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Sharpe wurde von peinlicher Verlegenheit gepackt. »Ich habe mich auch schlecht benommen. Das tut mir leid.« Dann erinnerte er sich noch einer anderen Pflicht. »Und ich danke Ihnen für unsere Rettung. Ohne Sie wären wir zum Tode verurteilt gewesen.«

Vivars Überschwang kehrte zurück. »Nun muss ich noch ein Wunder herbeiführen. Wir müssen uns an die Arbeit machen, Lieutenant! Arbeit! Arbeit! Arbeit!«

»Ein Wunder?«

Vivar löste seinen Arm, damit er Sharpe ins Gesicht sehen konnte. »Mein Freund, ich will Ihnen gern alles erzählen, wenn ich kann. Ich will es Ihnen sogar noch heute nach dem Abendessen erzählen, wenn ich kann. Aber es sind ein paar Männer hierher unterwegs, und ich bedarf ihrer Erlaubnis, zu verraten, was die Truhe enthält. Sind Sie bereit, mir zu vertrauen, bis ich mit diesen Männern gesprochen habe?«

Sharpe hatte keine andere Wahl. »Natürlich.«

»Dann machen wir uns an die Arbeit.« Vivar klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit seiner Männer zu erregen. »Arbeit! Arbeit! Arbeit!«

Alles, was Vivars Männer brauchten, musste den Berg hinaufgetragen werden. Aus Kavalleriepferden wurden Packpferde für Feuerholz, Brennstoff und Futter, Nahrungsmittel kamen aus den Bergdörfern, wurden zum Teil meilenweit auf den Rücken von Maultieren oder Menschen herangeschleppt. Der Major hatte im Land seiner Väter verbreiten lassen, dass Vorräte gebraucht wurden, und Sharpe beobachtete mit Erstaunen die Reaktion.

»Mein Bruder«, sagte Vivar mit grimmiger Befriedigung, »hat seinen Untertanen befohlen, nichts zu unternehmen, was die Franzosen behindert. Ha!«

Den ganzen Tag über trafen die Vorräte in der Festung ein: Töpfe voller Getreide und Bohnen, Kisten voll mit Käse, Netze voller Brot und Häute voller Wein. Für die Pferde gab es Heu. Klafterweise wurde das Holz den steilen Pfad hinaufgezogen, wurden Reisigbündel gebracht, die als Zunder verwendet werden konnten. Ein Teil des Reisigs wurde zu Besen verarbeitet, um damit den Turm auszufegen. Aus Satteldecken wurden Vorhänge und Teppiche, und Feuerstellen erwärmten das kalte Gemäuer.

Die Männer, die Vivar erwartete, trafen um die Mittagszeit ein. Ein Trompetensignal kündete mit feierlichem Klang vom Herannahen der Besucher. Einige der Cazadores gingen den steilen Pfad hinab, um die beiden Männer in die Festung zu eskortieren.

Die Neuankömmlinge waren Priester.

Sharpe beobachtete ihre Ankunft vom Fenster in Louisa Parkers Kammer. Er hatte die junge Engländerin aufgesucht, um zu erfahren, warum sie ihrer Familie entflohen war. Sie hatte den ganzen Morgen geschlafen und schien sich vollständig von den Anstrengungen der Nacht erholt zu haben. Sie blickte an ihm vorbei auf die Priester, die soeben von ihren Pferden stiegen, und erschauderte mit vorgetäuschtem Entsetzen.

»Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass das römische Priestertum etwas äußerst Unheimliches an sich hat. Meine Tante ist davon überzeugt, dass sie Schwänze und Hörner haben.« Sie sah zu, wie die Priester durch ein Ehrenspalier dorthin traten, wo Blas Vivar darauf wartete, sie zu begrüßen. »Ich denke, sie haben tatsächlich Schwänze und Hörner und obendrein gespaltene Hufe. Meinen Sie nicht auch?«

Sharpe wandte sich vom Fenster ab. Er war verlegen, und ihm war unbehaglich zumute. »Sie dürften überhaupt nicht hier sein.«

Louisa riss die Augen auf. »Was für ein grimmiger Tonfall.«

»Tut mir leid.« Sharpe drückte sich schroffer aus, als ihm lieb war. »Es geht nur darum, dass ...« Seine Stimme verklang.

»Sie glauben, Ihre Soldaten würden durch meine Gegenwart in Unruhe versetzt?«

Sharpe war nicht gewillt, ihr zu erzählen, dass Blas Vivar durch Louisas impulsives Verhalten bereits in Unruhe versetzt war. »Dies ist kein schicklicher Ort für Sie«, sagte er stattdessen. »Sie sind so etwas nicht gewohnt.« Er deutete mit einer ausladenden Handbewegung auf die Kammer, als wolle er deren Mängel demonstrieren. In Wahrheit hatten Vivars Cazadores alles, was in ihrer Macht stand, getan, um es der schönen Ausländerin bequem zu machen. Der Raum war zwar klein, es gab jedoch einen Kamin, in dem Holzscheite glühten. Außerdem gab es ein Bett aus Farnkraut und karmesinroten Satteldecken. Andere Habseligkeiten hatte sie keine, nicht einmal Wäsche zum Wechseln.

Sharpes strenger Ton schien sie zu bestürzen. »Es tut mir leid, Lieutenant.«

»Nein.« Sharpe versuchte, ihre Entschuldigung abzutun, obwohl er sie herausgefordert hatte.

»Meine Gegenwart bringt Sie in Verlegenheit?«

Sharpe wandte sich erneut dem Fenster zu und beobachtete, wie sich die Cazadores um die beiden Priester scharten. Einige seiner Rifles sahen neugierig zu.

»Wäre es Ihnen vielleicht lieber, wenn ich zu den Franzosen zurückginge?«, fragte Louisa kokett.

»Natürlich nicht.«

»Ich glaube doch, es wäre Ihnen lieber.«

»Seien Sie doch nicht so verdammt töricht!«, fuhr Sharpe sie an, schämte sich jedoch gleich darauf. Er wollte verhindern, dass sie merkte, wie froh er darüber war, dass sie ihrer Tante und ihrem Onkel davongelaufen war. In seinem Bemühen, diese Freude zu verbergen, hatte er die Beherrschung über seine Stimme verloren. »Es tut mir leid, Miss.«

Louisa stand ihm an Zerknirschung nicht nach. »Nein, mir tut es leid.«

»Ich hätte nicht fluchen dürfen.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das Fluchen aufgeben könnten, nicht einmal mir zuliebe.« Sie sagte es mit einer Spur ihrer gewohnten Schalkhaftigkeit, einem angedeuteten Lächeln, und Sharpe war hocherfreut.

»Es geht nur darum, dass sich Ihre Tante und Ihr Onkel um Sie sorgen werden«, versuchte er zu argumentieren. »Und wir müssen wahrscheinlich wieder kämpfen, und auf dem Schlachtfeld ist für eine Frau kein Platz.«

Louisa sagte einen Moment lang nichts, dann zuckte sie mit den Schultern. »Der Franzose, de l'Eclin hieß er? Er hat mich beleidigt. Ich glaube, er hat mich als Kriegsbeute betrachtet.«

»Er wurde Ihnen gegenüber ausfallend?«

»Wahrscheinlich hielt er sich für sehr galant.« Louisa ging in ihrem blauen Rock und Mantel, den Kleidungsstücken, die sie seit ihrer Flucht aus der Reisekutsche trug, in ihrer Kammer auf und ab. »Würde es Sie erzürnen, wenn ich sage, dass ich Ihren Schutz dem seinen vorziehe?«

»Ich bin geschmeichelt, Miss.« Sharpe hatte das Gefühl, in eine Verschwörung hineingezogen zu werden. Er war gekommen, um Louisa zu warnen, dass Blas Vivar ihre Gegenwart missfiel, und um ihr zu sagen, sie solle dem Spanier so gut wie möglich aus dem Weg gehen. Stattdessen spürte er den Reiz ihrer Munterkeit.

»Ich war versucht, bei den Franzosen zu bleiben«, gestand Louisa, »nicht wegen der inneren Werte des Obersten, sondern weil man in Godalming sicherlich sehr interessiert gewesen wäre, von meinen Abenteuern beim Heer des korsischen Ungeheuers zu hören, oder etwa nicht? Vielleicht wären wir nach Paris geschickt und der Meute vorgeführt worden, wie die alten Briten den Römern vorgezeigt wurden.«

»Das bezweifle ich«, sagte Sharpe.

»Ich habe es auch bezweifelt. Stattdessen sah ich äußerst ermüdende Zeiten auf mich zukommen, in denen ich gezwungen sein würde, mir die endlosen Klagen meiner Tante anzuhören, über den Krieg, die verlorenen Ausgaben des Neuen Testaments, die Furchtsamkeit ihres Gemahls, meine Dreistigkeit, das Wetter, ihre Hühneraugen - wünschen Sie, dass ich fortfahre?«

Sharpe lächelte. »Nein.«

Louisa entwirrte mit den Fingern ihre dunklen Locken. »Ich bin, Lieutenant, aus einer Laune heraus mitgekommen. Wenn ich schon in einen Krieg verwickelt sein soll, dann lieber auf meiner eigenen Seite als unter Feinden.«