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»Rifles! Rifles!«, rief Vivar.

Aus der Scheune kamen einige französische Offiziere gerannt, und Vivar trieb sein Pferd auf sie zu, dicht gefolgt von seinen Männern. Die Franzosen drehten um und flohen. Die Cazadores ritten in gebückter Haltung, um dem Oberbalken auszuweichen, geradewegs in die Scheune, und von drinnen ertönten Schreie. Dann erschienen berittene Dragoner, und Vivar brüllte seinen Männern zu, sie sollten eine Linie bilden, angreifen und für Santiago kämpfen.

An diesem Punkt kamen die Schützen aus dem Haus. Sie rissen die von Geschossen durchlöcherte Tür nieder und rannten mit aufgesetzten Schwertbajonetten auf den Hof. Sie jubelten den Spaniern zu.

»Nach Osten!«, übertönte Vivar ihre Rufe und deutete mit dem Säbel in diese Richtung. »Nach Osten!«

Die Schützen rannten nach Osten, weg vom Meer und hinab zu dem bewaldeten Abzugsgraben, wo sie vor den französischen Dragonern vorübergehend in Sicherheit waren. Nachdem sich die Dragoner von dem Schock erholt hatten, von Vivar angegriffen zu werden, und nachdem sie begriffen hatten, dass sie gegenüber den spanischen Reitern in der Überzahl waren, formierten sie sich auf der Straße unterhalb des Bauernhofs neu. Die französische Trompete blies zum Vorrücken.

Vivar ließ den Gegenangriff kommen. Er wich zurück, zufrieden damit, dass die Franzosen den Gebäudekomplex zurückeroberten, während er sich in Richtung Abzugsgraben zurückzog. Seine Männer schossen vom Sattel aus. Beim Laden rammten sie die Kugeln mithilfe von Ladestöcken in den Karabinerlauf, die mit einer Gelenkmanschette an den Mündungen ihrer Waffen befestigt waren, damit sie nicht herunterfielen. Der Bauer, seine Frau und der Kutscher der Parkers flohen zusammen mit den Grünjacken. Der Letzte der spanischen Cazadores preschte die Böschung hinab. Sharpes Schützen hatten ihren Rand besetzt und schossen auf die Franzosen, deren Angriff, so enthusiastisch er vorgetragen wurde, zum Scheitern verurteilt war. Das Dickicht und Dornengebüsch des Abzugsgrabens würde die Dragoner zwingen, sich an die schmalen Pfade zu halten, die von den Rifles gesichert wurden. De l'Eclin, dem die Gefahr nicht entging, rief seine Männer zurück. Doch einige Franzosen galoppierten wutentbrannt weiter, und Sharpe sah zu, wie die Gewehrkugeln ihre verstreute Attacke zunichte machten. »Feuer einstellen!«

»Folgt uns!«, rief Vivar ihnen vom anderen Ufer aus zu.

»Sir!«, brüllte Harper warnend, und Sharpe drehte sich um.

Mit der Linken ihren Rock hochraffend und mit der Rechten ihren Hut festhaltend, kam Louisa Parker über die Wiese gerannt. Aus der Scheune erklang ein wütender Aufschrei, offenbar der verzweifelte Protest ihrer Tante, doch die Nichte achtete nicht darauf. Sie umrundete ein gefallenes, blutendes Pferd. Ein Franzose nahm die Verfolgung auf, doch Hagman brachte den Mann mit einem gezielten Schuss zu Fall.

»Lieutenant! Lieutenant!«, rief Louisa.

»Allmächtiger Gott!« Harper musste lachen, als die junge Frau keuchend und mit Augen, die vor Erregung weit aufgerissen waren, die Böschung herabstürzte und sich Sharpe in die Arme warf, als könne er sie vor der ganzen Welt beschützen.

Sharpe breitete überglücklich die Arme aus, um ihre kopflose Flucht zu beenden. Eine Sekunde lang klammerte sie sich lachend und atemlos an ihn, dann wich sie zurück. Sharpes Männer bejubelten die Tollkühnheit des Mädchens.

»Lieutenant!« Vivar war zurückgekommen, um die Schützen zum Rückzug anzuhalten. Nun starrte er verblüfft auf das Mädchen an Sharpes Seite. »Lieutenant?«

Doch es war keine Zeit für Erklärungen, keine Zeit für etwas anderes als panische Flucht gen Osten, weg von der trügerischen Sicherheit, die das Meer versprochen hatte, und zurück zu den Geheimnissen, die Blas Vivars Truhe barg.

KAPITEL 10

Sie marschierten die ganze Nacht, stiegen immer höher hinauf und hatten dabei einen Wind im Gesicht, der die Kälte des Schnees in den Senken der unteren Hänge mit sich führte. Nach Mitternacht sah Sharpe von einem bewaldeten Vorsprung aus das ferne Glitzern des Meeres im Westen. Viel näher und unter ihm auf den dunklen Gefilden der Tiefebene verrieten fahle Lagerfeuer, wo Männer ihre Zelte aufgeschlagen hatten.

»Die Franzosen«, bemerkte Vivar leise.

»Die der Meinung waren, ich würde Sie nach Süden begleiten«, sagte Sharpe vorwurfsvoll.

»Später! Später!«, erwiderte Vivar, wie jedes Mal, wenn Sharpe versuchte, aus dem Spanier eine Erklärung für sein Verhalten herauszuholen.

Hinter Vivar schleppten sich die Rifles, gebeugt von der Last ihrer schweren Tornister, den Bergpfad herauf. Die Cazadores führten ihre Pferde, um die Kräfte der Tiere für die lange Reise zu bewahren, die vor ihnen lag. Nur die Verwundeten durften aufsitzen. Sogar Louisa Parker hatte sich damit abfinden müssen, zu Fuß zu gehen. Vivar, der das Mädchen vorbeigehen sah, wandte sich stirnrunzelnd an Sharpe.

»Ich lasse Sie zwei Tage allein, und Sie finden ein englisches Mädchen?«

Sharpe hörte die Abneigung des Spaniers heraus und beschloss, mit Sanftmut zu antworten. »Sie ist ihrer Tante und ihrem Onkel davongelaufen.«

Vivar spuckte den Hang hinab. »Von denen habe ich schon gehört. Die Parkers, nicht wahr? Sie nennen sich Missionare, aber ich nenne sie englische Wichtigtuer. Man hat mir erzählt, der Bischof habe sie aus Santiago de Compostela vertreiben wollen, ich sehe jedoch, dass uns die Franzosen bereits den Gefallen getan haben. Warum ist sie davongelaufen?«

»Ich glaube, sie ist auf Abenteuer aus.«

»Das können wir ihr bieten«, sagte Vivar säuerlich, »aber ich war noch nie der Meinung, dass Soldaten die richtige Gesellschaft für ein junges Mädchen sind, nicht einmal für ein protestantisches junges Mädchen.«

»Soll ich sie erschießen?«, erbot sich Sharpe gehässig.

Vivar wandte sich wieder dem Pfad zu. »Das besorge ich schon selbst, Lieutenant, wenn sie irgendwelche Schwierigkeiten macht. Wir haben unsere eigene Mission, und die darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.«

»Was für eine Mission?«

»Später! Später!«

Sie kletterten immer höher, verließen den Schutz der Bäume und erreichten einen windigen Abhang mit spärlichem Gras und ausgehöhlten Felsbrocken. Die Nacht war dunkel, doch die Kavalleristen kannten sich aus. Sie überquerten ein Gebirgstal, durchwateten einen Wasserlauf und setzten ihren Aufstieg fort.

»Ich bin unterwegs«, sagte Vivar, »an einen fernen Ort. Irgendwohin, wo uns die Franzosen nichts anhaben können.« Sie gingen schweigend ein paar Schritte weiter. »Sie sind also Tomas begegnet?«

Sharpe spürte, dass es Vivar sehr schwerfiel, diese Frage beiläufig zu stellen. Er versuchte, seine Antwort ebenso gleichmütig klingen zu lassen. »So heißt also Ihr Bruder?«

»Wenn er mein Bruder ist. Ich kann einen Verräter nicht zu meinen Brüdern zählen.« Vivar machte nun keinen Hehl mehr aus seiner Scham und Erbitterung. Er war bisher nicht bereit gewesen, über den Grafen von Mouromorto zu sprechen, aber das ließ sich auf Dauer nicht totschweigen. Sharpe hatte den Grafen kennengelernt, und das bedurfte einer Erklärung. »Wie ist er Ihnen vorgekommen?«

»Wütend«, lautete Sharpes unzulängliche Beschreibung.

»Wütend? Schämen sollte er sich. Er glaubt, es sei Spaniens einzige Hoffnung, sich mit Frankreich zu verbünden.« Sie gingen auf einem hohen Grat dahin, und Vivar musste seine Stimme erheben, so laut brauste der Wind. »Wir nennen solche Männer afrancesados, Französlinge. Sie haben sich französische Ideen zu eigen gemacht, aber in Wahrheit sind sie gottlose Verräter. Tomas hat sich schon immer gern von nördlichem Gedankengut hinreißen lassen, aber daraus erwächst kein Lebensglück, Lieutenant, nur eine große Unzufriedenheit. Er wäre bereit, Spanien das Herz aus dem Leibe zu reißen und durch eine französische Enzyklopädie zu ersetzen. Er möchte Gott vergessen und Vernunft, Tugend, Gleichheit, Freiheit und all den anderen Unsinn auf den Thron erheben, der Männer vergessen lässt, dass sich der Brotpreis verdoppelt hat und nur Tränen im Überfluss zu haben sind.«