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Sharpe hatte es als Rotrock nicht anders gehalten. Nun jedoch war er Offizier, und man hatte sich schon wieder gegen seine Autorität aufgelehnt.

Er versah seine geladene Büchse mit trockenem Zündpulver und spannte den Hahn. Sergeant Williams zuckte in Erwartung des Knalls vorbeugend zusammen. Sharpe drückte auf den Abzug, und der Schuss hallte durch den Stall.

»Auf, ihr Halunken! Auf, auf!«

Sharpe trat erneut um sich. Seine Wut wurde noch verstärkt durch seine vermeintliche Inkompetenz, nichts von dem Branntwein gewusst zu haben. Gleichzeitig war ihm deutlich und unangenehm bewusst, wie abscheulich sein Verhalten Miss Louisa Parker vorkommen würde.

Gegen Viertel nach fünf ließ Sharpe in einem Nieselregen, der versprach, den ganzen Tag anzuhalten, die Männer endlich entlang der Straße aufmarschieren. Die Kutsche der Parkers wurde vom Hof des Gasthauses heruntermanövriert, während Sharpe im Licht einer von Sergeant Williams gehaltenen Laterne Waffen und Ausrüstung inspizierte. Er roch an jeder Feldflasche und goss, was von dem Branntwein übrig war, in den Schmutz.

»Sergeant Williams?«

»Sir?«

»Im Eilmarsch!«

Der Eilmarsch der Rifles war unglaublich schnell, und die Männer murrten ob der bevorstehenden Mühsal.

»Ruhe!«, bellte Sharpe. »Rifles! Rechts um!«

Die unrasierten Gesichter der Männer waren verquollen, ihre Augen gerötet, ihr Drill schlampig.

»Im Eilmarsch!«

Während sie marschierten, dämmerte grau und entmutigend der Morgen. Sharpe forcierte ihren Lauf so sehr, dass mehrere Schützen aus der Formation ausscheren mussten, um sich in den überfluteten Straßengräben zu übergeben. Er beförderte sie mit Fußtritten zurück in Reih und Glied. In diesem Moment glaubte er die Männer richtiggehend zu hassen. Fast hätte er sich gewünscht, sie würden sich gegen ihn auflehnen, damit er diese Halunken wegen mangelnder Disziplin beschimpfen und durchprügeln konnte. Er hetzte sie so erbarmungslos voran, dass die Kutsche der Parkers weit zurückblieb.

Sharpe nahm keine Rücksicht auf ihr langsames Vorankommen. Stattdessen beschleunigte er die Schritte der Rifles noch mehr, bis Sergeant Williams, der eine Meuterei der Männer befürchtete, zurückblieb und neben ihm herlief. An diesem Punkt schlängelte sich die Straße über ein lang anhaltendes Gefälle einem breiten Wasserlauf entgegen, über den eine Steinbrücke führte.

»Sie schaffen es nicht, Sir!«, keuchte Williams.

»Aber besaufen können sie sich, wie? Dann sollen sie jetzt getrost leiden.«

Sergeant Williams war anzusehen, wie sehr er litt. Er war bleich und außer Atem, zog die Füße nach und war scheinbar kurz davor, sich zu übergeben. Anderen Männern erging es noch wesentlich schlechter. »Tut mir leid, Sir«, sagte er kläglich.

»Ich hätte euch den Franzosen überlassen sollen. Euch alle.« Sharpes Wut wurde durch Gewissensbisse verschlimmert. Er wusste, dass alles seine Schuld war. Er hätte den Mut aufbringen müssen, am Abend noch den Stall zu inspizieren. Aber er hatte versucht, sich dem Missfallen der Männer zu entziehen, indem er in der Schankstube blieb.

Er dachte erneut an die Betrunkenen, die man während Sir John Moores Rückzug zurückgelassen hatte, Männer ohne Hoffnung, die man der nicht gerade sanften Behandlung durch die nachrückenden Franzosen preisgegeben hatte. Obwohl er ihnen soeben das gleiche Schicksal angedroht hatte, war Sharpe klar, dass er diese Männer nicht im Stich lassen würde. Das war nunmehr eine Frage des Stolzes. Er würde diese Rifles vor dem Verderben bewahren. Sie mochten ihm dafür jeden Dank versagen, ihn ihre Ablehnung spüren lassen, aber er würde sie durch die Hölle gehen lassen, wenn dieser Weg in die Sicherheit führte. Vivar hatte behauptet, es sei nicht zu schaffen, aber Sharpe würde es gelingen.

»Tut mir leid, Sir.« Williams versuchte immer noch, ihn zu besänftigen.

Sharpe sagte nichts. Er überlegte, wie viel einfacher diese Strapazen zu überstehen wären, wenn er einen Sergeant hätte, der die Männer im Zaum zu halten verstünde. Williams ging es zu sehr darum, von allen gemocht zu werden, und Sharpes Meinung nach gab es keinen anderen, der die Streifen verdient hätte. Gataker war zu wenig vertrauenerweckend und zu sehr auf seinen guten Ruf bei den Schützen bedacht. Tongue war zwar gebildet, aber der schlimmste Trunkenbold der Truppe. Parry Jenkins, der Waliser, hatte das Zeug zum Sergeant, aber Sharpe war der Ansicht, es fehle ihm an der nötigen Rücksichtslosigkeit. Hagman war zu faul. Dodd, der Schweigsame, war zu langsam und hatte kein Selbstvertrauen. Blieb also nur Harper übrig, und Sharpe war sicher, dass Harper nichts tun würde, um dem verachteten Quartiermeister zu helfen. Sharpe musste sich mit Williams abfinden, genau wie Williams und die Truppe sich mit Lieutenant Sharpe abfinden mussten. Der gab den Männern nun, da sie die Steinbrücke erreicht hatten, den Befehl zum Anhalten.

Sie machten halt. In ihren Gesichtern spiegelte sich Erleichterung. Die Kutsche war nicht mehr zu sehen. Sie umrundete wohl die Findlinge jenseits der letzten Hügelkuppe.

»Kompanie!« Sharpes laute Stimme veranlasste einige der Männer, das Gesicht zu verziehen. »Waffen ablegen!«

Wieder machte sich Erleichterung breit, als die Männer ihre schweren Waffen niederlegten, ihre Schwertbajonette und Munitionstaschen abschnallten. Sharpe sonderte eine Handvoll Männer ab, die am Morgen nüchtern gewesen waren, und befahl den Übrigen, Tornister, Mäntel und Stiefel zu entfernen.

Die Männer glaubten, er sei verrückt geworden, aber alle Soldaten waren es gewohnt, exzentrischen Offizieren willfährig zu sein, daher zogen sie unter den finsteren Blicken des Lieutenants ihre Stiefel aus. Die Kutsche erschien auf dem Hügelkamm, und Sharpe schnauzte die Männer an, geradeaus zu blicken und nicht hinzusehen. Das Quietschen der Bremsblöcke der Kutsche hörte sich an wie ein Nagel, der über eine Schiefertafel gezogen wird.

»Ihr hattet nicht meine Erlaubnis, euch zu betrinken.« Sharpes Stimme war jetzt tonlos, nicht länger wütend. »Ich hoffe, dass es euch deswegen gottverdammt elend ergeht.«

Es war nicht zu übersehen, dass Sharpes Wut verraucht war, und einige der Männer grinsten, um zu zeigen, dass ihnen in der Tat entsetzlich elend war.

Er lächelte. »Gut. Dann springt in den Bach. Ihr alle.«

Sie starrten ihn an. Das Donnern und Quietschen der Kutschenräder wurde lauter.

Sharpe lud mit der flinken Bewegung eines Mannes, der eine lange Heereslaufbahn hinter sich hat, sein Gewehr. Die Männer starrten ihn ungläubig an, als er daraufhin den Messingkolben an die Schulter legte und die Waffe auf ihre vorderste Linie richtete. »Ich sagte, springt in den Bach! Los!«

Er spannte den Hahn.

Die Männer sprangen.

Vom Brückengeländer ging es ungefähr sechs Fuß in die Tiefe. Der Bach selbst, angeschwollen durch Schmelzwasser und winterliche Niederschläge, war über drei Fuß tief. Das Wasser war eiskalt, aber Sharpe stand auf dem Geländer und befahl jedem Einzelnen, ganz in den eisigen Fluten unterzutauchen. Sein Gewehr diente ihm als Mittel zur Ermutigung.

»Du! Steck deinen verdammten Schädel rein! Harper! Untertauchen, Mann, untertauchen!«

Nur den Nüchternen, den Verwundeten und Sergeant Williams, dessen Autorität ohnehin schon auf wackligen Beinen stand, blieb das unangenehme Erlebnis erspart.

»Sergeant! In drei Reihen am Ufer angetreten! Beeilung!«

Die frierenden Männer wateten aus dem Bach und stellten sich zu drei jämmerlichen Reihen auf dem Gras auf. Die Kutsche kam polternd zum Stehen.

George Parker purzelte mit besorgter Miene aus der Tür. »Lieutenant? Meine liebe Frau machte sich Sorgen, Sie könnten uns bei dem raschen Tempo zurücklassen.« Dann wurde Parker auf die durchnässte Parade aufmerksam und verhielt mit offenem Mund.