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»Aussteigen!« Sharpe quälte sich durch den Morast. »Aussteigen!« Sollte die Kutsche gerettet werden, musste man die Pferde zwingen, rückwärts auszuweichen, sich zu drehen und dann wieder vorwärts zu gehen. Das brauchte Zeit, die er nicht hatte, daher musste das Fahrzeug aufgegeben werden.

Aber Mrs Parker war nicht gewillt, den Komfort der Kutsche zu opfern. Sie ignorierte Sharpe und lehnte sich gefährlich weit aus dem Fenster, um den Kutscher mit ihrem gewickelten Schirm zu bedrohen. »Gib ihnen die Peitsche, du Narr! Fester!«

Sharpe packte die Türklinke und drückte sie herunter. »Aussteigen! Raus jetzt!«

Mrs Parker schlug mit dem Schirm nach ihm, sodass ihm der fleckige Tschako über die Augen rutschte, aber Sharpe ergriff ihr Handgelenk und zog. Mit einem Aufschrei stürzte sie in den Schmutz. »Sergeant Williams?«

»Sir?«

»Zwei Männer, um die Kisten vom Dach zu holen!« Die Kisten enthielten Sharpes Ersatzmunition.

Gataker und Dodd kletterten hinauf, droschen mit ihren Schwertbajonetten auf die Halteseile ein und warfen den wartenden Schützen die schweren Kisten zu.

George Parker wollte Sharpe ansprechen, doch der Offizier hatte für seine Sorgen keine Zeit. »Sie müssen wohl oder übel rennen, Sir. Zum Bauernhof!« Sharpe drehte den hochgewachsenen Mann in Richtung des Steinhauses und der Scheune, die weit und breit die einzige Zuflucht in dieser kahlen Landschaft waren.

In Louisas Augen spiegelte sich nervöse Erregung. Das Mädchen wurde von Mrs Parker beiseite gestoßen. Beschmutzt durch ihren unsanften Fall und beinahe von Sinnen, weil sie Kutsche und Gepäck verlieren sollte, versuchte sie, sich auf Sharpe zu stürzen. Doch der brüllte die Familie an, sie sollten endlich losrennen.

»Sind Sie denn lebensmüde, Frau? Nun aber los! Sergeant Williams! Eskortieren Sie die Damen! Rettet euch in das Bauernhaus!«

Mrs Parker schrie nach ihrer Reisetasche, die Mr Parker zitternd wie Espenlaub aus dem Innern der Kutsche barg. Endlich stürmte die Familie, umgeben von Schützen, den Hang hinauf.

»Sir?« Harper hielt Sharpe auf. »Straßenblockade?« Er wies auf die Kutsche.

Sharpe hatte keine Zeit, sich über die plötzliche Hilfsbereitschaft des Iren zu wundern. Er erkannte jedoch den Wert seines Vorschlags. Wenn die Straße blockiert war, mussten die Franzosen die Steinmauern überwinden, die zu beiden Seiten die Felder säumten. Dadurch war nicht viel gewonnen, aber in dieser verzweifelten Lage kam es auf jede Minute an. Er nickte. »Wenn's geht.«

»Kein Problem, Sir.« Harper hakte die Zugriemen, Gestänge und Deichseln aus, während andere Männer Halfter und Zügel kappten. Der Ire schlug den Tieren auf die Flanke, um das befreite Gespann den Hügel hinaufzutreiben. »So, Jungs! Jetzt kippen wir den Kasten um!«

Die Schützen versammelten sich auf der rechten Seite der Kutsche. Sharpe spähte in Richtung der Bäume, wartete auf die Vorhut des Feindes. Dann konnte er der Versuchung nicht mehr widerstehen, sich umzudrehen und zu beobachten, wie der Ire seinen Helfern befahl, die Kutsche anzuheben.

Einen Moment lang wollte sie sich nicht vom Fleck rühren, dann schien Harper das ganze Gewicht des Gefährts auf die eigenen mächtigen Schultern zu nehmen. Er stemmte sich dagegen. Da bewegten sich die Räder im Schlamm, und die Achsnabe kratzte dort, wo sie sich verfangen hatte, am Gemäuer entlang. »Hievt!« Harper dehnte das Wort zu einem lang gezogenen Schrei, während die Kutsche sich immer höher in die Lüfte erhob. Eine Sekunde lang drohte sie, rückwärts umzukippen und die Grünjacken unter sich zu begraben. Sharpe rannte los, um das riesige Gefährt mit seinem eigenen Gewicht abzustützen. Die Kutsche wankte noch einen Moment, dann stürzte sie mit splitterndem Krachen auf die Seite und versperrte die Straße. Drinnen hagelte es Gepäckstücke und Sitzkissen, und die spanischen Ausgaben des Neuen Testaments verteilten sich im Morast.

»Kavallerie, Sir!«, rief Hagman.

Sharpe wandte sich nach Norden und sah, wie die sechs feindlichen Reiter ihre Pferde am Rand der Baumgruppe zügelten. Er zielte rasch, zu rasch, und sein Schuss ging fehl. Hagman, der eine Sekunde später schoss, sorgte dafür, dass sich eines der Pferde aufbäumte. Die übrigen Dragoner rissen ihre Tiere herum. Zwei weitere Schüsse fielen, ehe sich die feindliche Vorhut unter den Pinien in Sicherheit bringen konnte.

»Los jetzt!«, brüllte Sharpe.

Die Schützen rannten los. Ihre Schwertbajonette wippten, und die Tornister schlugen mit dumpfem Laut gegen ihre Rücken, während sie die Straße hinaufeilten. Eine Musketenkugel, auf große Entfernung abgeschossen, zischte über Sharpes Kopf hinweg. Er sah, dass Mrs Parker von zwei Schützen mitgezerrt werden musste, und hätte bei dem Anblick am liebsten gelacht. Es war zu lächerlich. Er war der Kavallerie in die Falle gegangen und zugleich hätte er sich ausschütten können vor Lachen.

Sharpe holte zu Sergeant Williams' Trupp auf. Mrs Parker war wütend, jedoch zu sehr außer Atem, um ihn anzuschreien. Sie war schlicht zu dick, um schnell voranzukommen. Sharpe sah sich nach Harper um. »Schleppt sie einfach mit!«

»Das kann nicht Ihr Ernst sein, Sir!«

»Dann tragt sie, wenn's sein muss!«

Der Ire stemmte sich gegen Mrs Parker. Louisa lachte, aber Sharpe rief dem Mädchen zu, es solle weiterrennen. Er selbst ging mit den verbliebenen Männern im Schutz einer Steinmauer neben der Straße in Stellung und hielt Ausschau nach den Verfolgern.

Sharpe hörte, wie sich die Dragoner mit Trompetensignalen untereinander verständigten. Die Vorhut hatte signalisiert, dass der Feind in Sicht und auf der Flucht sei, daher würden die übrigen Dragoner nun losreiten, nachdem sie statt ihrer Feldmützen mit Stoff überzogene Helme aufgesetzt hatten. Säbel würden rasselnd aus der Scheide fahren, Musketen von der Schulter genommen.

»Die müssen durch die Bäume, also werden wir den Schweinehunden eine Salve verpassen und uns dann aus dem Staub machen! Zielt dorthin, wo die Straße zwischen den Bäumen herauskommt, Jungs!«

Sharpe hoffte, die Dragoner mindestens eine Minute lang aufzuhalten oder gar noch länger. Wenn die Spitze der feindlichen Kolonne unter den Bäumen erschien, würde er sie mit einer gut gezielten Salve bedecken, und die nachfolgenden Reiter würden Zeit brauchen, um an den verwundeten Tieren vorbeizukommen.

Hagman lud sorgsam sein Gewehr mit Pulver und Kugel von bester Qualität. Er scheute die fertigen Patronen, die mit gröberem Pulver hergestellt waren. Stattdessen benutzte er für sein Gewehr das feinste Pulver, das jeder der Schützen in einem Horn bei sich trug. Die Kugel hüllte er in das eingefettete Stück Leder, das beim Abschuss der Waffe dafür sorgen würde, dass die sieben spiralförmigen Rillen und Erhebungen griffen, die der Kugel Drall verliehen. Er rammte die lederumhüllte Kugel gegen den Widerstand des Viertelgewindes in den Lauf, dann füllte er die Pfanne mit einer Prise guten Pulvers. Es dauerte lange, ein Gewehr so zu laden, aber der nachfolgende Schuss konnte höllisch genau sein. Als Hagman fertig war, legte er das Gewehr über die Steinmauer und gab einen Strahl vom Tabak verfärbter Spucke von sich. »Bei dem Wind müsst ihr einen Schritt nach links zielen.«

Auf der Mauer neben Sharpe landete ein Regentropfen. Er betete, der Regen möge noch so lange auf sich warten lassen, bis seine Gewehre geschossen hatten, und ging dabei zwischen den Männern auf und ab. »Hier wird nicht lange geschossen! Eine Salve und dann nichts wie weg.«

»Sir?« Ein Mann am Ende ihrer Linie zeigte auf die Bäume östlich der Straße, und als er den Blick dorthin wandte, meinte Sharpe, dort eine Bewegung erspäht zu haben. Er knöpfte die Tasche auf, in der er sein Teleskop aufbewahrte, aber noch ehe er das Glas aus seiner Schutzhülle ziehen konnte, brach der Feind in einer einzigen mächtigen Sturmreihe zwischen den Bäumen hervor.

Sharpe hatte erwartet, dass die Franzosen hintereinander durch die Lücke kommen würden, die die Straße zwischen den Pinien freiließ, aber die Dragoner waren nach rechts und links unter die Bäume ausgeschert. Nun preschte, behelmt und mit gezogenen Säbeln, die gesamte Streitmacht des Feindes heran.