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Doch sie waren von einem einzelnen Mann aufgehalten worden. Schütze Harper, der die Büchse eines Gefallenen entdeckt und sich hinter dem Kadaver des Maultiers verschanzt hatte, hielt ihnen die Hand voll Dragoner vom Leib. Er hatte sich mit einem Bajonett, das tiefe Wunden an seinen Händen hinterlassen hatte, die Fesseln von den Handgelenken entfernt und lud ungeachtet seiner blutenden Schnittwunden weiter seine Büchse und feuerte sie mit Furcht erregender Präzision ab. Ein totes Franzosenpferd und ein verwundeter Dragoner zeugten von der Fertigkeit des Iren. Er rief den anderen seinen gälischen Schlachtruf zu, forderte sie auf, ruhig näher zu kommen. Als Sharpe erschien, drehte er sich mit irrem Blick um, dann wandte er sich in Todesverachtung wieder den Franzosen zu.

Sharpe verteilte seine Rifles auf der Straße. »Zielen!« Der Gardeoffizier mit der roten Pelisse und der schwarzen Pelzmütze hatte die Schlucht erreicht. Neben ihm ritt der hochgewachsene Mann im schwarzen Reitermantel und hellen Stiefeln.

»Feuer!«, brüllte Sharpe.

Ein Dutzend Büchsen flammten auf. Kugeln pfiffen, und zwei weitere Reiter kamen zu Fall. Der Mann in Rot und der Mann in Schwarz blieben unversehrt. Sie schienen Sharpe einen Augenblick lang direkt in die Augen zu blicken, dann veranlasste eine Füsillade aus der Höhe sie, ihre Pferde herumzureißen, ihnen die Sporen zu geben und sich in Sicherheit zu bringen. Die Rifles brachen in Hohngeschrei aus. Erst als Sharpe sie anschnauzte, verstummten sie. »Und laden!«

Die Franzosen waren verschwunden. Von den tauenden Eiszapfen, die an den Felsen hingen, tropfte Wasser. Ein verwundetes Pferd wieherte. Der schmutzige Rauch des Gewehrfeuers trieb durch die Schlucht. Ein Schütze spuckte Blut, dann seufzte er. Ein anderer Mann schluchzte. Das verwundete Pferd wurde von einem Gewehrschuss zum Schweigen gebracht. Sein Krachen echote gellend von den Felswänden.

Hinter Sharpe erklangen Schritte. Es war Blas Vivar, der an ihm und den Grünjacken vorbeischritt und neben dem Maultier in die Knie ging. Er löste behutsam die Truhe aus dem Tragegeschirr des toten Tiers. Dann erhob er sich und blickte zu Harper auf. »Sie haben sie gerettet, mein Freund.«

»Hab ich das, Sir?« Es war offensichtlich, dass der Ire keine Ahnung von dem Wert hatte, den Vivar der Kiste beimaß.

Der Spanier streckte die Arme nach dem hünenhaften Mann aus und küsste ihn auf beide Wangen. Einer von Sharpes Rifles kicherte, dann veranlasste ihn die Feierlichkeit des Augenblicks, beschämt zu verstummen.

»Sie haben sie gerettet«, wiederholte Vivar, und in seinen Augen standen Tränen. Dann hob er die Truhe auf und trug sie durch die Schlucht davon.

Sharpe folgte ihm. Seine Männer kamen schweigend und frierend auf die Straße herab. Sie konnten ihres Sieges nicht froh werden, denn bislang unbemerkt erhob sich in einiger Entfernung hinter der verlassenen französischen Barrikade eine graue Rauchsäule in die winterliche Luft. Sie stieg über dem Dorf auf, und der Rauch war grau wie das Gewand eines Bettlers und trug den Gestank von Tod und Feuer heran.

Und als er sich auflöste, fiel, dunklem Schnee gleich, Asche auf das blutbefleckte Land.

KAPITEL 5

Die Dorfbewohner hatten sie nicht vor den Franzosen warnen können, denn ein Dorf gab es nicht mehr und auch keine Dorfbewohner.

Die Feuer mussten im selben Augenblick gelegt worden sein, als in der Schlucht die Falle zugeschnappt war, denn die Häuser brannten immer noch lichterloh. Die Franzosen hatten die Menschen umgebracht und dann Schutz in ihren Häusern gesucht, während sie darauf warteten, dass Vivars kleine Marschsäule die tiefe Schlucht erreichte.

Ein prächtiges Dorf war es nie gewesen: ein armseliger Ort mit Ziegen und Schafen und Leuten, die sich auf den Hochweiden ihren kärglichen Lebensunterhalt verdienten. Die Häuser standen in einer Mulde im Schatten verkrüppelter Eichen und Kastanienbäume. Auf einigen kleinen Feldern, die von wilden Maulbeerbäumen und Stechginster gesäumt wurden, waren Kartoffeln angebaut worden. Diese Nahrung und die Häuser hatten sich Mensch und Tier geteilt. Sie ähnelten den Hütten, die Sharpes Schützen aus Irland kannten, und die Erinnerung an die Heimat steigerte die Erbitterung, die sie an diesem Tag empfanden.

Sofern sich Erbitterung, ausgelöst durch getötete Kinder und Säuglinge, vergewaltigte Frauen oder gekreuzigte Männer, überhaupt noch steigern ließ. Sergeant Williams, der in einer schlechten Welt viel Grauen erlebt hatte, übergab sich. Einer der spanischen Infanteristen wandte sich schweigend einem französischen Gefangenen zu und schlitzte dem Mann den Bauch auf, noch ehe Vivar Einspruch erheben konnte. Erst dann tat der Cazador heulend seinen Hass kund.

Vivar zog es vor, den Mord und das Geheul zu ignorieren. Stattdessen schritt er mit seltsamer Förmlichkeit auf Sharpe zu.

»Könnten Sie ...«, begann er, doch es fiel ihm schwer, den Satz zu beenden. Der Gestank der Leichen, die in den Häusern verbrannten, war überwältigend. Er schluckte. »Könnten Sie wohl Posten aufstellen, Lieutenant?«

»Jawohl, Sir.«

Dadurch konnten sich die Rifles wenigstens von den Leichen abgeschlachteter Kinder und den brennenden Hütten entfernen. Von den Gebäuden des Dorfes waren nur die Steinmauern der Kirche übrig, die sich nicht verbrennen ließen, während vom Holzdach der Kirche immer noch hohe Flammen und Rauch emporstiegen, über den Rand des Tals hinaus, wo Sharpe nun seine Posten aufstellte. Die Franzosen, falls sie noch da waren, ließen sich nicht blicken.

»Warum haben die das getan, Sir?«, wandte sich Dodd, ein wortkarger Mann, an Sharpe.

Sharpe wusste darauf keine Antwort.

Gataker, ein gerissener Schurke, wie es ihn im Heer kaum ein zweites Mal gab, starrte mit leerem Blick in die Runde. Isaiah Tongue, dessen Laufbahn als Schullehrer am Gin gescheitert war, zuckte zusammen, als vom Dorf her ein entsetzlicher Schrei ertönte. Als ihm klar wurde, dass es sich um den Schrei eines gefangenen Franzosen gehandelt haben musste, spuckte er aus, um zu demonstrieren, dass er sich nichts daraus machte.

Sharpe ging weiter, stellte die übrigen Posten auf und erreichte schließlich eine Stelle, von der aus er zwischen zwei mächtigen Granitfelsen hindurch weit gen Süden blicken konnte. Dort ließ er sich allein nieder und starrte zum weiten Himmel empor, der noch mehr schlechtes Wetter verhieß.

Er hatte nach wie vor seinen Degen in der Hand. Nun versuchte er, ihn geistesabwesend in die metallene Scheide zu stecken. Die Klinge, die immer noch klebrig war vom Blut, blieb auf halbem Wege stecken. Da sah er zu seinem Erstaunen, dass eine Kugel die Scheide durchbohrt und die metallenen Ränder des Einschusslochs nach innen gebogen hatte.

»Sir?«

Sharpe sah sich um und entdeckte einen nervösen Sergeant Williams. »Sergeant?«

»Wir haben vier Männer verloren, Sir.«

Sharpe hatte vergessen zu fragen, und er verfluchte sich, weil er es versäumt hatte. »Wen?«

Williams nannte die Namen der Toten, obwohl Sharpe nichts mit ihnen anfangen konnte. »Ich dachte, wir hätten mehr eingebüßt«, sagte er verwundert.

»Sims is' verwundet, Sir. Und Cameron. Und noch einige der anderen, Sir, aber die beiden sind am schlimmsten dran.« Der Sergeant tat nur seine Pflicht, aber er zitterte vor Beklemmung, als er mit seinem Offizier sprach.

Sharpe versuchte seine Gedanken zu ordnen, aber die Erinnerung an die toten Kinder verwirrte ihm die Sinne. Er hatte oft genug tote Kinder zu sehen bekommen, wer hatte das nicht? In den vergangenen Wochen waren sie an etwa zwanzig Kindern vorbeigekommen, die zum Heer gehörten und auf dem grauenvollen Rückzug erfroren waren. Allerdings war keines von ihnen Opfer eines Mordes gewesen. Er hatte mit angesehen, wie Kinder blutig geschlagen wurden, aber nicht bis zum Tod. Wie konnten die Franzosen im Dorf gewartet haben, ohne zunächst die Spuren ihres obszönen Gemetzels zu beseitigen? Wie konnten sie so eine Tat überhaupt begehen?