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»Wir haben spanische Übersetzungen des Neuen Testaments dabei«, unterbrach ihn Mrs Parker, »in einem Versteck hier in der Stadt, Lieutenant. Die Spanier konfiszieren dergleichen Schriften, wenn wir sie nicht verbergen. Wir brauchen Ihre Männer, um sie zu retten.« Diese Erklärung erfüllte eindeutig die Funktion einer Versöhnungsansprache, und sie wurde dafür mit einem eifrigen Nicken ihres Mannes belohnt.

»Sie verlangen, dass meine Schützen Ihre Bibeln vor den Spaniern in Sicherheit bringen?«, fragte Sharpe restlos verwirrt.

»Vor den Franzosen, Sie Narr!«, bellte Mrs Parker aus dem Innern der Kutsche.

»Demnach sind sie hier?«

»Sie sind gestern in Santiago de Compostela einmarschiert«, entgegnete Mr Parker traurig.

»Großer Gott im Himmel!«

Dieser Fluch hatte die glückliche Wirkung, Mrs Parker zum Schweigen zu bringen. Ihr Mann sah Sharpes Entsetzen. Er beugte sich vor und fragte: »Haben Sie nicht gehört, was sich in La Coruña zugetragen hat?«

Sharpe wäre fast lieber gewesen, davon gar nichts zu erfahren. »Ich habe nichts gehört, Sir.«

»Dort hat eine Schlacht stattgefunden, Lieutenant. Wie es scheint, ist es dem britischen Heer gelungen, sich aufs Meer zu retten, allerdings um den Preis zahlreicher Menschenleben. Sir John Moore soll gefallen sein. Die Franzosen, scheint es, sind nun die Herren über diesen Teil Spaniens.«

»Gütiger Himmel.«

»Als wir hier ankamen, hat man uns von Ihrer Gegenwart unterrichtet«, erläuterte George Parker, »und nun bitten wir um Ihren Schutz.«

»Selbstverständlich.« Sharpe warf einen Blick auf die Straße. Jetzt verstand er die Panik. Die Franzosen hatten die Atlantikhäfen an der Nordwestgrenze Spaniens eingenommen. Die Briten waren abgezogen, die spanischen Armeen aufgerieben, und bald würden Napoleons Heerscharen sich gen Süden wenden, um ihren Sieg zu vollenden. »Wie weit ist es von hier nach La Coruña?« »Elf Meilen? Zwölf?« George Parkers Gesicht wirkte im Kerzenlicht blass und verhärmt. Kein Wunder, dachte Sharpe. Die Franzosen waren kaum einen Tagesmarsch entfernt.

»Werden Sie sich jetzt wohl beeilen?« Mrs Parker hatte sich von ihrem Schock über Sharpes Blasphemie erholt und lehnte sich hasserfüllt aus der Kutsche.

»Warten Sie, gnädige Frau.« Sharpe rannte zurück ins Kloster. »Sergeant Williams! Sergeant Williams!«

Es dauerte zehn Minuten, die Rifles zu wecken und antreten zu lassen. Schlaftrunken torkelten sie auf die Straße, wo Sharpe sie im Fackelschein anbrüllte, sich in Reihen aufzustellen. Der Atem der Männer dampfte im Licht der Flammen, und Sharpe spürte die ersten beißend kalten Regentropfen. Die Mönche in ihrer Großzügigkeit brachten den Soldaten, die nicht schlau zu werden schienen aus dem lärmenden Chaos, kleine Säcke mit Brot heraus.

»Lieutenant! Wollen Sie sich gefälligst beeilen!« Mrs Parker brachte die Federung der Kutsche zum Quietschen, als sie sich abermals herauslehnte. An diesem Punkt stieß Schütze Harper einen durchdringenden Pfiff aus, und die übrigen Männer schrien Hurra. Sharpe wirbelte herum und machte eine äußerst unwillkommene Entdeckung.

In der Kutsche befand sich ein dritter Fahrgast, ein Fahrgast, der bis jetzt hinter Mrs Parkers fülligem Leib verborgen gewesen war. Mrs Parker schien eine Zofe, eine Reisebegleiterin, wenn nicht gar eine Tochter zu haben, und dieses Mädchen, falls es sich wirklich um Mrs Parkers Tochter handelte, sah seiner Mutter überhaupt nicht ähnlich. Nicht im Mindesten. Sharpe erblickte ein Gesicht mit strahlenden Augen, dunklen Locken und einem schelmischen Lächeln, das unter den Soldaten nur Unruhe stiften konnte.

»Ach, Scheiße«, murmelte er.

Sharpe hatte seine Männer geweckt und antreten lassen, ohne zu wissen, was er danach mit ihnen anfangen sollte. Während er darauf wartete, dass Vivar aus dem Haus des alcalde erschien, wo man eilig eine Versammlung der Stadtältesten einberufen hatte, ließ er die Rifles zunächst einmal die Neuen Testamente in spanischer Sprache aus dem Lager jenes Buchhändlers holen, der die Bücher George Parker zuliebe versteckt hatte.

»Die römische Kirche ist dagegen, verstehen Sie?« George Parker erwies sich in Abwesenheit seiner Frau als ein ebenso vornehmer wie trauriger Gentleman. »Sie will, dass ihre Untertanen in finsterer Ignoranz verharren. Der Erzbischof von Sevilla hat eintausend Bibeln konfisziert und verbrennen lassen. Können Sie sich so ein Benehmen vorstellen? Deshalb sind wir in den Norden gekommen. Ich war der Ansicht, dass wir in Salamanca fruchtbareren Boden für unsere Bemühungen vorfinden würden. Aber der dortige Erzbischof hat ebenfalls die Beschlagnahme angedroht. Daher sind wir nach Santiago aufgebrochen und haben unterwegs unsere kostbaren Bücher diesem guten Mann anvertraut.« Parker zeigte auf das Haus des Buchhändlers. »Ich glaube, er verkauft ein paar davon zum eigenen Nutzen, aber ich kann es ihm kaum verdenken. Wahrhaftig nicht. Und wenn er die Verbreitung des Evangeliums besorgt, Lieutenant, unverfälscht durch die Priester Roms, kann das Gott nur zur Ehre geraten, meinen Sie nicht auch?«

Sharpe war von den seltsamen Ereignissen dieser Nacht zu verwirrt, um ihm zustimmen zu können. Er sah zu, wie ein weiterer Stapel schwarz eingebundener Bücher auf die Straße geschleppt und in die rückwärtige Gepäckkiste der Kutsche verladen wurde. »Sie sind also in Spanien, um Bibeln zu verteilen?«

»Erst seit der Friedensvertrag zwischen unseren beiden Ländern unterzeichnet ist«, antwortete Parker, als sei damit alles erklärt. Als er jedoch sah, dass die Verwirrung nicht aus Sharpes Miene weichen wollte, lieferte er weitere Informationen nach. »Meine liebe Frau und ich, müssen Sie wissen, sind Anhänger des verblichenen John Wesley.«

»Des Methodisten?«

»Exakt und haargenau.« Parker nickte eifrig. »Und als mein verstorbener Vetter, der Admiral, so gütig war, mich in seinem Testament zu bedenken, war meine liebe Frau der Ansicht, das Geld sei womöglich am schicklichsten auf die Erleuchtung der vom Papst herbeigeführten Finsternis verwandt, die das ganze südliche Europa einhüllt. Wir sahen den Friedensschluss zwischen England und Spanien als göttliche Fügung, die unsere Schritte an diesen Ort gelenkt hat.«

»Mit großem Erfolg?« Sharpe konnte der Versuchung, diese Frage zu stellen, nicht widerstehen, obwohl die Antwort an Parkers kummervollem Gesicht deutlich abzulesen war.

»Leider nicht, Lieutenant. Das Volk Spaniens hält hartnäckig an seiner römischen Ketzerei fest. Aber wenn auch nur einer Seele das Wissen um Gottes Erlösung und die Gnade des Protestantismus nahegebracht wird, werde ich mich in meinen Anstrengungen mehr als bestätigt fühlen.« Parker verstummte. »Und Sie, Lieutenant? Dürfte ich fragen, ob Sie persönlich von unserem Herrn und Erlöser wissen?«

»Ich bin Schütze, Sir«, sagte Sharpe entschieden, darauf bedacht, einen protestantischen Angriff auf seine bereits vom Katholizismus bestürmte Seele zu umgehen. »Unsere Religion ist das Töten von Froschfressern und anderen heidnischen Hundesöhnen, die etwas gegen unseren guten König George haben.«

Die Entschiedenheit, mit der Sharpe seine Antwort vortrug, brachte Parker vorübergehend zum Schweigen. Betrübt beobachtete der alte Mann die Flüchtlinge auf der Straße. Dann seufzte er. »Natürlich, Sie sind Soldat. Aber vielleicht verzeihen Sie mir, Lieutenant?«

»Ihnen verzeihen, Sir?«

»Mein Vetter, der verstorbene Admiral, hat immer zu heftigen Flüchen geneigt. Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, Lieutenant, aber meine liebe Frau und meine Nichte sind die Kraftausdrücke des Militärs nicht gewöhnt, und ...« Seine Stimme versagte.