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Dunnett stampfte mit den kalten Füßen auf der Straße. »Ich schicke die Kompanien an der Flanke zurück, Johnny. Du kannst ihnen Feuerschutz geben.«

»Jawohl. Warten wir auf die Berittenen?«

»Verdammte Kavallerie.« Dunnett äußerte die gewohnheitsmäßige Verachtung des Infanteristen für die Reitertruppe. »Ich warte noch fünf Minuten. Es kann doch nicht so lange dauern, ein paar lächerliche Kanonen aus dem Weg zu räumen. Können Sie was erkennen, Quartiermeister?« Die Frage war ironisch gemeint.

»Nichts, Sir.« Sharpe nahm seinen Tschako ab und fuhr sich mit der Hand durchs lange schwarze Haar, das von den vielen im Feld verbrachten Tagen fettig war. Sein Mantel stand offen, und er trug weder Schal noch Handschuhe. Entweder konnte er sich die nicht leisten, oder er wollte damit prahlen, so abgehärtet zu sein, dass er sie nicht brauchte. Seine vermeintliche Arroganz veranlasste den Major, sich zu wünschen, dass Sharpe, den es so nach Kampf gelüstete, von feindlichen Reitern niedergemäht würde.

Nur waren keine feindlichen Reiter in Sicht. Vielleicht hatten Regen und Wind und die gottverdammte Kälte die Franzosen dazu getrieben, im letzten Dorf Zuflucht zu suchen. Oder die betrunkenen Frauen hatten eine allzu große Anziehungskraft auf sie ausgeübt. Wie auch immer, jedenfalls waren keine Franzosen zu sehen, nur Schneeregen und tief hängende Wolken, die im auffrischenden Wind heranrollten.

Major Dunnett fluchte nervös. Die vier Kompanien schienen in einer Wildnis voller Regen und Frost allein zu sein, vier Kompanien vergessener Soldaten in einem vergessenen Krieg. Dunnett beschloss, nicht länger abzuwarten. »Wir machen uns auf den Weg.«

Pfiffe gellten. Die beiden Kompanien an der Flanke machten kehrt, und die Soldaten schlurften wie wandelnde Leichen die Straßen hinauf. Die mittleren Kompanien blieben unter dem Kommando von Captain Murray an der Brücke zurück. In etwa fünf Minuten, wenn die ersten beiden Kompanien angehalten hatten, um ihren Rückzug zu decken, sollten Murrays Männer an der Reihe sein, sich zurückzuziehen.

Die Schützen mochten Captain Murray. Er sei ein echter Gentleman, pflegten sie zu sagen. Wer ihn hinters Licht führen wolle, müsse schon ein ganz gerissener Hundesohn sein. Aber wenn man ihm Respekt erweise, behandle der Captain einen auch fair.

Murray hatte ein hageres Gesicht, dessen Ausdruck Humor verriet, lächelte gern und hatte immer einen Scherz parat. Offiziere wie er waren dafür verantwortlich, dass diese Schützen immer noch mit einem Hauch jenes Elans, den sie auf dem Paradeplatz in Shorncliffe gelernt hatten, die Waffe schultern und losmarschieren konnten.

»Sir!« Sharpe, der immer noch auf der Brücke stand, lenkte Murrays Aufmerksamkeit gen Osten, wo sich eine Gestalt durch den Schneeregen kämpfte. »Einer der Unseren!«, rief er kurz darauf.

Die einsame Gestalt, die da torkelnd heranstolperte, war ein Rotrock. Er hatte keine Muskete, keinen Tschako, keine Stiefel. Seine nackten Füße hinterließen Blutspuren auf dem Schotter der steinigen Straße.

»Das soll ihm eine Lehre sein«, sagte Captain Murray. »Da seht ihr die Folgen des Suffs, Jungs.«

Das war kein besonders gelungener Witz. Murray äffte bloß einen Prediger nach, der dem Bataillon einmal eine Ansprache über die Schrecken des Alkohols gehalten hatte, brachte damit jedoch die Schützen zum Lachen. Ihre Lippen mochten von der Kälte aufgesprungen und blutig sein, aber ein Grinsen war immer noch besser als stumme Verzweiflung.

Der Rotrock, einer der Trunkenbolde, die sie im letzten Dorf zurückgelassen hatten, winkte der Nachhut mit schlaffer Hand zu. Eine Art Instinkt hatte ihn geweckt und veranlasst, in westlicher Richtung die Straße entlangzugehen, um sich in Sicherheit zu bringen. Er taumelte am ausgeweideten, gefrorenen Kadaver eines Pferdes vorbei und versuchte, seine Schritte zu beschleunigen.

»Achtung, Kavallerie!«, brüllte Sharpe.

»Rifles!«, rief Captain Murray. »Legt an!«

Lumpen wurden von den Gewehrschlössern entfernt. Obwohl ihre Hände von der Kälte steif waren, führten die Männer die nötigen Handgriffe rasch aus.

Denn in dem weißen Dunst aus Schneeregen und Eis waren neue Gestalten zu erkennen. Reiter.

Grotesk anmutende Gestalten im grauen Regen. Aus Säbelscheiden, Umhängen, Federbüschen und Bandeliers setzte sich die zackige Silhouette französischer Kavallerie zusammen. Dragoner.

»Immer mit der Ruhe, Jungs!« Captain Murrays Stimme klang ruhig.

Sharpe hatte sich an die linke Flanke der Kompanie begeben, wo sein Maultier angebunden war.

Der Rotrock verließ die Straße, übersprang einen zugefrorenen Graben. Dann schrie er auf wie ein Schwein im Schlachthaus. Ein Dragoner hatte zu dem Mann aufgeholt. Sein langer Säbel sauste herab und schlitzte das Gesicht des Rotrocks von der Stirn bis zum Kinn auf. Blut sprenkelte die gefrorene Erde. Ein weiterer Reiter, der von der anderen Seite kam, ließ seine stählerne Klinge durch die Luft zischen und versenkte sie in der Schädeldecke des Flüchtenden. Der betrunkene Rotrock ging stumm in die Knie und die Dragoner ritten über ihn hinweg und spornten ihre Tiere in Richtung der beiden Kompanien an, die die Straße versperrten. Der schmale Bach war kein ernst zu nehmendes Hindernis für ihren Angriff.

»Serrez! Serrez!« Das französische Befehlswort schallte deutlich zu den Schützen hinüber. Es bedeutete »Aufschließen!«

Die Dragoner rückten zusammen, ein gestiefeltes Knie neben dem anderen, und Sharpe konnte ihre buschigen Schnauzbärte erkennen, ehe Captain Murray den Feuerbefehl gab.

Ungefähr achtzig Büchsen feuerten. Die restlichen waren zu feucht geworden, doch achtzig Kugeln auf weniger als hundert Yards Entfernung ließen die feindliche Schwadron zu einem Getümmel aus stolpernden Pferden, stürzenden Männern und allgemeiner Panik auseinanderbrechen. Der Schrei eines verendenden Pferdes durchschnitt die Kälte des Tages.

Sergeant Williams stand an der rechten Flanke von Murrays Kompanie. Er griff nach einem der feucht gewordenen Gewehre, wischte das nasse Pulver aus der Zündpfanne und lud mit trockenem aus seinem Pulverhorn nach. »Wählt euer Ziel! Feuer frei!«

Sharpe hielt durch den schmutzig grauen Rauch nach einem feindlichen Offizier Ausschau. Er erspähte einen Berittenen, der die durcheinandergeratene Kavallerie anbrüllte, und zielte auf ihn. Das Gewehr schlug gegen seine Schulter, als er schoss. Er meinte, den Franzosen fallen zu sehen, war sich jedoch nicht ganz sicher. Ein reiterloses Pferd entfernte sich im Galopp von der Straße. Von seiner Satteldecke tropfte Blut.

Weitere Büchsen wurden abgefeuert. Die Stichflammen sprühten einen halben Yard weit aus den Mündungen. Die Franzosen hatten sich zerstreut und nutzten den Schneeregen als Schutz, um den Schützen das Zielen zu erschweren. Ihr erster Angriff, der nur dazu dienen sollte festzustellen, wie gut die Nachhut standhielt, auf die sie getroffen waren, war gescheitert. Nun gaben sie sich damit zufrieden, die Grünjacken aus sicherer Entfernung zu zermürben.

Die beiden Kompanien, die unter Major Dunnetts Oberbefehl nach Westen zurückgewichen waren, hatten sich inzwischen neu formiert. Ein Pfeifton erklang, um Murray mitzuteilen, dass er sich ungefährdet zurückziehen könne.

Die Franzosen jenseits der Brücke eröffneten ein unregelmäßiges und wahlloses Feuer aus ihren langen Musketen. Sie schossen aus dem Sattel, was es noch unwahrscheinlicher machte, dass ihre Kugeln ein Ziel fanden.

»Rückzug!«, rief Murray.

Ein paar Büchsen spuckten ein letztes Mal Feuer, dann drehten sich die Männer um und liefen die Straße hinauf. Sie vergaßen Hunger und Verzweiflung. Die Angst machte ihnen Beine. Sie rannten auf die beiden in Formation stehenden Kompanien zu, die einen weiteren französischen Angriff abwehren würden. In den nächsten paar Minuten war mit einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen müder Kavallerie und frierenden Schützen zu rechnen, bis entweder die Franzosen ihre Angriffsversuche aufgaben oder die britische Kavallerie eintraf, um den Feind zu vertreiben.