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»Entschuldigen Sie, Sir. Ich werde versuchen, daran zu denken.« Sharpe zeigte auf das Haus des Buchhändlers, in dem Mrs Parker und das Mädchen vorübergehend Schutz gesucht hatten. »Sie ist also Ihre Nichte, Sir? Ist sie nicht ein wenig jung, um durch ein unruhiges Land wie dieses zu reisen?«

Selbst wenn Parker gemerkt haben mochte, dass Sharpe nur Informationen über seine Nichte aus ihm herauslocken wollte, hätte es ihn nicht gestört. »Louisa ist neunzehn Jahre alt, Lieutenant, und leider verwaist. Meine liebe Frau hat ihr eine Stellung als Reisebegleiterin angeboten. Wir hatten natürlich keine Ahnung, dass der Krieg eine so ungünstige Wendung nehmen könnte. Wir haben geglaubt, wenn ein britisches Heer einen Feldzug nach Spanien unternimmt, würden wir sowohl willkommen als auch in Sicherheit sein.«

»Vielleicht ist Gott dieser Tage ein Franzose«, rutschte es Sharpe heraus.

Auf diese leichtfertige Äußerung ging Parker nicht ein und beobachtete wieder den Flüchtlingsstrom, der sich mit seinen Kleiderbündeln durch die Nacht vorankämpfte. Kinder weinten. Eine Frau zerrte zwei Ziegen an einem Seil hinter sich her. Ein Krüppel schwang sich auf Krücken vorbei. Parker schüttelte den Kopf. »Hier herrscht große Angst vor den Franzosen.«

»Sie benehmen sich wie die letzten Schweinehunde, Sir. Entschuldigen Sie.« Sharpe wurde rot. »Waren Sie in Santiago de Compostela, als die Franzosen dort einmarschiert sind?«

»Ihre Kavallerie hatte gestern Abend den nördlichen Stadtrand erreicht. Uns blieb noch Zeit zu fliehen. Der Herr war uns ausgesprochen gnädig, meine ich.«

»In der Tat, Sir.«

Sergeant Williams stand mit breitem Grinsen vor Sharpe stramm. »Die heiligen Bücher sind alle verladen, Sir. Soll ich die Damen holen?«

Sharpe wandte sich an Parker. »Wollen Sie heute Nacht noch weiterreisen, Sir?«

Parker wusste ganz eindeutig keine rechte Antwort auf diese Frage. »Wir tun, was immer Sie für richtig halten, Lieutenant.«

»Das müssen Sie schon selbst entscheiden, Sir.«

»Ich?«

Offensichtlich war George Parker ebenso unentschlossen wie sein Vetter Sir Hyde, der mit seinem Zaudern beinahe die Schlacht von Kopenhagen verloren hätte.

Sharpe versuchte dem Alten zu erklären, vor welche Wahl seine Familie gestellt war. »Auf dieser Straße kann man sich nur nach Osten oder Westen wenden, und in beiden Richtungen liegen die Franzosen auf der Lauer. Ich gehe davon aus, Sir, dass Sie nun, nachdem Ihre Bücher in Sicherheit sind, entweder die eine oder die andere wählen müssen. Man sagt, die Franzosen würden sich unschuldigen englischen Reisenden gegenüber recht anständig verhalten. Zweifellos wird man Sie verhören, und Sie werden einige Unannehmlichkeiten auf sich nehmen müssen. Aber vermutlich werden Sie die Erlaubnis erhalten, nach Süden zu reisen. Dürfte ich Lissabon als Reiseziel vorschlagen? Ich habe gehört, dass es dort nach wie vor eine kleine britische Garnison gibt. Und wenn die Garnison sich bereits eingeschifft hat, müssten Sie dort zumindest ein britisches Handelsschiff finden.«

Parker starrte Sharpe besorgt an. »Und Sie, Lieutenant? Was haben Sie vor?«

»Ich kann kaum mit Schonung vonseiten der Franzosen rechnen, Sir.« Er lächelte. »Nein, wir ziehen nach Süden. Wir hatten gehofft, die Straße zu nehmen, die in Santiago de Compostela beginnt, aber da die Schwei ... - da die Franzosen schon dort sind, werden wir einen Umweg über die Berge machen.« Sharpe schlug gegen eines der schlammverkrusteten Räder der großen Kutsche. »Keine Chance, diesen Karren mitzunehmen, Sir, deshalb fürchte ich, Sie werden die Erlaubnis der Franzosen einholen müssen, ihr Territorium zu durchqueren.«

Parker schüttelte bereits seit einigen Sekunden den Kopf. »Ich versichere Ihnen, Lieutenant, dass meine Frau und ich nicht die Absicht haben, uns vor dem Feind zu erniedrigen, solange uns ein Entkommen möglich ist. Wir werden mit Ihnen gen Süden reisen. Und obendrein kann ich Ihnen versichern, dass aus dieser Stadt eine durchaus brauchbare Straße in Richtung Süden führt. Dort!« Er deutete auf die Brücke. »Gleich auf der anderen Flussseite.«

Einen Moment lang verschlug es Sharpe die Sprache. »Es gibt eine Straße, die von hier nach Süden führt?«

»Exakt und haargenau. Sonst hätte ich wohl kaum gewagt, wegen meiner Testamente herzukommen.«

»Aber man hat mir gesagt ...« Sharpe wurde augenblicklich klar, dass es keinen Sinn hatte, Vivars Behauptung zu wiederholen, dass eine derartige Straße nach Süden nicht existiere. »Sind Sie sicher, Sir?«

»Ich habe sie vor einem Monat selbst befahren.« Parker sah Sharpes Zögern. »Ich habe eine Karte, Lieutenant. Wollen Sie sie sehen?«

Sharpe folgte dem Methodisten ins Haus des Buchhändlers. Mrs Parker hatte sich am Kamin breitgemacht und warf dem Lieutenant einen misstrauischen Blick zu.

»Sämtliche Testamente sind sicher verstaut, meine Liebe«, sagte Parker unterwürfig, »und ich möchte fragen, ob wir wohl die Karte studieren dürften?«

»Louisa!«, rief Mrs Parker ihrer Nichte zu. »Die Karte.«

Das Mädchen trat gehorsam an eine lederne Reisetasche und kramte zwischen Papieren herum. Sharpe wandte bewusst die Augen ab. Nach allem, was er bisher von Louisa Parker zu sehen bekommen hatte, war sie beunruhigend hübsch. Sie war von hochgewachsener, schlanker Anmut, hatte ein hellwaches Gesicht und seidige, von Not oder Krankheit unberührte Haut. Ein Mädchen, dachte Sharpe, das geeignet war, einen Soldaten durch alle Träume zu verfolgen, auch wenn sie eine gottverdammte Methodistin war.

Louisa brachte die Karte an den Tisch. George Parker machte sich anheischig, sie in aller Förmlichkeit vorzustellen. »Louisa, meine Liebe, du bist noch nicht bekannt gemacht worden mit Lieutenant ...«

»Louisa!« Mrs Parker war sich offensichtlich der Gefahr bewusst, die Soldaten für junge Mädchen darstellten, und unterbrach deshalb ihren Mann. »Komm sofort her und setz dich!«

In dem nun einsetzenden Schweigen entfaltete Sharpe die Landkarte.

»Die Karte ist nicht sehr genau«, sagte Parker demütig, als sei er persönlich für jede Ungenauigkeit verantwortlich, »aber ich versichere Ihnen, den besagten Weg gibt es.« Er fuhr mit dem Finger über eine dünne schwarze Linie, mit der Sharpe wenig anfangen konnte, denn er war noch bemüht, den eigenen Standort auf dem schlecht gedruckten Blatt zu bestimmen. »Der Weg trifft hier auf die Küstenstraße, ein Stück südlich von Villagarcia«, fuhr Parker fort, »und ich hatte gehofft, wir könnten dort, in Pontevedra, ein Schiff finden. Ich gehe davon aus, dass die Royal Navy vor dieser Küste patrouilliert und sich, so Gott will, ein freundlicher Fischer überreden lässt, uns zu ihren Schiffen hinaus zu befördern.«

Sharpe hörte gar nicht richtig zu. Er starrte die Karte an und versuchte, die anstrengende Route zu finden, die er mit Vivar genommen hatte. Den genauen Marschweg konnte er nicht finden, aber eines war klar: In den letzten paar Tagen hatten er und seine Rifles mindestens zwei Straßen nach Süden passiert. Vivar hatte Sharpe immer wieder versichert, dass es keinen Weg nach Süden gäbe, dass die Schützen nach Santiago de Compostela müssten, ehe sie sich nach Lissabon aufmachen konnten. Der Spanier hatte gelogen.

George Parker legte Sharpes grimmige Miene als Pessimismus aus. »So glauben Sie mir doch, der Weg existiert.«

Sharpe wurde plötzlich auf den Blick des Mädchens aufmerksam, der auf ihm ruhte, und alle beschützerischen Instinkte, die er als Soldat besaß, wurden von diesem prüfenden Blick geweckt. »Sie sagen, Sie hätten die Straße vor einem Monat befahren, Sir?«

»In der Tat.«

»Und eine Kutsche kann sie im Winter bewältigen?«

»Das kann sie in der Tat.«

»Haben Sie vor, die ganze Nacht zu verplaudern?« Mrs Parker richtete sich drohend auf. »Oder kümmert britische Soldaten das Schicksal britischer Frauenzimmer nicht mehr?«

Sharpe faltete die Karte zusammen und schob sie, ohne um Erlaubnis zu bitten, in seinen Beutel. »Wir können bald aufbrechen, Madam, aber zunächst habe ich in der Stadt zu tun.«