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»Sie sind betrunken.« Sharpe sprach laut genug, dass die Männer ihn hören konnten. »Bezecht. Besoffen. Zu nichts zu gebrauchen! Ich habe dafür gesorgt, dass die Halunken den gottverdammten Alkohol herausschwitzen.«

Parker hob die Hand, um sich dieser Blasphemie zu erwehren, aber Sharpe ignorierte ihn. Stattdessen brüllte er seine Männer an. »Ausziehen!«

Augenblicklich herrschte ungläubiges Schweigen. »Ausziehen!«

Sie zogen sich splitternackt aus. Vierzig frierende Männer, blass und elend, standen dort im Nieselregen.

Sharpe starrte auf sie hinab. »Und wenn ihr alle dabei draufgeht, mir soll es verdammt egal sein.« Jetzt war er ihrer Aufmerksamkeit sicher. »Jeden Moment, ihr Taugenichtse, können die verdammten Franzosen dort herabkommen.« Er wies mit dem Daumen hinter sich auf den Hügel. »Und ich hab gute Lust, euch ihnen zu überlassen. Ihr taugt zu nichts! Ich dachte, ihr wäret Rifles! Ich dachte, ihr wäret die Besten! Ich habe schon verdammte Milizbataillone zu Gesicht bekommen, die eher wie Soldaten ausgesehen haben!« Diese Beschimpfung war kaum zu überbieten, aber Sharpe gab sich Mühe. »Ich hab schon verdammte Methodisten zu Gesicht bekommen, die zäher waren als ihr Halunken!«

Mrs Parker riss den Ledervorhang auf, um seinen Flüchen Einhalt zu gebieten, sah die nackten Männer und kreischte auf. Der Vorhang schloss sich wieder.

Sharpe starrte die Männer an, bis sie den Blick senkten. Er nahm es ihnen nicht übel, dass sie Angst hatten. Man durfte einem Soldaten sein Entsetzen nicht ankreiden, wenn Niederlage und Chaos ein ganzes Heer vernichtet hatten. Diese Männer waren gestrandet, fern der Heimat. Aber dennoch waren sie Soldaten, die der Disziplin unterworfen waren. Das Wort Disziplin erinnerte Sharpe an Major Vivars schlichte Grundsätze. Mit einer unbedeutenden Änderung würden sie ihm nun gut zupass kommen.

Sharpe verlieh seiner Stimme einen weniger barschen Tonfall. »Von nun an wird nach drei Grundregeln verfahren. Drei Regeln, nicht mehr. Wer auch nur gegen eine von ihnen verstößt, bekommt es mit mir zu tun. Keiner von euch wird fremdes Gut an sich nehmen, es sei denn mit meiner Erlaubnis. Keiner von euch wird sich betrinken, es sei denn mit meiner Erlaubnis. Und wenn der Feind sich zeigt, werdet ihr kämpfen wie die Schweinehunde. Habt ihr verstanden?«

Schweigen.

»Ich sagte: Habt ihr verstanden? Lauter! Lauter! Lauter!«

Die nackten Männer brüllten ihre Bestätigung heraus, brüllten wie von Sinnen, brüllten, um sich diesen Wahnsinnigen vom frierenden Leib zu halten. Nun sahen sie wesentlich nüchterner aus.

»Sergeant Williams!«

»Sir?«

»Mäntel anziehen! Ihr habt zwei Stunden Zeit. Macht Feuer, trocknet euer Zeug. Dann wieder in drei Reihen angetreten. Ich halte so lange Wache.«

»Jawohl, Sir.«

Die Kutsche stand still da. Der spanische Kutscher saß mit ausdruckslosem Gesicht auf seinem hohen Bock. Erst als die Schützen wieder in ihre trockenen Mäntel geschlüpft waren, flog die Tür auf, und eine wütende Mrs Parker erschien. »Lieutenant!«

Sharpe wusste, was dieser Tonfall verhieß. Er wirbelte herum. »Madam! Werden Sie wohl Ruhe geben!«

»Ich werde ...«

»Ruhe, verdammt noch mal!« Sharpe kam mit großen Schritten auf die Kutsche zu und Mrs Parker, die mit Gewalttätigkeiten rechnete, schlug die Tür zu.

Aber Sharpe trat nur an die Gepäckkiste und holte eine Handvoll spanischer Bibeln hervor. »Sergeant Williams? Etwas zum Anfeuern gefällig?« Er warf die Bücher auf die Wiese, während sich George Parker, der glaubte, die ganze Welt sei verrückt geworden, in taktvolles Schweigen hüllte.

Zwei Stunden später brachen die Rifles in geläutertem Schweigen wieder gen Süden auf.

Um die Mittagszeit hörte es auf zu regnen. Der Weg mündete in eine Straße, die zwar breiter als die bisherige war, aber auch schlammiger. Sie sorgte dafür, dass die Kutsche noch langsamer und mühsamer vorankam. In einiger Entfernung konnte Sharpe zur Rechten eine Wasserfläche erkennen. Breiter als ein Fluss, es musste sich entweder um einen See oder um einen Meeresarm handeln, der sich wie die Lochs im schottischen Hochland weit ins Landesinnere erstreckte. George Parker äußerte die Meinung, dass es sich in der Tat um eine ria handle, ein Tal, das vom Meer überflutet sei, sodass eine direkte Verbindung zu den patrouillierenden Schiffen der Royal Navy bestehen könne. Dieser Gedanke und die Gegend, durch die sie nun zogen, verbreiteten Optimismus. Die Straße führte durch Weideland, das von Baumgruppen, Steinmauern und kleinen Bächen durchzogen war. Die Hügel waren sanft gerundet, und die wenigen Gehöfte machten einen wohlhabenden Eindruck.

Sharpe, der versuchte, sich die von Vivar vernichtete Karte ins Gedächtnis zu rufen, gelangte zu dem Ergebnis, dass sie sich südlich von Santiago de Compostela befinden mussten. Die Verzweiflung, die er in der vergangenen Nacht verspürt hatte, machte der Hoffnung Platz, auf dem richtigen Weg zu sein, und der bekümmerte Ausdruck in den Gesichtern seiner Männer milderte sich, wozu auch der Anblick des Meeresarms beitrug. Vielleicht würden sie schon in der nächsten Stadt auf Fischer treffen, die in der Lage wären, die Flüchtlinge dorthin zu bringen, wo die Schiffe der Marine patrouillierten.

George Parker, der neben Sharpe herging, war derselben Meinung. »Und wenn nicht, Lieutenant, brauchen wir auf jeden Fall nicht bis Lissabon zu reisen.«

»Nicht, Sir?«

»In Oporto werden wir englische Schiffe vorfinden, die Wein laden. Und wir können nicht mehr als eine Wochenreise von Oporto entfernt sein.«

Eine Woche, bis sie in Sicherheit waren! Sharpe jubelte innerlich bei dem Gedanken. Eine Woche harten Marschierens auf seinen zerfetzten Stiefeln. Eine Woche, um zu beweisen, dass er ohne Blas Vivar überleben konnte. Eine Woche, in der er die Rifles so züchtigen konnte, dass sie eine disziplinierte Einheit bildeten. Eine Woche mit Louisa Parker und dann noch mindestens zwei Wochen auf See, während ihr Schiff sich gegen Wind und Wellen der Biskaya gen Norden durchschlug.

Zwei Stunden nach Mittag ließ Sharpe haltmachen. Das Meer war immer noch nicht zu sehen, doch sein Salzgeruch hing schwach zwischen den verkrüppelten Pinien, unter denen die Pferde ihr Futter aus getrockneten Maiskörnern erhielten.

Die Rifles ließen sich, nachdem sie das letzte Brot der Mönche verteilt hatten, erschöpft fallen. Sie hatten zuletzt überflutetes Weideland durchquert, wo der Morast auf der Straße so tief wurde, dass sie ständig die große Kutsche aus dem Schlamm ziehen mussten. Nun führte die Straße zwischen moosbewachsenen Mauern sanft nach oben, einem steinernen Bauernhaus entgegen, das ungefähr eine Meile entfernt auf der nächsten Hügelkuppe stand.

Die Parkers hatten neben ihrer Kutsche Decken ausgerollt und es sich bequem gemacht. Mrs Parker würdigte Sharpe nach seinem Ausbruch am Bach keines Blickes, aber Louisa schenkte ihm ein fröhliches, verschwörerisches Lächeln. Sharpe geriet augenblicklich in Verlegenheit, weil er befürchten musste, dass seine Männer es sehen und zu dem richtigen und unvermeidlichen Schluss gelangen mussten, dass ihr Lieutenant verliebt sei. Um seine Gefühle nicht zu verraten, entfernte sich Sharpe aus dem Pinienhain und ging dorthin, wo ein einzelner Wachtposten neben der Straße kauerte.

»Irgendwas zu sehen?«, fragte er.

»Nichts, Sir.« Es war Hagman, der älteste Schütze und einer der wenigen, die sich in der vergangenen Nacht nicht sinnlos betrunken hatten. Er kaute Tabak und starrte unentwegt zum nördlichen Horizont. »Es wird wieder regnen.«

»Meinst du?«

»Ich weiß es.«

Sharpe ging ebenfalls in die Hocke. Die Wolken schienen kein Ende zu nehmen, schwarz und grau rollten sie aus Richtung des unsichtbaren Meeres heran. »Warum hast du dich zum Heer gemeldet?«, fragte Sharpe.

Hagman, dessen zahnloser Mund seinem ohnehin hässlichen Gesicht das Profil eines Nussknackers verlieh, grinste. »Hab mich beim Wildern erwischen lassen, Sir. Der Magistrat hat mir die Wahl gelassen. Entweder Kerkerhaft oder zum Militär.«