Выбрать главу

»Wirklich?« Mr Parker war hocherfreut, von diesem Beweis für Gottes Güte zu hören. »Ein gottesfürchtiger Mann?«

»Komplett verrückt war er, Sir. Er gehörte den Royal Irish an, und die haben samt und sonders einen Dachschaden.«

»Aber Sie sagten doch, er habe Erfolg gehabt?«

»Er hat den Leuten gedroht, ihnen mit der Muskete den Schädel wegzublasen, wenn sie sich nicht taufen ließen. Da haben sie sich der Reihe nach angestellt. Die Schlange reichte zweimal um die Rüstkammer herum und dann zurück bis zum Torhaus.«

Mr Parker verstummte. Er versank in eine Trübsal, die sich nur mit der rebellischen Stimmung vergleichen ließ, die unter den langsam marschierenden Rifles herrschte. Sharpes gute Laune war aufgesetzt. Er wollte einfach nicht zugeben, dass die geringen Fortschritte bei seinem Versuch, das Vertrauen der Schützen zu gewinnen, durch seine Entscheidung zunichte gemacht worden war, allein nach Süden aufzubrechen. Er redete sich ein, die schlechte Laune seiner Männer sei auf mangelnden Schlaf zurückzuführen. In Wahrheit aber wusste er, es lag daran, dass man sie gezwungen hatte, Major Vivar im Stich zu lassen. Die Männer hatten Vertrauen zu Vivar, während Sharpes Autorität die Feuerprobe noch nicht bestanden hatte. Das machte seiner empfindlichen Selbstachtung zu schaffen.

Dass die Schützen nicht glücklich waren, wurde von Sergeant Williams bestätigt, der sich zu Sharpe gesellte, während die kleine Marschsäule durch weitläufige Gärten zog. »Die Jungs wären zu gern bei dem Major geblieben, Sir.«

»Um Himmels willen, wieso denn?«

»Wegen seiner Schätze, Sir! Er wollte uns mit Gold belohnen, sobald wir in Santi-Dingsda ankommen.«

»Du bist ein verdammter Narr, Sergeant. Von Gold war nie die Rede. Kann sein, dass in dieser verdammten Kiste Schätze waren, aber der einzige Grund, warum er auf eure Gesellschaft Wert gelegt hat, war der, sich von euch schützen zu lassen.«

Sharpe war sicher, dass er recht hatte. Vivars Zusammentreffen mit den Rifles hatte die kleine Streitmacht des Majors beinahe verdoppelt. Sharpe aber war nicht einer verfluchten Schatztruhe verpflichtet, sondern dem britischen Heer.

»Bis nach Santiago hätten wir es ohnehin nicht geschafft. Dort wimmelt es nur so von diesen verdammten Franzmännern.«

»Jawohl, Sir«, sagte Williams fügsam, aber mit Bedauern.

Sie machten in jener Nacht halt in einer kleinen Stadt, wo ihnen George Parkers gute Spanischkenntnisse Platz in einem Gasthof sicherten. Die Parkers quartierten sich in einem Nebenzimmer der großen Schankstube des Gasthofs ein, während die Schützen es sich im Stall bequem machen durften.

Die Reste des geschenkten Brots aus dem Mönchskloster waren die einzige Nahrung, die die Männer bei sich hatten, und Sharpe wusste, dass sie mehr brauchten. Der Wirt hatte Fleisch und Wein, wollte sich von beidem jedoch nur gegen Bezahlung trennen. Sharpe hatte kein Geld, daher wandte er sich an den alten Parker, doch der gestand ihm traurig, dass seine Frau die Verfügungsgewalt über die familiären Geldmittel habe.

Mrs Parker, die noch dabei war, sich aus Mänteln und Tüchern herauszuschälen, plusterte sich vor Empörung über sein Ansinnen auf. »Geld, Mister Sharpe?«

»Die Männer brauchen Fleisch.«

»Wir sollen dem Militär Zuwendungen machen?«

»Alle Auslagen werden Ihnen zurückerstattet, Madam.« Sharpe spürte, dass Louisas Blicke auf ihm ruhten. Allein im Interesse des Hungers seiner Männer widerstand er der Versuchung, die Nichte anzusehen, aus Angst, die Tante gegen sich aufzubringen.

Mrs Parker ließ ihre lederne Börse klimpern. »Dieses Geld ist dem Herrn geweiht, Lieutenant.«

»Wir leihen es doch nur, Madam. Meine Männer können Ihnen doch mit leerem Magen keinen Schutz bieten.«

Dieser demütig vorgebrachte Einwand schien Mrs Parker zu überzeugen. Sie beschied den Wirt zu sich und handelte mit ihm den Kauf eines Topfes voller Ziegenknochen aus, daraus sich, wie sie Sharpe versicherte, eine nahrhafte Brühe zubereiten ließe.

Als der Handel abgeschlossen war, zögerte Sharpe, ehe er die von Mrs Parker geforderte Quittung ausfertigte. »Und noch etwas Geld für Wein, gnädige Frau?«

George Parker sah angestrengt zur Zimmerdecke, Louisa machte sich an einem Kerzendocht zu schaffen, und aus Mrs Parkers Blick sprach das Grauen, als sie sich nun Sharpe zuwandte. »Wein?«

»Sehr richtig, Madam.«

»Ihre Männer sind Trunkenbolde?«

»Sie haben ein Anrecht auf Wein.«

»Ein Anrecht?« Die Betonung der Frage verhieß nichts Gutes.

»Britische Heeresvorschrift, Madam. Ein Fünftel Liter Weinbrand pro Tag oder ein halber Liter Wein.«

»Für jeden?«

»Natürlich, Madam.«

»Nicht, Lieutenant Sharpe, solange sie christliches Volk in sichere Gefilde eskortieren.« Mrs Parker steckte die Börse in eine Tasche ihres Rocks. »Das Geld unseres Herrn und Heilandes, Lieutenant, wird nicht für geistige Getränke verplempert. Ihre Männer können Wasser trinken. Mein Mann und ich, wir trinken nichts als Wasser.«

»Oder auch mal Dünnbier«, beeilte George sich, sie zu korrigieren.

Mrs Parker schenkte ihm keine Beachtung. »Die Quittung, Lieutenant, wenn Sie so gut sein wollen.«

Sharpe unterschrieb pflichtschuldigst das Papier. Dann folgte er dem Wirt in den großen Schankraum. Dort angekommen, schnitt er sich mangels anderer Währung vier der Silberknöpfe ab, die an die äußere Naht seiner Uniformhose angenäht waren. Mit den Knöpfen erstand er so viele Weinschläuche, dass es für jeden einen Becher voll gab. Die Männer nahmen ihre Zuteilung und die Schüssel, in der Knorpel und Knochen herumschwammen, in düsterem Schweigen entgegen. Dieses Schweigen wurde jedoch von aufmüpfigem Murren abgelöst, als Sharpe verkündete, das Wecken sei für vier Uhr morgens angesetzt. Von diesem neuen Beweis der aufsässigen Gesinnung seiner Schützen angestachelt, fügte er barsch hinzu, dass diejenigen, die es vorzögen, in französische Gefangenschaft zu geraten, getrost sofort gehen könnten. Er wies durch die Stalltür auf den Hof, wo sich bereits der erste Frost bildete.

Niemand sagte etwas oder rührte sich. In einem Winkel des Stalls konnte Sharpe Harpers Augen glitzern sehen. Wieder einmal hatten sich die Rifles instinktiv um den großen Iren versammelt. Doch Harper um Unterstützung anzugehen hatte keinen Sinn. Er schien den Abfall von Blas Vivar mehr als jeder andere übel zu nehmen, obwohl es Sharpe nicht klar war, warum sie dem Major hätten beistehen sollen.

»Vier Uhr!«, sagte er. »Und um fünf Uhr ist Aufbruch!«

Mrs Parker war über diesen Bescheid nicht glücklicher als die Schützen. »Um vier Uhr aufstehen? Glauben Sie etwa, der Körper könne ohne Schlaf auskommen, Lieutenant?«

»Ich halte es für das Beste, vor den Franzosen aufzubrechen.« Sharpe zögerte. Es fiel ihm nicht leicht, diese störrische Frau noch einmal um etwas zu bitten, aber da er sich nicht zutraute, in der Schwärze der Nacht selbst die Zeit abzuschätzen, fragte er: »Übrigens, Madam, haben Sie vielleicht eine Uhr dabei?«

»Einen Zeitmesser, Lieutenant?« Mrs Parker wollte sich mit dieser Frage Zeit erkaufen, um ihre Ablehnung wirksam zu formulieren.

»Bitte, Madam.«

Von dem brettharten Sitz im Alkoven her, der ihr als Bett diente, lächelte Louisa Sharpe zu. Ihre Tante sah das Lächeln und zog hastig den Vorhang vor den Alkoven. »Sie werden doch selbstverständlich vor dieser Tür schlafen, Lieutenant?«

Sharpe, der bloß an Uhren dachte, war über diese gebieterisch vorgetragene Forderung verblüfft. »Wie meinten Sie, Madam?«

»In diesem Zimmer halten sich schutzlose Frauenspersonen auf, Lieutenant, britische Frauenspersonen.«

»Ich bin sicher, dass Sie hier ungefährdet sind.« Sharpe zeigte auf den schweren Riegel an der Tür.