragoner auf jeder Seite der Schlucht aufgehalten hatten, und hinter der Barrikade sowie in den Reihen derer, die ihren Reiterangriff aufgegeben hatten, zählte er auch nur sechzig bis siebzig Mann. Es musste sich demnach um einen Vortrupp der Dragoner handeln, eine Hand voll Männer, die in die Berge ausgesandt worden waren.

Die Franzosen versperrten immer noch die Straße, aber Sharpes Schützen konnten jene, die hinter der niedrigen Barrikade Schutz gesucht hatten, unter Störfeuer nehmen, und das taten sie nun mit dem grimmigen Vergnügen von Männern, die sich rächen wollen.

»Lieutenant!«, rief Vivar von unten. Der Spanier war hinter den emporragenden Felsbrocken nicht zu sehen. »Wenn ich die Barrikade erreiche, können Sie mir dann Feuerschutz geben?«

»Das schaffen Sie nicht!«

Wenn Vivar die Barrikade angriff, würde er den Berittenen erneut eine offene Flanke bieten. Sharpe hatte erlebt, was Dragoner einer zerstreuten Infanterieeinheit antun konnten, und er fürchtete um Vivars Cazadores. Die Muskete war nicht die wichtigste Waffe der Dragoner. Sie begeisterten sich für die Stoßkraft ihrer langen Kavalleriesäbel, und sie beteten geradezu um unbesonnene Narren, gegen die sie ihre tödlichen Klingen einsetzen konnten.

»Engländer!«, meldete sich Vivar erneut zu Wort.

»Major?«

»Ich pfeife auf Ihre Meinung! Geben Sie mir Feuerschutz!«

»Narr«, murmelte Sharpe, dann rief er seinen Männern zu: »Sorgt dafür, dass sie die Köpfe einziehen!«

Vivars Männer stürmten, jeweils drei nebeneinander, aus ihrer Deckung. Beim ersten Vorstoß hatte Vivar eine Linie bilden lassen, nun jedoch ließ er seine Männer wie einen menschlichen Rammbock auf die Straßensperre los. Die Galicier marschierten nicht, sie rannten. Von der Barrikade stieg Rauch auf, und Sharpes Männer eröffneten das Feuer.

Die vierzig berittenen Dragoner sahen den Feind hervorkommen. Die Pferde wurden herumgerissen und trabten an. Vivar ignorierte sie. Ein Spanier fiel. Seine Kameraden umrundeten ihn und formierten sich danach neu. Eine Trompete ertönte hoch und schrill, dann endlich gebot der Major seinen Männern Einhalt und richtete sie auf die gefährdete Flanke aus.

Nun erkannte Sharpe, was Vivar vorhatte, und er erkannte, dass sein Vorhaben geradezu idiotisch tapfer war. Er wollte den Dragonern hinter der Barrikade keine Beachtung schenken und stattdessen sein Feuer auf die Reiter konzentrieren. Er vertraute darauf, dass die Schützen die unberittenen Dragoner in Schach halten würden.

Sharpe schritt die Linie seiner Scharfschützen ab und teilte ihnen per Zuruf ihre Ziele aus. »Der Halunke dort am Baum. Bring ihn um!« Er sah einen Mann in Eile schießen und trat ihm gegen das Schienbein. »Ziel gefälligst richtig, du Hundesohn!«

Sharpe hielt Ausschau nach den Spuren ausgestreuten Pulvers, das jeden verriet, der nur die halbe Menge lud, um seiner Schulter den harten Rückstoß des Gewehrkolbens zu ersparen. Aber keiner der Rifles bediente sich dieses billigen Auswegs.

An Vivars rechter Angriffsreihe waren zwei Männer ausgefallen. Sie waren der Preis, den die Spanier für ihren Wagemut zu zahlen hatten. Die Kavallerie kam nun im vollen Galopp heran. Ihre Hufe warfen große Brocken aus schmutzigem Schnee und Erde auf.

»Anlegen!« Vivar stand an der exponierten rechten Flanke, jener, die der Barrikade am nächsten und folglich auch am gefährlichsten war. Er hob seinen Degen. »Abwarten, abwarten!«

Der Schnee lag dünn auf dem ebenen Gelände neben der Straße. Die Hufe der Pferde ließen die Scholle erzittern, und die langen Säbel reflektierten das blasse Sonnenlicht. Die Trompeten trieben sie voran, immer schneller voran, und die Reiter stimmten erstmals ein herausforderndes Gebrüll an.

Die Spanier hatten kein Karree gebildet, sondern setzten alles auf eine vernichtende Salve, abgegeben von Männern, die in Linie standen. Nur disziplinierte Soldaten brachten es fertig, gegen eine Kavallerieattacke in Linie zu stehen.

»Feuer!« Vivars Degen sauste herab.

Die spanischen Karabiner feuerten. Pferde kamen zu Fall. Blut, Männer und Schnee erzeugten wirbelndes Chaos. Ein Schrei war zu hören, ob von einem Mann oder einem Pferd, konnte Sharpe nicht feststellen. Dann übertönte Vivar mit seinem Kriegsruf den Schrei. »Santiago! Santiago!«

Die Galicier jubelten, dann stürmten sie los. Nicht auf die Barrikade, sondern auf die verwirrten Reiter zu.

»Jesus Christus!«, raunte dicht neben Sharpe ein Schütze, dann ließ er die Waffe sinken. »Die sind ja wahnsinnig!«

Aber ihr Wahnsinn war herrlich anzuschauen. Sharpes Männer sahen zu, und er knurrte sie an, weiter auf den Feind hinter der Barrikade zu schießen. Dann jedoch gestattete er sich selbst zuzusehen, wie die spanischen Soldaten ihre Schusswaffen ablegten und ihre Säbel zückten. Sie stiegen über die toten Pferde hinweg und hieben benommene Dragoner nieder. Andere griffen den Pferden in die Zügel oder zerrten Reiter aus dem Sattel.

Die Franzosen hinter der Barrikade erhoben sich, um in den Kampf einzugreifen. Sharpe rief Vivar eine Warnung zu, obwohl ihm bewusst war, dass der Spanier sie nicht hören würde. Er drehte sich um. »Sergeant Williams! Behalt deine Männer hier! Ihr Übrigen! Folgt mir!«

Die Schützen rannten wie besessen den Hang hinab. Sie führten einen ungestümen Angriff gegen die Flanke der letzten Dragoner aus. Die Franzosen sahen sie kommen, zögerten und ergriffen die Flucht. Vivars Männer waren damit beschäftigt, Gefangene zu machen oder reiterlose Pferde einzufangen, während sich die überlebenden Franzosen in Sicherheit brachten. Die Schlacht war geschlagen. Jene, die ihnen in die Falle gegangen, die ihnen zahlenmäßig unterlegen waren, hatten einen unmöglichen Sieg errungen, und der Schnee stank nach Blut und Rauch.

Dann war in der Schlucht hinter Sharpe Büchsenfeuer zu vernehmen.

Vivar drehte sich mit aschfahlem Gesicht danach um.

Eine Büchse wurde abgeschossen, ihr Krachen von den Felswänden vielfach verstärkt.

»Lieutenant!« Vivar wies mit ungestümer Geste in Richtung Schlucht. »Lieutenant!« In seiner Stimme lag echte Verzweiflung.

Sharpe machte kehrt und rannte auf die Felskluft zu. Das Büchsenfeuer klang jäh und abgehackt. Er konnte Sergeant Williams in die Tiefe schießen sehen und wusste, dass am anderen Ende der Schlucht weitere Franzosen gelauert haben mussten, Männer, die den panikartigen Rückzug abblocken sollten, den auszulösen sie vorgehabt hatten. Nun rückten diese Männer vor, um Vivar und Sharpe in den Rücken zu fallen.