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Williams, den Sharpes brütendes Schweigen beunruhigte, murmelte etwas von einem Bach, den er ausfindig machen wolle, damit die Männer ihre Feldflaschen auffüllen konnten. Sharpe nickte.

»Vergewissere dich erst, dass die Franzosen das Wasser nicht vergiftet haben, Sergeant.«

»Selbstverständlich, Sir.«

Sharpe drehte sich nach dem vierschrötigen Mann um. »Übrigens, die Männer haben ihre Sache gut gemacht. Sehr gut.«

»Danke, Sir.« Williams hörte sich erleichtert an. Er verzog das Gesicht, als wieder ein Schrei vom Dorf herüberdrang.

»Sie haben ihre Sache sehr gut gemacht.« Er sagte dies allzu hastig, als versuche er, ihrer beider Gedanken von dem Schrei abzulenken. Die französischen Gefangenen wurden verhört und dann starben sie.

Sharpe starrte gen Süden und fragte sich, ob die Wolken Regen bringen würden oder Schnee. Er dachte an den Mann in der roten Pelisse, den Oberst der Kaiserlichen Garde, und an den Mann im schwarzen Mantel neben ihm. Warum die erneute Begegnung mit diesen beiden Männern? Weil sie, überlegte er, gewusst hatten, dass Vivar kommen würde. Allerdings hatten die Franzosen mit einem nicht gerechnet: den Rifles. Sharpe erinnerte sich an jenen Moment am Rand der Klippe, als der erste Schütze mit aufgepflanztem Schwertbajonett an ihm vorbeigekommen war, und dabei fiel ihm ein, was er noch zu tun versäumt hatte. Er hatte nicht befohlen, die Bajonette aufzusetzen. Die Männer hatten es von selbst getan.

»Die Männer haben ihre Sache sehr gut gemacht«, wiederholte Sharpe, »sag ihnen das.«

Williams zögerte. »Sir? Wär's nicht besser, Sie würden's ihnen selbst sagen?«

»Ich?« Sharpe drehte sich abrupt nach dem Sergeant um.

»Sie haben's für Sie getan, Sir.« Williams war verlegen, und das um so mehr, weil Sharpe mit seinen ungeschickten Worten offenbar nichts anfangen konnte. »Sie haben versucht, was zu beweisen, Sir. Wir alle haben's versucht. Und gehofft, Sie würden ...«

»Was habt ihr gehofft?« Die Frage klang zu barsch, Sharpe merkte es selbst. »Tut mir leid.«

»Wir haben gehofft, Sie würden Harps gehen lassen, Sir. Die Männer mögen ihn, und das Heer hat schon immer die Bestrafung von Männern ausgesetzt, Sir, wenn ihre Kameraden sich wacker geschlagen haben.«

Die Erbitterung, die Sharpe gegenüber dem Iren empfand, war zu stark, als dass er die Bitte sofort gewährt hätte. »Ich werde den Männern sagen, dass sie ihre Sache gut gemacht haben, Sergeant.« Er hielt inne. »Und was aus Harper wird, will ich mir überlegen.«

»Jawohl, Sir.« Offenkundig war Sergeant Williams dankbar, dass ihm der Lieutenant zum ersten Mal, seit er unter Sharpes Befehlsgewalt geraten war, eine gewisse Höflichkeit entgegenbrachte.

Sharpe fiel es auf, und er war schockiert. Er hatte nicht gewusst, wie er diese Männer führen sollte, hatte sich vor ihrer Aufsässigkeit gefürchtet. Aber ihm war nicht klar gewesen, dass sie sich auch vor ihm fürchteten. Sharpe sah sich als harten Mann, aber er hatte sich immer auch für einen vernünftigen Mann gehalten. Nun jedoch, im Spiegel von Williams' Nervosität, erhielt er ein viel weniger erfreuliches Bild von sich. Er kam sich vor wie ein tyrannischer Mann, der die Autorität seines Ranges einsetzte, um anderen Männern Angst einzujagen: genau die Sorte Offizier also, die Sharpe am meisten gehasst hatte, als er selbst noch ihrem verbitterten Kommando unterworfen gewesen war.

Er empfand Reue wegen der vielen Fehler, die er gegenüber diesen Männern begangen hatte, und fragte sich, wie er sie wieder gutmachen sollte. Er war zu stolz, um sich zu entschuldigen, deshalb legte er vor Sergeant Williams ein peinliches Geständnis ab. »Ich war nicht sicher, ob auch nur einer der Männer mir den Hang hinauf folgen würde.«

Williams grunzte, halb amüsiert und halb verständnisvoll. »So sind sie nun mal, Sir. Sie haben es mit der Elite des Bataillons zu tun.«

»Der Elite?« Sharpe konnte seine Überraschung nicht verbergen.

»Den Raufbolden, könnte man auch sagen.« Williams grinste. »Ich gehöre nicht dazu, Sir. Für Prügeleien war ich nie recht zu haben. Ich hab immer gehofft, mir meinen Sold nicht auf die Weise verdienen zu müssen.« Er lachte. »Aber diese Jungs, Sir, die meisten von ihnen sind regelrechte Halunken.« Er sagte das mit einem Anflug von Bewunderung. »'s leuchtet ein, Sir, wenn man darüber nachdenkt. Ich hab die Jungs beobachtet, als die Froschfresser bei der Brücke angegriffen haben, Sir. Der eine oder andere stand kurz davor aufzugeben, aber nicht diese Jungs. Die haben dafür gesorgt, dass sie ungeschoren davonkamen. Sie haben es mit den wirklich Zähen zu tun, Sir. Abgesehen von mir. Ich hatte reines Glück. Aber wenn Sie diesen Jungs Gelegenheit geben zu kämpfen, Sir, werden sie Ihnen folgen.«

»Dir sind sie auch gefolgt«, sagte Sharpe. »Ich habe dich auf der Klippe gesehen. Du hast dich tapfer geschlagen.«

Williams berührte die Winkelabzeichen an seinem rechten Ärmel. »Ich würde mich meiner Streifen schämen, wenn ich nicht selbst Hand anlege. Nein, Sir, das war Ihnen zuzuschreiben. Verdammter Irrsinn war das, den Hang hinauf anzugreifen. Aber es hat sich ausgezahlt!«

Sharpe tat das Kompliment mit einem Schulterzucken ab, erkannte es jedoch als solches und freute sich insgeheim darüber. Er mochte kein geborener Offizier sein, aber bei Gott, er war der geborene Soldat. Er war der Sohn einer gottlosen Hure, aber ein gottverdammt guter Soldat.

Im Dorf fanden sich Schaufeln und Spaten, die dazu benutzt wurden, am Ausgang der Schlucht Gräber für die französischen Gefallenen auszuheben.

Vivar begab sich mit Sharpe dorthin, wo dem harten Boden die flachen Gräber abgetrotzt wurden. Der Spanier blieb neben einem der Dragoner stehen, der bei dem Reiterangriff ums Leben gekommen war und dessen Leichnam man inzwischen nackt ausgezogen hatte. Die Haut am Körper des Toten war so weiß wie der aufgewühlte Schnee, während sein Gesicht gebräunt war von Sonne und Wind. Der buschige Schnurrbart war blutverschmiert.

»Die Bärte sind ihr Erkennungszeichen.« Seine Stimme klang bitter. »Das Symbol dafür, dass sie etwas Besonderes sind, eine Elite.«

»Wie der Rosmarin an den Kappen Ihrer Männer?«

»Nein, das ist etwas ganz anderes.« Vivars schroffe Verneinung ließ das Gespräch zwischen den beiden Männern verstummen. Sie standen in verlegenem Schweigen über dem Leichnam des Feindes.

Sharpe, der sich dabei unbehaglich fühlte, brach das Schweigen. »Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass unberittene Kavallerie fähig wäre, mit Berittenen fertig zu werden.«

Das Lob freute den Major. »Und ich hätte nicht für möglich gehalten, dass Infanteristen fähig wären, diese Klippe zu erobern. Es war töricht von Ihnen, Lieutenant, sehr töricht, und tapferer, als ich mir je erträumt hätte. Ich danke Ihnen.«

Sharpe, der über Komplimente jedes Mal in Verlegenheit geriet, versuchte es mit einem Schulterzucken abzutun. »Das lag an meinen Schützen.«

»Sie haben es getan, um Ihnen zu imponieren, glauben Sie nicht auch?«, sagte Vivar mit bedeutungsvoller Stimme. Er versuchte Sharpe Mut zu machen. Als der Engländer nicht darauf reagierte, fuhr der Spanier in eindringlicherem Ton fort: »Soldaten benehmen sich dann am besten, wenn sie wissen, was von ihnen erwartet wird. Heute haben Sie ihnen gezeigt, was Sie wollten, und das hat den Sieg bedeutet.«

Sharpe murmelte etwas von glücklichen Umständen.

Vivar ging nicht auf seine Ausflüchte ein. »Sie haben sie geführt, Lieutenant, und Ihre Rifles wussten, was von ihnen erwartet wurde. Die Männer müssen immer wissen, was ihre Offiziere von ihnen erwarten. Ich gebe meinen Cazadores immer drei Regeln mit auf den Weg. Sie dürfen nicht stehlen, es sei denn, sie müssten sterben, wenn sie nicht stehlen. Sie müssen sich erst um ihre Pferde kümmern und dann um sich selbst. Und sie müssen kämpfen wie die Helden. Ganze drei Regeln, aber sie funktionieren. Geben Sie den Männern feste Regeln, Lieutenant, dann werden sie Ihnen folgen.«